Gans oder gar nicht
Foto: iStockphoto

Gans – oder gar nicht?

Weihnachtsschmankerl rund um den Globus

von Petra Sodtke
Freitag, 02.12.2016
Artikel teilen: 

Sicher, alte Traditionen haben schon was für sich: Das ist wie Heimkommen, sie führen wohlig zurück in die längst vergangene Kindheit. Gerade Düfte und Geschmäcker schaffen den Spagat zwischen Vergangenheit und Gegenwart. Kein Wunder also, dass Jahr für Jahr hierzulande die gleichen kulinarischen Köstlichkeiten auf der Weihnachts-Festtafel landen: vom Karpfen bis zur Weihnachtsgans. Aber immer auf stur zu schalten und zu sagen »Gans – oder gar nicht (gefeiert)«, wäre wohl ein kulinarisches Desaster. Denn auch andere Länder haben Festtags-Schmankerl, die sich als Gruß (oder ganzer Gang) aus der Weltküche hervorragend in ein Menü einbauen lassen und die als überraschender Genussmoment für die perfekte Prise Abwechslung sorgen können.

Feliz Navidad! Opulent feiern, bis die Sternsinger anklopfen

Überaus inspirierend ist etwa das spanische Weihnachten. Einmal im Leben sollte man in Spanien schon mal feiern – oder sich zumindest einen Ausflug irgendwann zwischen Anfang Dezember und 6. Januar dorthin gönnen. Denn was in dieser Zeit an guter Laune und schmackhaften Gerichten offeriert wird, ist kaum zu überbieten. Gefeiert und gegessen wird – immer. Und zwar opulent, (meist) warm, das Feinste vom Feinsten, am Weihnachtsabend (Noche­buena), am ersten Feiertag, zu Silvester, an Neujahr, besonders am Dreikönigstag (wo erst die Bescherung stattfindet) und, nicht zu vergessen, zwischendurch.

Regionale Unterschiede außen vor gelassen, schaut das spanische Festtags-Menü in etwa so aus: zum Einstieg natürlich edel angerichtete Tapas. Typisch sind ein erstklassiger Serrano-Schinken im Ganzen, der hauchdünn aufgeschnitten serviert wird (eine Kunst für sich, die jedes Jahr in Wettbewerben gemessen wird), und Chorizo-Wurst mit Manchego-Käse (in dünne Dreiecke geschnitten und mit Olivenöl beträufelt). Als erster Gang folgen Meeresfrüchte und Fisch: kleine vorgekochte Garnelen, die, mit grobem Meersalz überstreut, eiskalt aus dem Kühlschrank kredenzt werden, und große Garnelen, die vorgekocht und dann würzig angebraten werden. Als Alternative gibt’s Pulpo a la Gallega (gekochter Oktopus in Stückchen geschnitten, mit Olivenöl und würzigem Paprikapulver auf gekochten Kartoffelscheiben) oder die absolute Favoritin: die warme Zarzuela de Pescado (Fischsuppe) vom Seeteufel oder Seehecht mit Meeresfrüchten (Garnelen, Muscheln, Tintenfisch).

Als spanische Hauptgang-Klassiker folgen Lamm, Spanferkel, Truthahn, (gefülltes) Hühnchen, Solomillo (Schweinemedaillons) oder, sehr beliebt, ein gefüllter Kapaun (kastrierter, gemästeter Hahn, der bisweilen schon mal über 100 Euro kosten darf und in der Regel aus dem Ausland kommt, denn während das Kapaunisieren in Deutschland verboten ist, ist der Verkauf von Kapaunen gestattet) mit Bratkartoffeln und Zwiebeln oder Endiviensalat mit Granatapfel. Während der Gänge wechseln trockene Rot- und Weißweine ab, für den Durst gibt es klares Wasser. Limonaden wie Coca-Cola sind ein No-Go zu Weihnachten, ebenso wie Bier (außer zur Begrüßung neben dem Wein).

Turrón
Turrón, Foto: iStockphoto

Keinen Turrón? Unmöglich!

