Die bittere Wahrheit
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Die bittere Wahrheit

Im Zuge der Craftbierwelle verlangen die Konsumenten auch von klassischen Bieren wieder mehr Geschmack – auch beim Pils

von Clemens Kriegelstein
Mittwoch, 26.08.2020
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Bitte ein Pils!« Manche, die sich in der Gastronomie als Bier­kenner outen wollen, bestellen eben nicht einfach»ein Bier« oder »ein Helles«, sondern eben »ein Pils«. Ein Bierstil, der nach Jahren, in denen er sich geschmacklich oftmals Richtung Märzenbier orientieren musste, auch wieder markant und herb auftreten darf.

Biersommelier Elisa Raus
Elisa Raus ist die regierende
Biersommelier-Weltmeisterin.
Foto: Christian Roedel

Bieriges Desaster als Geburtsstunde

Dabei stand die Bitterkeit am Anfang des Pilsbieres gar nicht im Vordergrund. Es hat seinen Namen aus dem tschechischen Pilsen. Hier war man Mitte des 19. Jahrhunderts obergärige Biere gewohnt, deren Qualität aber so schlecht war, dass das Volk mehrere Fässer Bier aus Protest öffentlich auf dem Rathausplatz ausgeschüttet hat. Ein externer Experte musste die Sache retten und wurde im bayerischen Braumeister Josef Groll gefunden, der 1842 nach Pilsen zog, um »den Böhmen ein gutes Bier zu brauen«. Er stellte die Vergärung von ober- auf untergärig um und produzierte im Herbst 1842 das erste Bier nach Pilsener Brauart, bis heute unter dem Namen »Pilsner Urquell« bekannt.

Pilsbier gehört zu den untergärigen Bieren. Es zeichnet sich durch sein intensives Hopfenaroma aus. Es ist hellfarbig, klar, mit kräftigem Schaum, erfrischend, wenig malzig und liegt in der Stammwürze bei mind. 11 °P, der Alkoholgehalt liegt in der Regel zwischen 4,5 und 5 Vol.-%. Charakteristisch sind bei einem Pils die Bitternoten, die allerdings regional variieren. Am kräftigsten gehopft sind norddeutsche Biere (wer einmal ein »Jever« oder ein »Flensburger« getrunken hat, vergisst diesen Eindruck nicht so bald), weiter im Süden und auch in Österreich fallen die Bittereinheiten deutlich geringer aus.

Interessanterweise ist gerade das namensgebende Pilsner Urquell für den heute üblichen Pilstypus mit seiner etwas dunkleren Farbe, der geringeren Bittere und den leichten Butternoten am wenigsten charakteristisch. Allerdings gehen immer mehr Brauereien in jüngster Zeit auch in Österreich oder Süddeutschland wieder dazu über, ihrem Pils etwas mehr Bittere und damit mehr Eigenständigkeit jenseits des Mainstreams mit auf den Weg zu geben.

Ein Zwettler Saphir oder Stiegl-Pils könnte man jederzeit auch in Schleswig-Holstein ausschenken. Dessen ist sich auch Stiegl-Chefbraumeister Christian Pöpperl bewusst: »Mit seinem Limonen-artigen Duft, der zartbitteren Hopfennote und seinem trockenen Geschmack unterscheidet sich unser Stiegl-Pils ganz deutlich von unserem Märzen, dem Stiegl-Goldbräu oder unserem Neuzugang, dem Stiegl-Hell. Dass wir diesen Bierstil seit jeher authentisch mit 30 Bittereinheiten brauen, wird auch von Fachleuten laufend gewürdigt. Und so steht unser Stiegl-Pils bei Verkostungen immer wieder ganz oben auf dem Podest.«

Stiegl Braumeister Christian Pöpperl
Stiegl-Braumeister Christian Pöpperl ist
stolz auf sein »pilsiges« Pils.
Foto: Leo Neumayr

Nord-Süd-Gefälle

Die Beliebtheit von Pils unterliegt einem starken Nord-Süd-Gefälle. Dass man es im Norden eher herb mag, kommuniziert eine bekannte deutsche Biermarke nicht umsonst in seiner Werbung. Ist es in Deutschland (und da auch wieder bevorzugt im Norden) mit einem Marktanteil von über 60 Prozent (!) die unumstrittene Nummer Eins bei den Bieren, so ist der Marktanteil in Österreich mit rund drei Prozent vergleichsweise gering.

