Der Tag kann kommen
Foto: The Picture Pantry/Natasha Breen

Der Tag kann kommen!

Morgenstund hat Gold im Mund – vor allem für Gastronomen, die das Frühstücksgeschäft verstehen

von Gabriele Gugetzer
Samstag, 11.01.2020
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Dass die Menschen immer weniger kochen (können), ist einerseits zu bedauern, andererseits ein Segen, jedenfalls für die Gastronomie. Doch beim Frühstück überrascht es. Brötchen, Aufschnitt, Marmelade, das wird man doch wohl noch hinkriegen zu Hause? Aber Frühstück und Brunch sollen nicht nur sättigen. Sie haben enormen Mehrwert. Ein gutes Hotelfrühstück, so sagt man im La Perla in Corvara, ist »die Visitenkarte des ganzen Hauses«. Aber auch jenseits der 5-Sterne-Hotellerie gilt: Frühstück und Brunch sind gleichbedeutend mit kleinen Verwöhn-Momenten und Auszeiten. Sie sollen finanziell und zeitlich nicht den Rahmen sprengen. Und eine unkomplizierte Kommunikation mit anderen Gästen bieten, mit denen man beim 5-Gänge-Menü eher nicht so ins Gespräch käme. Wir lassen uns im Ausland, in der Hotellerie und deutschen Fußgängerzonen inspirieren.

Champagner auf dem Büfett das kann nicht jeder leisten.

Eine neue Generation von spanischen Bubbles ist am Start, vegane Cavas, zum Beispiel von Vilarnau. In England schon der große Renner, hier über Importeure, unter 10 Euro. Schöner (Gesprächs-)Stoff.

Los Angeles – Trends aus der Instagram-Sonne

L.A., die größte Stadt im US-Bundesstaat Kalifornien, war in den 1980er-Jahren die Erfinderin des Power Breakfasts. Heute hat sich die Metropole längst ins neue Jahrtausend gebeamt. Zwei Tagesrestaurants haben die Nase vorn, was Frühstück und Brunch anbelangt, bewiesen durch die Schlange artig anstehender Angelenos. Beide setzen auf Selbstgemachtes. Im Sqirl ist das auch der Ricotta. Das doppeldaumendick aufgeschnittene Briochebrot mit Ricotta und Marmelade ist ein Klassiker, der Avocadotoast wird mit marinierten Möhren ausgarniert, die jüdisch angehauchte Fisch-stulle veredelt mit »Schmear«, dem cremig gerührten Räucherfisch aus der Ashkenaziküche des Ostens. Dünn gestrichen wird übrigens nichts, im Gegenteil, die Marmelade kommt gleich mit Schöpflöffelmaß drauf. Warum? Das sieht auf Instagram einfach herrlich aus.

Das Huckleberry Café and Bakery in Santa Monica bietet eine große Bandbreite an richtig leckeren Kuchen und Teilchen, die hierzulande ebenso begeistern würden, da sie oft deutschen oder skandinavischen Ursprungs sind. Überdies gibt es »Dinge, die aufgehen« oder »Herzhaftes mit einem Ei drüber«. Besagtes Ei veredelt Kartoffeln mit Ziegenkäse, Ofengemüse, Spaghetti-Kürbis mit Parmesan, Polenta mit Gemüse, Linsensalat, sogar einen Panzanella-Brotsalat in warmer Variante.

Ein gutes Brot ist die Basis

Die Unterlage muss stimmen, gebacken wird in obigen Cafés in einer Qualität, von der sich hierzulande Stullenbäcker noch dicke Scheiben abschneiden können. Andreas Caminada, bester Koch der Schweiz, hat das natürlich nicht nötig. Deshalb kann er es sich leisten, in seinem neuen Buch ein Radieschenbrot mit selbst gemachter Mayonnaise auf einer ganzen Seite zu rezeptieren.

Brunch ist Lunch
Foto: iStockphoto

Brunch = Lunch

Anstelle eines Büfetts serviert das Malo in Neuseeland seinen Gästen einen Brunch/Lunch. Mit zwei Vorteilen: Das stellt Gemüse in den Vordergrund, lässt sich damit preiswerter kalkulieren und bietet eine Abwechslung zum hochgetürmten Räucherlachs. Der taucht hier nur in Form einer Pasta mit Ziegenkäse, Kapern und Zitrone auf. Chefkoch Bert van de Steeg bettet pochierte Eier auf pikanten Joghurt und bestreut sie mit Dukkah, serviert mit gekräuterten Pilzen auf Ciabatta eine massentaugliche Stulle, würzt Hähnchenfleisch in einer Bowl mit Apfelstücken und Quinoa, veredelt Rösti mit Frühlingszwiebeln, Sauce hollandaise und Bayonneschinken und gibt dem Bete-Rucola-Salat mit Shiitakepilzen und Avocado die farbliche Bandbreite des Regenbogens. Nichts davon erfordert eine knifflige Kochausbildung oder muss heiß auf den Tisch kommen.

