Ab jetzt mit Geschmack!
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Ab jetzt mit Geschmack!

von Clemens Kriegelstein
Sonntag, 06.08.2017
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Käse schließt den Magen«, lautet ein alter Spruch. Und auch wenn dieser heute oft keine Gültigkeit mehr hat (bei einem großen Menü wird das Dessert meist als endgültiger Abschluss serviert), so ist ein gut sortierter Käsewagen in Kombination mit frischem Brot und eventuell Beigaben wie Trüffelhonig, Feigensenf oder frischen Früchten, für Kenner doch ein besonderes kulinarisches Erlebnis. Vor allem eines, das man zu Hause nicht ohne weiteres nachspielen kann, ist doch die Bezugsquelle wirklich guten, gereiften Käses nicht gerade der Supermarkt ums Eck. Ein Grund mehr, bei seinen Gästen mit einem guten Käseangebot zu punkten – und zwar nicht nur in der Spitzengastronomie.

Käse ist seit der Steinzeit bekannt

Dabei gehört Käse neben Fleisch wahrscheinlich zu den ältesten Lebensmitteln des Menschen. Schon die frühen Bauern in der Steinzeit machten aus Milch Käse. Spötter könnten jetzt einwenden, dass sich der Käse, den man bei manchen Hotel-Frühstücksbuffets bekommt, wahrscheinlich qualitativ von der Steinzeit-Ware nicht sonderlich unterscheidet.

Und tatsächlich sind die oft vorgeschnittenen, gekühlten Emmentaler- oder Goudascheiben, die gleich neben der Salami und dem Schinken zu finden sind, nicht unbedingt Produkte, bei denen Käse-Connaisseurs mit der Zunge schnalzen. Doch in Wirklichkeit ist der Vorwurf natürlich ungerecht. Denn die Käsescheibe am Frühstücksbrot – even­tuell zusätzlich zur Wurst – erfüllt einen anderen Zweck als der Käsegang am Ende eines Fünfgangmenüs. Der Absatz von Époisses am Frühstücksbuffet wäre vermutlich ein begrenzter und die Kombination von Reblochon mit Cappuccino – naja.

»Durchwachsene« Käsekultur

Trotzdem ist nicht alles eitel Wonne bei der Käse­kultur zwischen Wien und Hamburg. Herbert Schmid war einst Käsesommelier im legendären Wiener »Steirereck« und damit einer der ersten Wegbereiter für hochklassige Käsekultur in Österreich. Auch heute ist er noch gastronomisch ­tätig, aktuell in der Weinbar Markur am Hohen Markt in Wien – selbstverständlich wieder mit Schwerpunkt Käse. »Eher durchwachsen« ist für ihn nach wie vor die generelle Käsekultur in unseren Breiten. »Bei manchen ist sie sehr gut, in anderen Lokalen wieder – das muss man so sagen – stümperhaft. Da merkt man, die haben keine Ahnung von der Reife eines Käses«, weiß der Experte. »Erst kürzlich war ich in einem Restaurant in Tirol und habe dort auch Käse bestellt. Ich habe in meinem Leben noch nie etwas Bestelltes in einem Lokal zurück­geschickt. Aber das schon! Und das ist eigentlich nicht nötig, denn inzwischen gibt es genügend Anleitungen und Broschüren zum Thema Käsekultur und wie man die ­gröbsten Fehler vermeidet. Da merkt man, dass der Gastronom nicht mal die wichtigsten Hausaufgaben gemacht hat.« Andererseits gäbe es oft positive Überraschungen mit eigenen Käsewägen und guter Information für den Gast.

