In Amsterdam erlebt: Kochen ohne Dogma
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In Amsterdam erlebt: Kochen ohne Dogma

Kolumne mit Pierre Nierhaus

von Pierre Nierhaus
Mittwoch, 05.11.2025
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In Amsterdam habe ich nun zwei Restaurants erlebt, die eine ganz andere Sprache sprechen: De Kas (wunderschön gelegen in einem Treibhaus) und Kaagman & Kortekaas in der schmalen St. Nicolaas­straat. Zwei Orte, die sich nicht  im geringsten über ein Label definieren, sondern vielmehr über die Art, wie hier gekocht wird. Beide führen vor, wie moderne Küche aussehen kann – selbstbewusst, pflanzenbasiert, großzügig.

Wenn der Gast im Zentrum steht

Im De Kas kommt das Gemüse frisch aus dem eigenen Gewächshaus, das direkt neben dem Gastraum liegt. Kräuter und Salate stammen aus dem Garten, der nur wenige Schritte entfernt in aller Gemütlichkeit gedeiht. Alles, was nicht dort wächst, kommt vom Partnerhof etwa 20 Kilometer entfernt. 

Das Ergebnis ist eine künstlerische, aber wunderbar bodenständige Küche: das Produkt im Zentrum, die Zu­bereitung reduziert, jedoch technisch prä­zise. Noch faszinierender ist die Menüstruktur: Gäste entscheiden erst während des Essens, wie viele Gänge sie überhaupt möchten. Wer ein Drei-Gänge-Menü wählt, kann nach dem Hauptgang immer noch überlegen, ob er Dessert oder Käse dazu bestellt. 

Diese Form der Flexibilität vermittelt Wertschätzung und Großzügigkeit. Sie behandelt den Gast nicht als Störung im Ablauf, sondern als Teil des Abends.

Gut beraten statt belehrt

Kaagman & Kortekaas wirkt urbaner und dichter. Eine offene Küche, ein kompaktes Menü, ein klarer Stil. Und auch hier: kein Dogma. Wer vegan isst, bekommt eine Variante. Wer eine Unverträglichkeit hat, wird nicht belehrt, sondern richtig gut beraten. 

Die Gerichte sprechen für sich: etwa Romanesco mit Chicorée und Haselnuss oder ein niederländischer Käse namens „Hansje“, begleitet von gerösteten Mandeln, fermentierter Zitrusfrucht und Kaffee.

So sieht Küche der Zukunft aus

Was beide Häuser gemeinsam haben: Hier geht es nicht etwa um das Label „regional“, sondern um eine echte Haltung zur Küche. Produkte kommen aus der Umgebung – ja –, aber nicht als Selbstzweck. Es geht um eine klare Handschrift, um Saisonalität und um Konsequenz. Fleisch wird bewusst eingesetzt, nicht verbannt. Gemüse steht im Vordergrund, aber nicht aus ideologischen Gründen.

Und vor allem geht es um Menschen. Die Küche ist freundlich, die Gastgeber locker, die Atmosphäre wunderbar offen. Das hat wirklich Stil, ohne dabei jedoch elitär zu sein. Wer heute eine neue Form von Küche sucht, findet in Amsterdam eine Inspiration. Bewusst, aber nicht dogmatisch. Handwerklich, aber nicht altmodisch. Großzügig, aber fokussiert. Das ist kein Trend, das ist ein Versprechen an die Zukunft der Gastronomie.


Pierre Nierhaus
Foto: privat

Unser Autor

Pierre Nierhaus ist Trend- und Change-Experte für die Hospitality-und Lifestylebranche. Er beobachtet und bereist regelmäßig die 30 inspirierendsten Metropolen weltweit, zu denen er interessierten Unternehmern Trendexpeditionen anbietet und ihren Betrieb als Coach unterstützt. 

www.nierhaus.com

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