Eine rollende Hotel Legende
Foto: Dimorestudio OE Suite Deluxe

Eine rollende Hotel-Legende

Der Orient Express – von der nostalgischen Rückkehr eines Luxuszuges

von Karoline Giokas
Freitag, 09.09.2022
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Wer kennt ihn nicht, den „Mord im Orient Express“ – jenen legendären Klassiker unter den Agatha-Christie-Kriminalromanen, in dem wir den Ermittler Hercule Poirot auf seiner Suche nach den Mördern im Orient Express gebannt gefolgt sind? Kaum einer weiß allerdings um die Geschichte hinter der Entstehung des „Königs der Züge“, wie der Orient Express oft bezeichnet wird.
Vor mehr als 150 Jahren erfüllte sich Georges Nagelmackers damit nämlich einen Traum: Unter der von ihm gegründeten Compagnie Internationale des Wagons-Lits (CIWL) betrieb er Schlaf- und Speisewagen in fast allen europäischen Ländern und rief hierbei den Luxuszug Orient Express ins Leben, der zunächst ausschließlich aus Schlafwagen und Speisewagen bestand. Nagelmackers verhalf diesen Einrichtungen zum Durchbruch in vielen europäischen Ländern, wo sie sich vom Luxussegment in die übrigen Wagenklassen verbreiteten.

Schönes Zimmer im Orient Express
Foto: Dimorestudio OE Suite Deluxe

Eine neue Art des Reisens auf Schienen

Seine erste Reise führte den Orient Express am 5. Juni 1883 von Paris in Richtung Konstantinopel (seit 1930 Istanbul). Ab 1890 bestand eine durchgehende Verbindung über Süd­deutschland, Wien, Budapest und Sofia nach Konstantinopel. Der Zug war Kernelement eines ganzen Systems von Luxuszügen, die vor allem der Verbindung von Paris und den Kanalhäfen mit verschiedenen Zielen am Mittelmeer, in Mittel- und Südosteuropa dienten.

Nach dem Ersten Weltkrieg verkehrte der Orient Express nach Bukarest, nach dem Zweiten Weltkrieg wurde die Zuggattung Luxuszug 1951 ab­geschafft und die Züge in normale Schnellzüge umgewandelt. Die letzte durchgehende Verbindung zwischen Paris und Istanbul war der Direct 
Orient, der 1977 eingestellt wurde.

Wir bei Accor betrachten es als ein großes Privileg, der historischen Marke Orient Express für leidenschaftliche und anspruchsvolle Reisende neues Leben zu verleihen. Diese Züge bieten eine neue Vision von Luxusreisen, die unsere Vorstellungskraft übersteigt

Sébastien Bazin, Chairman und CEO von Accor 

Auf mehr als 16.000 Kilometern durch 14 Regionen

Nun stellt sich Accor einer neuen Herausforderung: Die Hotelgruppe möchte den nomadenhaften Charme, der einer Reise mit dem Orient Express anhaftet, für eine neue Generation wieder zum Leben erwecken. „Die ursprüngliche Zugstrecke war innovativ, denn sie brachte auf paradoxe Weise Kulturen zusammen – den Okzident mit dem Orient, Geschichte mit Moderne. Als Gastgeber, als Reiseunternehmen möchten wir diese alte, beeindruckende ‚Reise nach Anderswo‘ wiederbeleben und Gegensätze in Einklang bringen: Reise und Ziel, Erstaunen und Inspiration, Bewegung und Kontemplation“, erläutert Stephen Alden, CEO Raffles und Orient Express, Accor, die Beweggründe zur neuen Strategie.

Bereits 2017 hatte daher das in Paris ansässige Unternehmen die Hälfte der Marke Orient Express erworben. In Zusammenarbeit mit der italienischen Hospitality-Gruppe Arsenale S.p.A. plant Accor nun im Rahmen eines Luxus-Eisenbahntourismusprojekts, zum einen insgesamt sechs Orient- Express-Züge unter dem klangvollen Namen „La Dolce Vita“ durch insgesamt 14 Regionen auf die Schienen zu bringen. Dabei befahren die zwölf Deluxe-Kabinen, 18 Suiten, eine Honor-Suite und ein Restaurant unter anderem drei internationale Strecken von Rom nach Paris, Istanbul und Split. 2024 – so die aktuellen Prognosen – soll es losgehen. 