Als Grande Finale wieder Tapas, Käse mit Trauben und Salat. Und – bloß nicht vergessen! – das spanische Weihnachtsgebäck par excellence: die Weißer-Nougat-Leckerei Turrón. Diese reichhaltige Spezialität aus Mandeln, Honig, Zucker, Ei gibt es in zwei Varianten (butterweich, hart) in vielen kreativen Interpretationen und wird als rechteckige längliche Tafel angerichtet. Zahlreiche Manufakturen machen vor Weihnachten bestes Geschäft mit diesen süßen Teilchen. In der Madrider »Casa Mira« etwa gehen jedes Jahr an die 10.000 Kilo über den Ladentisch, die Turrón sind Exportschlager, dreimal so viel Personal ist in der Zeit nötig. Auch in Lateinamerika und Italien (»Torrone«) wird die Leckerei hoch geschätzt. Wer also Gäste aus diesen Ländern im eigenen Betrieb über Weihnachten willkommen heißt, macht ihnen mit einem Turrón als Begrüßung sicher die allergrößte Freude. Und wer dann auch noch Anisschnaps (bspw. von der Traditionsfirma Anis del Mono) dazu serviert – perfekt (siehe: Rezept Turrón).

Verdrehtes Weihnachten in Russland

Wer von diesem opulenten Weihnachtsfest überfordert ist, wird an der überschaubaren russischen Tafel sicher Gefallen finden. Denn in Russland herrscht zwischen dem 28. November und 6. Januar streng genommen Fastenzeit – sofern man praktizierender russisch-orthodoxer Christ ist. »Richtige« Gerichte im Advent sind daher wärmende Suppen, Salate, gegartes Gemüse und unbedingt Kutja (ein süßer Brei aus Buchweizen, Trockenfrüchten, Mohnblumensamen, Honig, gehackten Walnüssen oder Mandeln). Am 24. Dezember wird man selten eine Festtags-Tafel und einen geschmückten Weihnachtsbaum finden. Beides gibt es nämlich erst zu Silvester, wo viele Familien zu Hause mit Freunden und Verwandten feiern und gastfreundlich auftischen – und auch gleich bescheren. Denn in der Neujahrsnacht kommt Väterchen Frost mit der lieblichen Snegurotschka, um die Geschenke zu bringen. Und das, obwohl der Heilige Abend (Sochelnik) erst eine Woche später, am 6./7. Januar (Ende der Fastenzeit), stattfindet. Dann sollten auf dem Festtagstisch genau zwölf Gerichte, entsprechend der Anzahl der Apostel Jesu, kredenzt werden. Warum diese eigenwilligen Traditionen? Das liegt einerseits an der wechselvollen Geschichte der Weihnacht in Russland (lange Zeit verboten), andererseits an der Zeitrechnung des julianischen Kalenders, der Silvester und Heiligabend die Plätze tauschen lässt.

Bliny
Bliny, Foto: iStockphoto

Snegurotschka bringt Kutja, Bliny, Fisch und Kaviar

Was Russen in dieser Zeit gern essen, erfährt man am besten, wenn man sich als Gast durch ihre Silvester-Tafel am Tag der Bescherung kostet. Es dominieren fleischlose Speisen, häufig Fisch. Als Sakuskije (Vorspeisen) reicht man eingelegte Gurken (oder Tomaten, Pilze), Kapusta (Weißkohl), gefüllte Eier mit Lachs- und Herings-Kaviar, einen Schichtsalat wie ­Hering im Pelzmantel und un­bedingt Bliny, die russischen Pendants zu österreichischen Palatschinken, gefüllt beispielsweise mit geräuchertem Lachs (es gibt auch die süße Variante fürs Dessert). Als Hauptgang steht oft eine knusprige Entenbrust mit Kräuterjus, Rotkohl und Kartoffeln auf dem Menü. Selten fehlt der an Festtagen beliebte Salat Stolitschnij (auch als Olivier-Salat bzw. im Ausland als »Russischer Salat« bekannt), der zumeist aus Kalbfleisch, Kartoffeln, Gewürzgurken, Erbsen, gekochten Eiern, Äpfeln, Kräutern, Mayonnaise und Senf besteht. Wer einen der zahlreichen russischen Gäste (offiziell ist vom 1. bis 10. Januar in ganz Russland arbeitsfrei, daher die vielen Urlauber) bei sich begrüßen darf, sollte gefüllte herzhafte Bliny, die als Beilage zu allen möglichen heimischen Hauptgerichten von Wild bis Geflügel passen, und einen Salat Stolitschnij servieren.

Glögi
Glögi, Foto: fotolia.com: xan844

Santa Claus trinkt am liebsten Glögi

Weiter geht’s an einen Ort, der weihnachtlicher wohl kaum sein könnte: Finnland, bekanntlich die Heimat des Mannes mit dem Rauschebart. Wer Glück hat, trifft hier Santa Claus persönlich, um mit ihm den magischen Polarkreis zu überqueren und um gemeinsam ein Glas Glögi, die finnische Interpretation des Glüh(rot)weins mit Johannisbeersaft, Rosinen, Mandeln und eventuell Wodka, zu trinken. Wenn nicht, auch kein Problem, die atemberaubende Naturkulisse und die Kulinarik beglücken sicher schon in ausreichendem Maße.

