Die große Burger Story
Fotos: Unilever Food Solutions; iStockphoto

Die große Burger-Story

Wie das Buletten-Brötchen salonreif wurde ...

von Sebastian Bütow
Samstag, 03.09.2016
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Jetzt mal ganz ehrlich: Dass der Burger-Boom sich hierzulande auf seinem Zenit befinden soll, ist doch glatt untertrieben. Richtig ist, dass der Hype längst bizarre Ausmaße annimmt. Als in Düsseldorf ein neues Burger-Restaurant eröffnete, musste die Polizei den Verkehr umleiten, weil der gierige Publikumsstrom bis auf die Straße überquoll.

In Dortmund drängten so viele Gäste in die neu eröffnete »Pottburger«-Braterei, dass man noch Tage später über Facebook mitteilte, »dem Ansturm einfach nicht gerecht werden« zu können, man vertröstete auf die kommenden Wochen. Es burgert in Deutschland so gewaltig wie nie zuvor.

Paare sitzen bei Jim Block beim Burger essen
Die Burger-Kette Jim Block ist der »kleine Bruder« von Block House.
Foto: Jim Block

In jeder Gastro-Kaste zu Hause

Sogenannte »Better Burger«, die Exemplare mit frischen Zutaten, basierend auf individuellen Rezepten, sind die Speise der Stunde, buchstäblich in ­aller Munde. Selbst Sterneköche wie Klaus Erfort oder Michel Roth und sogar das New Yorker Luxushotel Waldorf Astoria sind sich nicht zu schade, einen Burger anzubieten. Eine Speise, die es von ganz unten nach ganz oben geschafft hat, ohne seine Bodenhaftung zu verlieren.

Der Burger ist die Jeans unter den Speisen

Diese unglaublich erfolgreiche Karriere verdient es, tiefer beleuchtet zu werden. Die Geschichte des Burgers weist erstaunliche Parallelen mit der Jeans auf, dem Evergreen der Mode. Beide existieren seit Ende des 19. Jahrhunderts, wurden offenbar von deutschen Einwanderern erfunden, starteten ihren Siegeszug in Amerika (siehe auch Timeline). Vor allem aber sind beide nicht totzukriegen. Auch, weil sie sich immer wieder neu erfinden.

Aber der Reihe nach: Warum heißt der Hamburger eigentlich Hamburger? Mit »Ham«, englisch für Schinken, hat das nichts zu tun, da sind sich die Sprachwissenschaftler sicher. Die meisten Experten sind mittlerweile überzeugt: Der Hamburger verdankt seinen Namen tatsächlich der norddeutschen Metropole!

Wer hat’s erfunden?

Ein gewisser Charlie Negrin alias »Hamburger Charlie«, der aus der Hansestadt stammte, verkaufte 1885 Brote mit Fleischfrikadellen in Seymour, Wisconsin. Die Einwohner dort sind heute felsenfest überzeugt davon, dass ihr Charlie den Hamburger einst erfand – sie widmeten ihm sogar eine »Hall of Fame«.

Klar, dass auch etliche andere Menschen für sich beanspruchen, den Burger erfunden zu haben. Es gibt Dutzende Mythen, die US-Politiker immer wieder gerne bemühen, um regionalen Stolz zu pushen. Wer es wirklich war, werden wir wohl niemals erfahren. Fakt ist: Der Burger ist ein Ami. Und was für einer! Nahtlos reiht er sich in das Klischee des amerikanischen Traums ein. Vom Tellerwäscher zum Millionär, vom Sandwichverkäufer mit Klapper-Stand zum Boss einer Fast-Food-Goldgrube.