Apropos Bowls: Nestlé Professional hat speziell für die Winterzeit eine wärmende Bowl-Generation auf den Markt geworfen – mit landestypischen Zutaten und Produkten aus aller Welt geht die kulinarische Reise von Israel über Indien bis nach Mexiko.

3x Unverwechselbarkeit beim Frühstück

  • Ayurvedische Müslis
    (Hotel Auersperg)
  • Frühstück bis 14 Uhr (Landhaus Stricker)
  • Schaumweinbegleitung
    ohne Einschränkung
    (Hotel Kitzhof)

Ohne Eier geht gar nichts

Ob der Berlintrend Eggs Benedict oder das gute alte Omelett: Wenn es ökologisch und regional zugeht, schlägt nix ein gutes Ei. Produzenten wie Odefey & Söhne oder der Demeterhof Erdhof Seewalde sind gute Beispiele dafür, wie Gastronomen in Kombi mit re­gional ausgerichteten Betrieben Mehrwert schaffen für die Gäste. Zunehmend wird die Provenienz auf der Karte ausgezeichnet, ein schönes Infoplus für den Gast, das er am frühen Morgen auch schon aufnehmen kann. Das Landhaus Stricker auf Sylt war einer der ersten Sternegastronomen, die damals eine spezielle Eierspeisenkarte entwickelten, mit Beilagen zwischen krossem Speck, Käse, Krabben, Pilzen oder Schalottenwürfeln. Machbar für jede Küche, große verwöhnende Wirkung beim Gast, übersichtlicher Wareneinsatz.

Zwischen deftig und Müsli

Fergus Henderson vom international bekannten St. John im Londoner East End träumt dagegen von scharfen Nierchen. Der frühe Verfechter des Nose-to-Tail-Eating setzt auch in seinem neuen Kochbuch schon zum Morgen auf handfeste Kost, wie eine Speckstulle mit einem Glas Cidre oder Donuts mit einem Glas Champagner. Auch eine Bloody Mary gehört auf seine Frühstücks­karte. Die wird man in Köllns Haferland nicht finden. Das Unternehmen ist im LEH mit diversen Haferprodukten vertreten. In einer zentralen Hamburger Location hat es zudem eine Welt rund um sein Produkt eingerichtet. Diverse Müslistationen, eine Hafermühle, ein Sandwich-Deli, das auf Haferprodukte fokussiert ... alles durchaus inspirierend. Die Location sorgt den ganzen Tag für eine vielseitige Klientel. Der Look ist neudeutsch clean, die Produkte können praktisch zum Mitnehmen verpackt werden. Dagegen scheint das Interesse an reinen Müslibars abzuflauen.

zwischen Büfett Service und Champagner
Foto: iStockphoto

Hotelrestaurants: zwischen Büfett, Service und Champagner

Im Hotel Bergergut in Oberösterreich wird das Frühstück à la carte angeboten, auf angenehm großen Etageren, die Großzügigkeit signalisieren, aber den Tisch nicht völlig vollstellen. Eine Auswahl an Eier-, Porridge- und Joghurtzubereitungen ist ebenfalls dabei. Außerdem wird jedes Fitzelchen gebracht.

In der Stiloase Salzburg bietet das Hotel Auersperg eines der schönsten Frühstückchen Österreichs, verbunden, bei passendem Wetter, mit einer Version im niedlichen Hotelgarten. Kuchen sind selbst gemacht, man kennt die Lieferanten, die Bioqualität und die veganen Sachen... aber hier wird noch höhergeschraubt. Ghee wird verwendet, die Müslis sind ayurvedisch.

Im Hotel Kitzhof hingegen hat der Morgen eine verführerische Opulenz. Auf dem Büfett steht Ruinart-Champagner, und zwar zur freien Verfügung; immerhin liegt das Hotel in Kitzbühel. Doch sonst liegt der Tenor nicht auf Hummer, sondern ebenfalls auf regionalen Produkten, beispielsweise alles aus der Milch von der Hof­käserei Schörgerer.