Die festlich geschmückte Tafel zieren feine Blätterteigsterne. Zum Einstieg begeistern Variationen vom Fisch, beispielsweise ein Sillisalaatti. Rote Bete und Äpfel geben diesem Heringssalat die winterliche Note, dazu kommen Kartoffeln, Karotten, Gewürzgurken, Zwiebeln, Petersilie, Ei, Weinessig, Wurst oder gegartes Fleisch. Kulinarischer Höhepunkt ist und bleibt der Joulukinkku, der mild gepökelte, ofengebackene Weihnachtsschinken, garniert mit Erbsen, gekochten Backpflaumen oder Apfelstückchen und Beilagen wie Karotten oder Kartoffelauflauf. Die Reste dieses köstlich-üppigen Bratens werden warm oder kalt bis zum Ende der Weihnachtszeit verzehrt. Abhängig von der Region stehen auch Lamm- oder Putenfleisch, Reh-, Elch- oder Wildentenfleisch auf dem Menü. Pulla, ein Hefegebäck mit Kardamom, mit Kaffee oder Kakao serviert, sowie die omnipräsenten Pfefferkuchen (eigentlich Zimt-Ingwer-Kekse) schmeicheln dem schon so verwöhnten Magen ein allerletztes Mal. Am nächsten Morgen gönnt man sich gern einen süßen Milchreis mit Preiselbeersaft (oder Kirschsauce, Zimt).

Joulukinkku
Joulukinkku, Foto: iStockphoto

Merry Christmas! Kitsch as Kitsch can

Und schon ist die nächste Weihnachtstafel angerichtet: ein Ozean liegt dazwischen, in den USA. Treffen europäische Gäste zu einem Fest etwa an der Ostküste ein, werden sich manche sicher unwillkürlich über die Stromrechnung ihrer Gastgeber Gedanken machen. Denn Lichterketten lieben die Amerikaner wirklich: die längsten, die hellsten, drinnen wie draußen, auf Häuserdächern, in Vorgärten und Baumwipfeln. Und auch sonst wird viel in Dekoration investiert: Aller mögliche Krimskrams lässt nicht vergessen, dass Weihnachten ist. Die Wohnräume sind grün-weiß-rot verziert, abends hängen die Kinder Strümpfe am Kamin auf, die Santa Claus in der Nacht auf den 25. Dezember (Christmas Day) mit Geschenken füllt.

Tipps vom Winzer

Welche edlen Tropfen gehören heuer auf den (internationalen/traditionellen) Weihnachtstisch? Welche sind die besten? HOGAPAGE hat Weingutsleiter Roman Horvath (Domäne Wachau) um Tipps gebeten.

Tipps vom Winzer
Foto: Domäne Wachau;
Alexander Deák

Ideal zu Fisch-Vorspeisen (spanische Fischsuppe, Meeresfrüchte, Lachs mit Kaviar, Garnelen): ein kräftiger Riesling wie z. B. der Riesling Smaragd Terrassen 2015
Zu Vorspeisen-Klassikern wie Russischer Salat: ein Grüner Veltliner, bspw. Federspiel Kollmitz 2015

Perfekt zu weihnachtlichen Fleisch-Hauptgerichten (Kapaun, Truthahn, Bollito misto): ein eleganter, finessenreicher Pinot noir, bspw. Pinot Noir Reserve 2013
Der richtige Begleiter zum Weihnachtsschinken nach finnischer Art ist ein würziger Grüner Veltliner, bspw. Grüner Veltliner Smaragd Terrassen 2015

Das Weihnachts-Menü lässt sich weniger leicht »typisch« festlegen, orientiert sich aber oft an Thanksgiving, einem der höchsten Feiertage der USA. Mögliche Starter sind eine scharfe Kürbissuppe mit Ingwercreme, Fenchel-Orangen-Salat mit Rosinen, ein Waldorfsalat mit karamellisierten Nüssen oder Pastinaken mit brauner Butter und Haselnüssen. Als Main-Dish kommt meist ein riesiger gefüllter Truthahn auf den Tisch, aber auch ein Roastbeef mit geschmorten Karotten oder glasierter Schweinebraten sind Optionen. Dazu passen Beilagen wie grüne Bohnen, Mais, Süßkartoffelauflauf mit Pilzen und Lauch und Preiselbeersauce. Besonders beliebt als Nachspeise ist der Pecan Pie, ein ursprünglich in New Orleans von französischen Einwanderern kreierter Kuchen mit Pekannüssen (Detail am Rande: Die USA sind der weltweit größte Pekannuss-Produzent). Aber auch sämtliche anderen Pies (Kuchen) sind gefragt: mit Kürbis (Pumpkin Pie), Apfel (Apple Pie) und Süßkartoffelkuchen (Sweet Potato Pie).