Mangelnde Käsereife oder zu niedrige Temperatur (Käse direkt aus dem Kühlschrank) seien seiner Erfahrung nach auch die häufigsten Fehler, denen man in der Gastronomie begegne. Auch eine Essig­gurke als Beilage habe auf einem ordentlichen Käseteller nichts verloren: »Sauer und guter Käse passt einfach nicht. Sowas kann ich zum Emmentaler bei der ›Brettl­jause‹ servieren aber nicht zum gereiften Blauschimmelkäse.« Und generell gilt bei Gelees, Chutneys & Co.: Die Beigabe soll den Eigengeschmack der Käsesorte nicht überdecken. Ziel ist es, eine ausgewogene Harmonie zu erlangen. Schmid: »Speziell mancher Feigensenf hat eine Schärfe, die den Eigengeschmack des Käses völlig überlagert.«

Käse Wein Bier
Foto: Fotolia.com: Jag_cz

Weg vom Einheitskäse

Leider sei die Akzeptanz von gutem Käse in Deutschland oder Österreich nach wie vor eher ein Minderheitenprogramm, die Masse würde im Zweifel zu Allerwelts­käsen wie Gouda & Co. greifen, entsprechend würden sich nur wenige Gastro­nomen den Aufwand einer außergewöhnlichen Käseauswahl antun. Doch Schmid kennt Wege aus der Falle der Einheitsschnittkäse, auch ohne eigenen Reife­keller. »In vielen Gegenden gibt es kleine Betriebe, die Käse herstellen. Bauern zum Beispiel, vor allem in Regionen wie Salzburg, Tirol oder auch Bayern. Diese muss man halt entdecken und kann dann noch dazu mit regionalen Produkten aufwarten, die man nicht überall bekommt.« Zumal es ja außerhalb der größeren Städte überhaupt schwierig sei, besondere Käsespezialitäten etwa aus Frankreich oder der Schweiz zu bekommen. Andererseits gäbe es auch große Molkereien, die – bisweilen speziell für Gastrokunden – ein eigenes Sortiment an affinierten Käsen anbieten.

Wichtig sei in jedem Fall, dass sich der ­Gastronom selbst für das Thema interessiert und es im Verkauf forciert. »Wenn ich nichts anbiete, kann ich nichts verkaufen«, weiß Schmid. Umgekehrt könne der Käseabsatz durch aktiven Einsatz deutlich ­gesteigert werden. Auch wenn vor allem anfangs oft ein gewisses Durchhaltevermögen nötig sein. Viele Leute würden zu rasch aufgeben, aber neue Angebote bräuchten eben ihre Zeit, bis sie sich herumgesprochen hätten. Und es sei auch kein Käsewagen mit 20 oder 30 verschiedenen Sorten nötig. Schmid: »Ein kleines, aber feines gemischtes Sortiment von vielleicht acht Sorten, von mild über würzig bis zu Blauschimmel, genügt völlig. Wenn das dann optisch noch gut präsentiert wird, ist das schon die halbe Miete.«

»Wie soll man ein Volk regieren, das 246 Sorten Käse hat?«

Charles de Gaulle

Schimmel ist in der Regel problemlos

Zum Thema Käsekultur gehört in jedem Fall auch die richtige Lagerung. Kühl (ideal sind etwa zehn bis zwölf Grad, nicht unter acht Grad) sollte es sein, die Käse dabei in Frischhaltefolie einschlagen, bei Schimmelkäsen geht auch Alufolie. Wichtig ist, dass möglichst wenig Luft zwischen Käse und Folie ist, denn in diesem Bereich bildet sich eine Art Kondenswasser und hier kann sich Schimmel bilden. Allerdings ist Schimmel beim Käse in der Regel kein großes Problem. Im Gegensatz zu den meisten anderen Lebensmitteln dringt Schimmel nicht in den Käse ein. Man kann ihn daher einfach entfernen und den Rest essen. »Außer es handelt sich um schwarzen Schimmel«, warnt Schmid, »dann gehört der Käse entsorgt.«