Der Hamburger passte wunderbar in die hektische Epoche

Im jungen Amerika des späten 19. Jahrhunderts entwickelte der Hamburger sich rasch zum typischen Produkt einer hektischen Epoche. Die Menschen waren jetzt ständig unterwegs, nicht nur die New Yorker Hafenarbeiter liebten dieses schnelle, unkomplizierte Hackfleisch-Sandwich. Der Ur-Hamburger bestand nur aus Brot und Fleisch – Ketchup, Zwiebeln und Konsorten waren in diesem Frühstadium der Burger-Evolution noch Zukunftsmusik.

Für jedermann erschwinglich wurde der Hamburger aber erst in den 1920er-Jahren, als die Rinderzucht explodierte. Das Jahr 1921 markiert einen der bedeutendsten Meilensteine der Burger-Historie: Das ­erste »White Castle«-Restaurant eröffnete, die allererste Burger-Kette, die unseren Planeten beglückte.

Der erste Systemgastro-Burger war quadratisch

Erstmals wurden mehrere Pattys (Fleischscheiben) komplett gleichmäßig mit ­einem eigens dafür gefertigten Küchensystem produziert. Jeder Burger, damals noch quadratisch, sollte gleich aussehen, gleich schmecken und in gleichem Tempo produziert werden. Diese Burger waren äußerst günstig, fix zu haben und sehr ­beliebt.

Warenkunde

Der klassische Hamburger wird mit einem (reinen!) Rinderhackfleisch-Patty, Eisbergsalat, Tomatenscheibe, Salatgurke und Zwiebel belegt. Dazu Ketchup, ggf. Mayonnaise.

Beim Cheeseburger kommen, na klar, noch ein bis zwei Scheiben Käse dazu – die meisten verwenden Cheddar, die Fast-Food-Riesen Schmelzkäse. Bei den 2.0-Burgern sind Gorgonzola und Ziegenkäse zurzeit angesagte Käsesorten, dann heißen die Burger aber nicht mehr Cheeseburger.

Chiliburger sind in Deutschland auf fast jeder Burger-Speisekarte zu finden. Zutaten sind meist marinierte Chilis, Chili-Pasten und -Saucen, in der Regel hausgemacht. Die ganz harten Burschen bestellen Jalapeños dazu.

Fans des Baconburgers schwören auf gebratenen Speck.

Bei Zutaten für Veggieburger gibt es etliche Möglichkeiten. Der Bratling als Patty-Ersatz kann aus Gemüse, Nüssen, Pilzen oder anderen pflanzlichen bzw. vegetarischen Zutaten bestehen. Extrem »in« sind zurzeit Bratlinge aus dem peruanischen Wunderkorn Quinoa.

McDonald’s und Co. eroberten die Welt

Burger passten perfekt in die US-Mentalität des Essens zum Mitnehmen. Schnell mal mit dem Cadillac zum Drive-in, dann weiterdüsen zum Autokino. Der rasante Erfolg ließ immer mehr Burger-Läden entstehen. Dann kam 1937 McDonald’s ins Spiel – quasi das nächste Level der Fast-Food-Branche. Denn McDonalds’s hat nicht nur Big Mac und Co., sondern auch sein Franchise-System durch die west­liche Welt gereicht. 1971 eröffnete der Gigant seine erste deutsche ­Filiale in München. Mittlerweile sind es 1.478.

Schnell zurück zum Better Burger! Der geht nun in Zeiten durch die Decke, in denen immer mehr Konsumenten nach bio, veggie und vegan schreien. Ein Widerspruch? Mitnichten. Trendforscher wissen: »Jeder Trend löst einen Gegentrend aus.« Und mit der stark wachsenden Klientel der Ernährungsbewussten kristallisierte sich folgerichtig die neue Burger-Bewegung heraus.

Der herkömmliche Massenburger, trockenes Fleisch zwischen zwei trostlos zusammengepressten Brötchenhälften, mutierte zu einem frischen, strahlenden Produkt, das auch die Gaumen und die Gewissen der Ernährungsbewussteren unter uns entzückt.