Tamales
Tamales, Foto: iStockphoto

Es weihnachtet in Südamerika mit Tamales und Piñatas

Weiter geht’s nach Südamerika, wo natürlich auch nur erlesene Schmankerl auf den Festtagstisch kommen. In Paraguay etwa legt man im Advent Melonen, Ananas, Bananen als Geschenke fürs Christkind vor die Krippe vorm Haus. Der Heiligabend ist ein Familienfest. Wie auch an anderen wichtigen Festtagen gibt es zum Einstieg Erbsen-Macchiato (mit Thymian, Knoblauch, Kartoffeln, Haselnüssen, Bacon, Parmesan, Kokosmilch), glasiertes Schweinefilet, Rinderfilet oder Grillfleisch, Chipa (Maismehlgebäck), Sopa (salziger Kuchen aus Maismehl) und Peju (salzige Palatschinken aus dem Stärkemehl der Mandioka). Um Mitternacht wird die Ankunft des Christkindes mit Raketen, Knallern und Sidra, einem Apfelsekt, und einer Früchtebowle gefeiert. In Mexiko tischt man gern Tamales auf, in Maisblätter gewickelte Füllungen aus Fleisch oder Gemüse, Schmalz und Maismehl. Sie stellen das in Windeln gewickelte Kind dar, das in Heu und Stroh in der Krippe liegt. Das Festessen dreht sich meist um Truthahn in Cranberry-Chili-Sauce, Kartoffeln, Gemüse und Fisch. Ein typischer Weihnachtsbrauch: Piñatas – bunte, mit Süßigkeiten oder Früchten gefüllte Pappmachee-Figuren. In Kopfhöhe angebracht, dürfen Kinder mit verbundenen Augen auf das kleine Kunstwerk einschlagen, bis es zerbricht und es Überraschungen regnet.

Vin brule
Vin brulé, Foto: iStockphoto

Buon Natale – mit Vin brulé, Bollito misto und Panettone

Von den Weihnachts-Festgelagen fern der Heimat geht’s zum Abschluss noch auf einen Abstecher in des Deutschen Lieblings-Gustoland Italien. Wie dort gefeiert wird? Selbstverständlich groß und mit der ganzen Sippschaft, entsprechend dem Sprichwort »Natale con i tuoi, Pasqua con chi vuoi« (Feiere Weihnachten mit den Deinen und Ostern, mit wem du willst). So wird am 25. und 26. Dezember üppig aufgetischt.

Das sieht dann ungefähr so aus: Als klassische Vorspeisen serviert man ein Parmesansüppchen, Insalata russa (Russischen Salat), Vitello tonnato (dünne Kalbfleischscheiben mit Thunfischsauce), Carne cruda (mit rohem Mett, klein gehacktem Rinderfilet, Zitrone, Knoblauch und weißer Trüffel) oder eingelegte Sardellenfilets. Als Primo Piatto gibt’s beispielsweise Ravioli mit Fleischfüllung, Butter und Salbei. Beim Hauptgang gönnen sich die Italiener gern ein Bollito misto, einen Mix von verschiedenen Fleischsorten mit Saucen (Pflaumen und Paprika, Kren, Pesto) und Beilagen wie Kartoffeln und Gemüse. So ist garantiert für jeden was dabei. Ein absolutes Traditionsdessert ist der auch zu Silvester und Ostern beliebte Panettone (ein Kuchen, der traditionell aus Weizensauerteig und ­kandierten Früchten hergestellt wird). Außer­dem: eine Haselnusstorte mit Weinschaumcreme (Zabaglione), ein Schoko-Bonet oder gratinierte Feigen. Erstklassige italienische Weine aus der Gegend begleiten das Menü. Besonders edel: Kirchengeher erwartet schon mal ein Gläschen Vin brulé beim Ausgang aus der Kirche nach der Mitternachtsmette – eine wahrlich extravagante italienische Interpretation des Glühweins (siehe Kasten: Rezept auf Seite 2).

In diesem Sinn: HOGAPAGE wünscht Buon Natale, auf ein genuss- und abwechslungsreiches Weihnachten 2016!

Weitere Artikel aus der Rubrik Food & Beverage

Artikel teilen:
Überzeugt? Dann holen Sie sich das HOGAPAGE Magazin nach Hause!