Food Porn essen teilen auf Facebook und Co
Fotos: Taverne Schloss Grafenegg; Schlosshotel Münchhausen

Food Porn

Essen teilen auf Facebook & Co

von Sebastian Bütow
Sonntag, 03.04.2016
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PRO

Toni Mörwald
Toni Mörwald zählt zu den
bekanntesten Köchen Österreichs.
Er besitzt die Taverne Schloss
Grafenegg sowie weitere
Restaurants und Hotels
und veröffentlichte viele
Kochbücher.
Foto: Taverne Schloss Grafenegg

Warum den Gästen etwas verbieten, das ihnen Freude bereitet? Ich rate zur Gelassenheit

Tagtäglich passiert es in unseren ­Restaurants, dass Gäste Fotos schießen von ihren Tellern – um diese dann in sozialen Netzwerken hochzuladen. Ich schätze, rund ein Drittel unserer Gäste knipst und postet seine Teller. Ich muss gestehen, dass ich weder Fan noch emsiger User von Facebook und Co. bin, schaue nur alle heiligen Zeiten mal rein, etwa wenn ich Kommentare zu unseren eigenen Posts interessant finde oder wenn mir meine Töchter interessante Einträge von anderen zeigen.

Und wenn ich Foodporns samt ihrer Kommentare dazu betrachte, bin ich immer wieder erstaunt, mit welcher Freizügigkeit jedes einzelne Detail zur Schau gestellt wird. Da kommt mir wirklich der Gedanke, dass es sich um eine Art modernen Exhibitionismus handeln muss.     

Für mich dient der Foodporn-Trend in erster Linie als Betätigungsfeld, um sich selbst zu inszenieren. Folgendes sage ich ohne Kritik: Meistens geht es weniger um die Speisen als um die Absender der Posts. Viele Leute haben Spaß daran, ­ihrer »Community« zu zeigen, wo sie ­gerade speisen und welch schöne Dinge da auf ihrem Teller liegen. Es sei ihnen gegönnt.

Man muss Foodporns nicht super finden – aber man muss auch nichts dagegen haben. Ich vertrete den Standpunkt, dass moderne Einflüsse und Erfindungen wie Handykameras, Facebook und WhatsApp schlicht nicht aufzuhalten sind. Auch Verbote bringen nichts, mit Maßregelungen kann man nichts bewegen. Zumal es viele, Verbot hin oder her, sowieso tun würden. Die Leute haben ihr Handy so gut wie immer dabei, sogar beim Skifahren oder beim Schwimmen, und sie werden es sich nicht verbieten lassen, ihre Bilder immer und überall zu knipsen.

Es ist fast schon ein gesellschaftliches Grundbedürfnis, alles Mögliche zu fotografieren. Wir machen Gebrauch von den modernen Technologien, die die digitale Welt uns bietet. Das ist nun mal so. Und deshalb sehe ich es mit Gelassenheit, wenn unsere Gäste mit Freude ihre Teller ablichten. Auch dann, wenn manchmal unvorteilhafte Bilder im Netz zu finden sind. Da muss man drüberstehen. Ich kann mir nur schwer vorstellen, dass ein nicht gelungenes Bild von einer Speise aus unserem Restaurant unserem guten Ruf wirklich schaden könnte.

Wenn jemandem meine Speisen schmecken und er meint, dass er es ­unbedingt über diese modernen Kommunikationsinstrumente weiterempfehlen möchte – warum denn nicht? »Food« spielt nun mal eine große Rolle für viele Menschen. Es geht nicht nur um Ernährung, sondern auch um Kunst, Lifestyle – manchmal sogar um Religion.

Dass der Foodporn-Trend abebben wird, kann ich mir nicht vorstellen. Sicher ist nur, dass die (Handy-)Kameras in Zukunft noch leistungsfähiger, noch hochauflösender sein werden. Der Fortschritt der Technik sorgt für immer bessere Aufnahmen, die dann hoffentlich auch die Foodporn-Kritiker ein bisschen glücklicher machen.