Allerdings wird Pils eher von traditionellen – also etwas älteren und männlichen – Biertrinkern bevorzugt. Eine Möglichkeit, hier neue Kunden anzusprechen, wäre, verstärkt auf Pilsener Biere der neuen Generation zu setzen: »New-Style-Pilsener mit spannenden Hopfenaromen sprechen vor allem die Craftbeer-affinen Konsumenten an bzw. können traditionellen Biertrinkern neue Geschmackswelten eröffnen. Für diejenigen, die leichtere Biere mit weniger Alkohol bevorzugen, bieten sich Session-Pilsbiere an. Vielleicht ist es auch eine Idee, verschiedene Pilsener als Verkostungstablett anzubieten, um zu zeigen, wie vielfältig dieser Bierstil sein kann«, weiß etwa Elisa Raus, aktuell regierende und erste weibliche Biersommelier-Weltmeisterin und in ihrem Brotberuf Pressesprecherin der Brauerei Störtebeker im nordeutschen Stralsund.

Eine weitere Idee, um auch ein weibliches Publikum anzusprechen, seien Biercocktails. Raus: »Hier lässt sich Pils auch sehr gut einbinden, beispielsweise zur Neuinterpretation des Aperol Spritz. Mit weniger Alkohol im Vergleich zu Prosecco und einer angenehmen Bittere bekommt man eine leichte, spannende Variante des Klassikers.«

Hervorragender Speisebegleiter

Ein Pils ist das klassische Aperitif-Bier. Der Grund dafür: Pils wird besonders hoch vergoren, der Restzucker ist daher sehr niedrig – extra dry eben. Und das Ganze bei moderatem Alkoholgehalt. Ein leichtes Bier also, das nicht satt macht und auch auf leeren Magen gut zu vertragen ist. Allerdings muss auch beim Essen keineswegs auf einen anderen Biertypus umgesattelt werden. Denn ein Pils ist auch ein hervorragender Speisebegleiter: »In einer eher rustikalen Gastronomie muss es nicht nur der Begleiter zu deftigen Fleischgerichten sein. Einfach, aber köstlich ist die Kombination mit cremigem Frischkäse auf einem frisch gebackenem Sauerteigbrot mit einem Hauch frischem Pfeffer. Eher fruchtige Pilsener mit spannenden Hopfennoten passen sehr gut zu Fisch und Meeresfrüchten. Sehr herbe, kräftig gehopfte Pilsbiere mit leicht fruchtigen Aromen ergänzen scharfe Gerichte sehr gut. Weniger hopfenbetonte, weichere Interpretationen passen zu Getreide-Gerichten wie beispielsweise Risotto«, empfiehlt Elisa Raus.

Übrigens: Eine alte Mär ist die vom Sieben-Minuten-Pils. Ein Bier, das so lange gezapft wird, ist alles andere als frisch. Mit drei bis vier Zapfgängen lässt sich ein perfektes Pils in maximal drei Minuten auf den Tisch bringen.

Überschäumende Neuigkeiten

Stiegl Hell
Foto: Stiegl

Die Salzburger Stiegl-Brauerei hat vor kurzem mit dem »Stiegl-Hell« ein erfrischendes Helles vorgestellt. Gebraut wird das klassisch »höllische« Helle mit 11 °P Stammwürze. Dadurch ist das untergärige Bier optisch heller und im Geschmack noch süffiger. Und mit einem Alkoholgehalt von 4,5 Vol.-% darf es dann vielleicht auch mal ein Glas mehr sein. Das Bier überzeugt mit seinem frischen Hopfenaroma aus 100 Prozent Aromahopfen, dem schlanken Körper und der spritzigen Kohlensäure.

Maisel & Friends
Foto: Maisel & Friends

Ein anderes »höllisches« Bier hat Maisel & Friends vor einigen Monaten in das Standardprogramm aufgenommen. Maisel & Friends Hoppy Hell ist ein traditionelles, bayerisches Hellbier, das mit Aromahopfen verfeinert wurde und ein unkomplizierter Allrounder mit dem gewissen Kick sein soll. »Als Brauerei aus Bayern ist es fast schon Pflicht, ein traditionelles Helles zu brauen«, erklärt Braumeister Markus Briemle. »Wir haben diese traditionelle Biersorte neu interpretiert und ihr durch die Kunst des Hopfenstopfens einen unverwechselbaren, modernen Twist gegeben.«

Bud Anheuser Busch InBev
Foto: Anheuser-Busch-InBev

Knapp vor dem Corona-Lockdown hat mit Anheuser-Busch-InBev der größte Braukonzern der Welt seine eigenen Zelte in Österreich aufgeschlagen und vertreibt seitdem Marken wie Corona, Stella Artois, Leffe, Franziskaner, aber vor allem auch das klassische US-Bier Bud direkt für Gastronomie und Handel. Bud gibt es in der Dose, der Flasche und für die Gastronomie auch im Fass, imagemäßig sieht man sich vor allem im Nachtleben, beim Fortgehen mit Freunden und bei Partys.

 

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