Die Kunst des Storytellings
Kolumne mit Pierre Nierhaus
von Pierre NierhausDieser Anteil ist um fast 1 Prozent gefallen. Nicht weil es weniger Veganer oder Vegetarier gibt, sondern wegen der sogenannten Flexitarier unter ihnen.
Authentisches Storytelling
Das Bewusstsein hat sich gewandelt: Die Gäste wollen Produkte, die frisch, natürlich und sexy sind. Sie wollen wissen, was sie essen. Sie wollen keine belehrend langweilige, sondern eine interessante Story mit einem emotionalen Bild. Der Gastronom, Hotelier oder Caterer sollte daher wissen, woher seine Produkte kommen, wie sie hergestellt, geerntet, verarbeitet und zum Restaurant transportiert werden.
Er sollte wissen, wie es hier weitergeht, ob der Koch traditionelle Rezepte mit modernem Touch verwendet und frische Kräuter im Garten erntet. Wie die Wein-, Saft- oder Wasserbegleitung dazu aussieht und wie hier die passende Kombination gefunden wurde. Vielleicht wurde mit den Mitarbeitern, dem Landwirt oder Winzer ein Tasting gemacht? All diese Stationen, die ein Gericht durchläuft, um schließlich dem Gast ein ganz besonderes Genusserlebnis zu bereiten, können erzählt werden: auf Social Media, durch die Mitarbeiter oder auf kulinarischen Events für den Gast. Dem Einfallsreichtum sind keine Grenzen gesetzt.
USPs gezielt nutzen
Gäste wollen gesunde, identifizierbare Produkte, die zu ihrer Persönlichkeit und ihrem individuellen Ernährungs- und Lebensstil passen. Die Versorgung ist zur Frage der Persönlichkeit geworden („Ich bin, was ich esse“) – und zum Erlebnis. Gäste, die heute ausgehen, wollen keine Versorgung, sondern ein Erlebnis. Das betrifft vor allem die Abend- und Vollgastronomie, deren USP, die Atmosphäre, geprägt ist durch Gastfreundschaft, Geselligkeit, aber auch durch Geschichten oder Bildmotive zum Weitererzählen bzw. Teilen.
Gastronomen, die dies erkannt haben, nutzen die vielen Ansatzpunkte für individuelle Geschichten: Menschen, Architektur, Region, Technologie. Aber vor allem ihre Speisen, mit Liebe, Leidenschaft und Können aus Produkten frisch aus der Region zubereitet.
Die Nachbarn machen’s vor
Wer die Gelegenheit hat, nach Kopenhagen zu reisen, wird dies dort in Vollendung erleben. Die Skandinavier haben sehr früh verstanden, wie gut und wichtig es ist, regional zu kochen. Bei meinem letzten Besuch in Kopenhagen hatte ich das Vergnügen, ein 4-Gang-Überraschungsmenü zu genießen. Ich hatte die vegetarische Variante und habe nichts vermisst: tolle Aromen mit Geschmackswahrnehmung umami, herrliche Farben, die Anrichteweise ein Augenschmaus. Gastronomen, die ihren Gästen solche Geschmackserlebnisse – ob nun mit oder ohne Fleischbegleitung – bieten wollen, müssen klar rechnen und für ihren Aufwand und die Warenkosten einen wirtschaftlich sinnvollen Preis nehmen.
Mehr als der Preis entscheidet letztlich das Angebot, ob die Gäste ins Restaurant kommen. Bei einer Gruppe von Gästen mit unterschiedlichen Ernährungsvorlieben sollten möglichst alle die Wahl des Restaurants begrüßen.
Ist nur ein Vegetarier dabei, der kein passendes Angebot auf der Karte findet, kann er den Ausschlag dafür geben, ob die Gruppe zu Ihnen kommt oder in ein anderes Restaurant geht, in dem sich auch der Vegetarier gut aufgehoben fühlt.
Unser Autor
Pierre Nierhaus ist Trend- und Change-Experte für die Hospitality-und Lifestylebranche. Er beobachtet und bereist regelmäßig die 30 inspirierendsten Metropolen weltweit, zu denen er interessierten Unternehmern Trendexpeditionen anbietet und ihren Betrieb als Coach unterstützt.