Sogar in China boomen Bio-Burger

Ein globales Phänomen! Zwischenzeitlich ließ die neue Burger-Welle sogar die Umsätze von McDonald’s und Co. abstürzen. McDonald’s versuchte mit einiger Verspätung, auf den Zug aufzuspringen – und floppte zum Beispiel mit dem Bio-Modell »McB«. Das ehemals klare Profil und die Glaubwürdigkeit der Marke litten unter dem Bio-Aktionismus, kritisieren Werbeexperten. Sogar in China bestellen die vielen neuen Besserverdiener Bio-Rind für ihren Cheeseburger. Immer wieder trumpfen Burger-Restaurants der neuen Generation mit Innovationen auf. Jim Block etwa, der kleine Bruder des Block House mit u. a. acht Filialen in Hamburg, lässt seine ­Gäste live zusehen, wie ihr Burger zubereitet wird.

Aus Hamburger wird Glamburger

Es gibt Jeans für zehn Euro, aber auch ziersteinveredelte Modelle im vierstelligen Bereich. Längst werden auch Burger in dieser Preisklasse angeboten: So ist der »Glamburger« des Szenelokals Honky Tonky im Londoner Edelbezirk Chelsea für stolze 1.569,40 Euro zu haben. Das Fleisch stammt u. a. vom japanischen Kobe-Rind. Weitere Zutaten sind Hummer, Trüffelkäse, Champagnersauce und – festhalten – eine hauchzarte Scheibe Blattgold mit 24 Karat. Ja, dieses deka­dente Scheibchen soll tatsächlich genießbar sein.

Dieses Extrembeispiel unterstreicht, dass der Burger alle Schichten erreicht. »Jedem das Seine«, findet der Münchner Gastronom Benedikt Proeller, er lächelt dabei. In seinem Belicious-Restaurant gehen die Burger bei neun Euro los, »nach oben gibt es natürlich keine Grenze, der Rekord-Burger liegt bei ca. 37 Euro, dann ist auch Trüffel dabei. Wer sich den zusammenstellt, muss dann aber mit einem halben Kilo Fleisch fertigwerden«, schmunzelt Proeller.

Zwei Frauen essen einen Burger
Der Burger war schon in den 60ern heiß geliebt – das hat sich nicht
geändert. Foto: fotolia.com: Zsolnai Gergely

»Ein wahnsinnig variables Lebensmittel«

Das Baukasten-System des Belicious mit etlichen Fleisch- und Brötchensorten ­sowie Toppings beantwortet auch die Frage, warum der Burger solch eine Erfolgsstory darstellt. »Er ist ein wahnsinnig variables Lebensmittel. Ich kann ganz viele Ableitungen davon zubereiten, kann wahnsinnig viele Geschmäcker bedienen. Er ist relativ einfach herzustellen.

Ob Jung oder Alt und egal, welche Nationalität – aufgrund seiner vielseitigen Zubereitungsmöglichkeiten kann der Burger alle Geschmäcker treffen.«
Sogar von denen, die kein Fleisch essen. Das US-Männermagazin »GQ« wählte den veganen »Superiority Burger« aus dem New Yorker »Big Apple« zum besten der Welt – obwohl er mit fleischigen konkurrierte.

Der Lifestyle-Faktor wird immer wichtiger

Jim Block lockt auch mit Events wie »Beats & Burger Live Sessions« – reinbeißen bei cooler Band-Musik, nichts vom Band, sondern frisch musiziert, in einem lässig-urbanen Ambiente. Womit wir beim Lifestyle-Aspekt angekommen wären.

Regional, saisonal, bio und originell sind die Noten, mit denen angesagte Burger komponiert werden, aber gerade in den Metropolen lässt sich beobachten, wie die Gastronomen über das Burger-Angebot hinaus mit gewissen Extras ­locken.

Um weiter bestehen zu können, sind ­Gastronomen in Sachen Qualität und Originalität auf jeden Fall immer wieder aufs Neue gefordert.

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