CONTRA

Achim Schwekendiek
Achim Schwekendiek,
Küchen­direktor im Schlosshotel
Münchhausen in Aerzen
(Niedersachsen), wurde als Koch
mehrfach ausgezeichnet und
ist Mitglied bei den Jeunes
Restaurateurs d’Europe.
Foto:  Schlosshotel Münchhausen

Beim Essen zu foto­grafieren, ist unhöflich, und die Qualität der Bilder wird den Speisen nicht gerecht

Grundsätzlich finde ich den Handygebrauch im Restaurant schlichtweg unhöflich. Es ist respektlos gegenüber der Person, mit der man isst – und ein Zeichen dafür, dass man diese nicht ernst nimmt. Spielereien und Telefonate mit dem Handy gehören meiner Meinung nach einfach nicht dazu, wenn man sich in einem Restaurant zu einem gemeinsamen Essen trifft.

Insbesondere in gehobenen Restaurants sollte der Besuch an sich etwas Besonderes sein! Eine Zeit für nette Gespräche – und dabei gehört das Handy ausgeschaltet. ­Telefonieren oder Fotografieren muss da wirklich nicht sein. Wer dennoch nicht von ­einem Post in sozialen Netzwerken wie Facebook absehen möchte, der könnte doch vor dem Betreten des Restaurants ein Selfie machen. Auf diese Weise weiß dann wenigstens jeder auch, wo er is(s)t.

Außerdem sind Handybilder oft verschwommen oder schlecht ausgeleuchtet. Sie werden der wahren Klasse des abgebildeten Gerichts meist nicht gerecht. Ein Koch denkt sich schließlich etwas bei der Präsentation seiner Gerichte. Eine schlechte Fotografie gibt das nicht wieder. Man würde sich schließlich auch kein Handybild der Mona Lisa in sein Wohnzimmer hängen.

Das Fotografieren der Speisen auf dem Teller sollte man deshalb meines Erachtens einem Profi überlassen. Und wenn schon unbedingt Food-Fotogra­fien im eigenen sozialen Netzwerk geteilt werden sollen, dann doch am besten gleich die, die der Koch selbst auf seiner Facebook-Seite veröffentlicht hat. Vergessen wir schließlich auch nicht, dass die Speisen in einem Restaurant das kreative Eigentum des Kochs bleiben – auch auf dem Teller!

Die Kreationen der ganz großen Köche dieser Welt werden häufig kopiert, jedoch hat kaum jemand eine Ahnung davon, wie das Original zubereitet wird. Nur noch das Aussehen einer Speise zählt! Es wird einfach wild kombiniert. Für viele Foodporn-Poster zählt nämlich leider nicht das Wissen, sondern nur das »Wow« im Netz. Hauptsache, sie werden »gelikt«.

Ich selber habe mich vor einigen Jahren als Fotograf versucht: mit digitalen Kompaktkameras, einer Profikamera und auch mit dem Handy. Dabei habe ich mich sogar von Profi-Fotografen beraten lassen. Mit Fotolampen habe ich für eine bessere Ausleuchtung gesorgt. Ich habe sogar einen speziellen Aufnahmetisch für die Foodteller angeschafft. Es kamen aber nie anständige Bilder dabei heraus, die ich veröffentlicht hätte. Und nun muss ich mit ansehen, wie Gäste mit mäßigem Erfolg mein Essen fotografieren. Mir leuchtet wohl ein, dass diese Bilder ein Zeichen dafür sein mögen, dass es den Gästen gefallen hat – doch dadurch werden die Bilder nicht besser.

Erst seit ich mir vor Kurzem ein neues professionelles Fotosystem angeschafft habe, landen nun auch vermehrt hochwertige Bilder meiner Speisen im Internet. Und die nehme ich garantiert so auf, dass sich keiner meiner Gäste gestört fühlt!

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