Das La Perla, eines der besten Alpenhotels und -restaurants, hat sich perfekt ausgerichtet als reiner Familienbetrieb und internationale Adresse. Angenehme Bescheidenheit ist im Spiel, wenn das Frühstück von Hotelseite als »einfach, aber es fehlt nichts« beschrieben wird.
In der Tat ist es hier das präzise Wissen, was die Gäste wortwörtlich aus der ganzen Welt mögen. Produkte aus der Region, toller Südtiroler Speck, Ricotta, Burrata und anderes direkt vom Käser und kurze Wege sind das eine. Eine Servicekraft allein für die Pancakes und Eierspeisen, eine Person für die Cafeteria, im Frühstückssaal insgesamt fünf Personen sind das andere, nämlich ein Luxus, den man sich als Hotel leisten können muss. Interessanterweise sind 70 Prozent des Frühstücks süß, obwohl es gleich auf die Piste oder zum Kraxeln geht. Der Service trägt Häubchen und Schürze wie anno dazumal, gekocht wird vor dem Gast.

Frühstück in der Fußgängerzone
Foto: iStockphoto

Frühstücken in der Fußgängerzone

Eine kluge Einpreisung ist genauso wichtig wie die Kommunikations-Komponente. In der Lister Meile in Hannover steht ein Frühstücks­café neben dem nächsten, nicht jedes ist dolle. Vorbildlich macht es das Panea. Das erschwinglichste Frühstück mit Croissant, Butter und Marmelade ist mit 3,50 Euro eingepreist. Das sogenannte große Frühstück für 2 Personen ist mit 17,50 Euro Endpreis ebenfalls noch der Portokasse zu entnehmen und versetzt überdies in Proseccolaune. Jede Menge Extras stehen auf der Karte zwischen laktosefrei, vegan und freilaufend, das ist zwar alles nichts Neues, signalisiert aber eine gewisse Großzügigkeit. Dazu der Blick auf eine belebte Einkaufs­straße, ungehindert Leute gucken können ... das gönnt man sich schon mal. Schmale Holzbänke vor der Tür und sehr viele Gäste sind ein Garant für Kontakt. Rechnen tut sich das für die Betreiber sicherlich auch, weil das Café überdies Bäckerei ist und ein Sauerteiglaib unter hauseigenen Händen entsteht.

Bio wächst weiter:

Bei frischli bedient man die Nachfrage mit größeren Gebinden für Milch und Schlagsahne.

Aber muss es immer süß sein?

Dim Sum, diese wunderbar würzigen Minihappen, werden in China zwischen Frühstück und Nachmittag aufgetischt. Das Traditionsrestaurant Royal China Club brachte Dim Sum als Erstes in schick nach London und in der ganzen Vielfalt zwischen gedämpft, gebraten, gebacken, eingewickelt in Reis­nudelplatten, basierend auf Reis, auf Nudeln, als Dessert. Teige gibt’s als TK-Variante im Asienladen, die Servierkörbchen aus Bambus sind dekorativ und kosten fast nix. Die Päckchen sehen appetitlich aus und sättigen nachhaltig – das dürfte ein Pluspunkt bei vielen Gästen sein. Dazu passt Tee, aber in London haben jüngere Locations wie Hakkasan, Yauatcha und Baoziinn mitgezogen; da gibt’s auch Cocktails.

Profitaugliche Bücher für Frühstück und Lunch

  • »Everything I want to eat – Sqirl and the New California Cooking«, Jessica Koslow. New York 2018. Gute Rezepte, dank metrischer Umrechnung einfach nachzukochen.
  • »Huckleberry«, Zoe Nathan. San Francisco 2014. Leckeres Backwerk, dank metrischer Umrechnung einfach umzusetzen.
  • »Pure Leidenschaft«, Andreas Caminada. Aarau 2019. Reduziertes vom Meister.
  • »Die Omelettschule«, Gero von Randow. München 2019. Kein Profi, dennoch nette Ideen.
  • »Baking Bread«, Georg Matthes. Hilden 2019. Rezepte aus 28 Ländern Europas.
  • »St. John«, Trevor Gulliver, Fergus Henderson. München 2019. Herzhaft, profitauglich.
  • »Dim Sum – small bites made easy«, Helen & Lisa Tse. London 2015. Metrische Angaben, einfache Umsetzung.

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