Zum anderen ist auch pünktlich zu den Olympischen Spielen in Paris 2024 die Enthüllung des Nostalgie-Istanbul-Orient-Express mit insgesamt 17 Wagen – zwölf Schlafwagen, ein Restaurant und drei Lounges – geplant. Das Besondere: Die Wagen aus den 1920er- und 1930er-Jahren galten eigentlich als verschollen. Noch bis Anfang der 80er-Jahre verkehrte der Zug zwischen Zürich und Istanbul, legte unter dem Namen „Extrême-Orient-Express“ sogar die längste Reise der Geschichte von Paris bis Tokio zurück, bis er einige Jahre später plötzlich verschwand. Erst 2015 tauchte der Zug an der Grenze zwischen Polen und Belarus wieder auf.

Schönes Zimmer im Orient Express
Foto: Dimorestudio OE Suite Deluxe

Jetzt wird aufgemöbelt

Noch müssen die künftigen Luxuswagons überarbeitet werden, bevor sie an den Start gehen können. Für die Ausgestaltung der Wagons wurde das internationale Dimorestudio um die Designer und Architekten Emiliano Salci und Britt Moran beauftragt. Architekt Maxime d’Angeac wird mitsamt einigen der besten französischen Kunsthandwerkern die original historischen Wagons des Nostalgie-Istanbul-Orient-Express wieder zu neuem Leben erwecken. Alle Räumlichkeiten der beiden Züge werden dann die Handwerkskunst, das Design und die Kreativität der 1960er- und 1970er-Jahre widerspiegeln – eine Zeit der Expansion Italiens, in der der Glamour und die Kunst einen Höhenflug erfuhren. „Die Wiedergeburt des Orient Express ist eine technologische Herausforderung, die wissenschaftliche, künstlerische und technische Kriterien erfüllen muss. Das gesamte Projekt wurde daher als Kunstwerk konzipiert“, erklärt d’Angeac und beschreibt dann: „Von den Schrauben und Muttern mit der Signatur von Orient Express bis hin zum innovativen Konzept der Suiten – eine exakte Liebe zum Detail wird es den Reisenden ermöglichen, die großartige Pracht des Orient Express wiederzuentdecken. Es wird ein unvergleichliches Zugreiseerlebnis sein, das sich durch eine zeitgemäße Vision von Komfort und extremem Luxus auszeichnet.“

Und Generaldirektor der Accor-Gruppe für Raffles und Orient Express, Stephen Alden, ergänzt: „Der ursprüngliche Orient Express stand für einen luxuriösen Lebensstil, edle Materialien, Handwerkskunst und einen außergewöhnlichen Service. Die umfangreiche Weinkarte, das großartige kulinarische Erlebnis und die Reise durch die Nacht vermittelten eine gewisse Romantik. Diese Magie des Reisens sollte für alle Hotelgäste spürbar sein.“

Erste Stopover entlang der Routen

Parallel zum neuen Aufenthaltsluxus auf Schienen, will Accor mit der Eröffnung mehrerer neuer Hotels entlang der Reiserouten die relaunchte Marke Orient Express komplementieren: Als Erstes soll 2024 das Orient Express La Minerva in Rom, im Herzen der Altstadt gelegen, eröffnen – nach einer rund 20 Monate andauernden Schließung für die umfassenden Renovierungen. Hinter der Fassade aus dem 17. Jahrhundert befinden sich eine Lobby, die mit römischen Säulen und Skulpturen von Rinaldo Rinaldi versehen ist, sowie eine Panoramaterrasse, die einen Ausblick auf die Kuppel des Pantheons sowie Santivo und das Dach des Quirinal freigibt. Seit zwei Jahrhunderten empfängt das historische Haus Kunstliebhaber, Sammler, Kirchenmänner und Intellektuelle wie beispielsweise den Schriftsteller, Abenteurer und Globetrotter Herman Melville.