KäsesorteBeispielWeinbegleitungBierbegleitung
FrischkäseZiegenfrischkäse, Mozzarella, RobiolaLeichte und frische weiße Sorten wie Sauvignon Blanc oder generell weiße JungweineLeichte, fruchtige Weizen- oder auch belgische Kirschbiere
WeißschimmelkäseCamembert, Brie, CoulommiersFruchtbetonte, trockene Weiße wie Riesling, Neuburger oder RotgipflerUnfiltrierte Zwickel-, aber auch (dunkle) Weizenbiere
RotschmierkäseTaleggio, Reblochon, ÉpoissesGereifte Weißweine (z. B. Grüner Veltliner, Grauburgunder). Alternativ auch Pinot Noir oder MerlotKlassische, helle Lager-, Bock- oder Weizenbockbiere
BlauschimmelkäseGorgonzola, Blue Stilton, RoquefortGehaltvolle Sorten mit etwas Restsüße: Amarone, Beerenauslesen, EisweineIntensive, alkohol­reiche Biere wie dunkle Doppelböcke
HartkäseBergkäse, Parmesan, gereifter GoudaKräftige Rote (Cuvées) passen hier ebenso wie gut gereifte weiße BurgundersortenKräftige (dunklere) Lagerbiere oder Ales
Käsepapst Bernard Antony
Foto: Ardisson + Autres

Pasteurisierter Käse ist für Leute, die keinen Geschmack haben

Bernard Antony gilt als Käsepapst, der in seinem Elsässer Betrieb (www.fromagerieantony.fr) seit Jahrzehnten Käse veredelt und vertreibt. Zu seinen Kunden gehören Betriebe auf der ganzen Welt, von Alain Ducasse (Paris) über das Hotel Kempinski (St. Moritz) oder den Hangar 7 (Salzburg) bis zur Schwarzwald­stube (Baiersbronn). Aber auch in Tokio, Bangkok, Hong Kong oder Beirut beliefert Antony Restaurants.

Von wie vielen Produzenten beziehen Sie Ihre Käse und wie lange lagern die im Schnitt?
Meine Käse kommen von etwa 50 Produzenten, davon die meisten in Frankreich, vereinzelt aber auch aus England oder der Schweiz. Die Reifezeit bei mir beträgt je nach Sorte zwischen 14 Tagen und vier Jahren.

Wie viele Sorten haben Sie im Programm?
Unser Sortiment ist durchaus zu überblicken. Aktuell führen wir etwa 80 verschiedene Sorten, davon etwa die Hälfte Ziegenkäse.

Gibt es Unterschiede in der gastronomischen Käse­kultur in Deutschland, Österreich und der Schweiz?
Nein, eigentlich nicht. Zumindest nicht bei meinen Kunden. (Lacht). Und andere Lokale besuche ich nicht. Ich würde aber auch niemals die Käsekultur anderer Lokale kritisieren.

Wie sollte ein Grundsortiment an Käse in der Gastronomie aussehen?
Es muss jedenfalls keine Auswahl von 100 Sorten sein. Man kann auch eine schöne Käseplatte mit nur wenigen Sorten anrichten, wenn diese gut gepflegt sind. Ich habe einen Kunden, dem schicke ich jede Woche nur fünf Käse zu. Bei einem anderen sind es überhaupt nur drei. Diese wähle ich dann nach dem perfekten Reifegrad aus und natürlich achte ich darauf, dass es verschiedene Sorten sind, also etwa ein Hart-, ein Weich- und ein Blauschimmelkäse.

Sie gelten als Fan von Rohmilchkäse. Gibt es keinen Käse aus pasteurisierter Milch, der in Ihren Augen bestehen kann?
Nein, pasteurisierter Käse ist für Leute gemacht, die keinen ­Geschmack haben und sich nicht auskennen. Natürlich hat pasteurisierter Käse den »Vorteil«, dass er immer gleich schmeckt, vom 1. Januar bis zum 31. Dezember. Aber genau das will ich ja nicht. Rohmilchkäse entwickeln sich weiter und schmecken ­immer verschieden.

Haben Sie einen persönlichen Lieblingskäse?
Nein! Wenn Sie zehn Kinder haben, haben Sie die ja auch alle gerne. (Lacht). Das ist auch immer eine Frage, welchen Wein man gerade dazu trinkt.
Der Original-Text aus dem Magazin wurde für die Online-Version evtl. gekürzt bzw. angepasst.

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