Michael Jackson
1992 soll der König des Pops, Michael
Jackson, während seiner Europatour
„Dangerous“ für ein paar Wochen mit
dem Nostalgie-Istanbul-Orient-Express 
gereist sein. Foto: Picture Alliance/
Karl Schöndorfer

Zudem geht im gleichen Jahr das Orient Express Palazzo Donà Giovannelli in Venedig mit 45 Zimmern und Suiten und direktem Blick auf die Kanäle der schwimmenden Stadt an den Start. Die Innenarchitektin Aline Asmar aus Amman und ihr Studio Culture in Architecture, zu dessen bisherigen Arbeiten das Hôtel de Crillon in Paris und das Restaurant Le Jules Verne im Eiffelturm gehören, wurden mit der Gestaltung und Dekoration des Hotels beauftragt. Laut der Accor-Gruppe zielt Orient Express nicht darauf ab, möglichst viele Züge und Hotels zu kreieren, sondern eher darauf, dem Kunden die bestmögliche Erfahrung zu bieten. Demnach soll sich der Charme des ultraluxuriösen Reisens in jedem Aspekt der neuen Hotels widerspiegeln. Bis 2030 soll das Portfolio der neuen Marke insgesamt zehn Häuser umfassen.

Made in Italy

Was kulinarisch aufgetischt wird? „Im Orient Express La Dolce Vita werden wir eng mit den besten lokalen und internationalen Köchen und Sommeliers zusammenarbeiten, um unseren Passagieren und Gästen das Beste von aus ‚Made in Italy‘ zu servieren“, verrät Alden weiter. So werden Gäste in den Genuss preisgekrönter italienischer Weine und exklusiver Haute Cuisine, kombiniert mit 5-Sterne-Service, kommen. Vor der Abfahrt am Bahnhof Roma Termini empfängt die Orient Express Executive Lounge die Reisenden mit einer Auswahl an Erfrischungen. Darüber hinaus wird eine Orient Express Wagon Bar entwickelt, um das altehrwürdige Fahrerlebnis in diesem luxuriös gestalteten Zug so gut wie möglich nachzuempfinden. 

Accor bietet mit der neuen Marke Orient Express ein völlig neues Übernachtungserlebnis. Ob es einen Markt findet wird sich in Zukunft zeigen. 

Hotel Minerva
Foto: Oliver Astrologo

Züge & Hotels – ein zweigleisiger Markenauftritt

„Die Verbindung unserer Hotels zum Zug wird nicht nur geografisch dadurch bedingt sein, dass sie Teil der Zugstrecken sind, die wir ab Anfang 2024 mit dem Orient Express La Dolce Vita befahren“, erklärt Stephen Alden den unmittelbaren Bezug von Zügen und Hotels unter der Orient-Express-Marke. 

„Das Erbe und die Geschichte der Züge sind wesentlicher Bestandteil bei der Auswahl unserer Hotels, sowohl was die Hotels selbst als auch ihre Destination betrifft. Das erste Orient Express Hotel im Herzen von Rom wurde als Grand Hotel de la Minerva 1620 im Auftrag der Fonseca erbaut, einer reichen aristokratischen Familie aus dem Königreich Portugal, die sich im 15. Jahrhundert in Rom etablierte. Seit zwei Jahrhunderten empfängt das historische Haus Kunstliebhaber, Sammler, Kirchenmänner und Intellektuelle. Rom selbst beeindruckt seit jeher durch Kunst, Kultur und Geschichte und wurde bereits im 19. Jahrhundert zu einem der beliebtesten Reiseziele – mehrere Züge, darunter der Nice & Rome und der Cannes-Florenz-Rom Express, fuhren die Stadt an.
 
Auch Venedig war ein Stopp des legendären Zuges. Daher hat man sich als zweites Hotel der Marke für den Palazzo Donà Giovannelli entschieden. Der ehemalige Wohnsitz des Herzogs von Urbino, eines Kunstmäzens, wurde zweimal renoviert, vor allem im Jahr 1800 durch den Architekten Gian Battista Meduna. Einst war es eine Pinakothek, in der das Gemälde La Tempesta von Giorgione aufbewahrt wurde, und befand sich im Besitz der Familien Donà und Giovannelli.“      

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