Nachhaltigkeit ist keine Option, sie ist unsere Pflicht
ANTONIEWICZ denkt weiter
von Heiko AntoniewiczFrüher war das aus der Not geboren, durch Regionalität, durch fehlende Transportwege. Heute müssen wir es aus Überzeugung tun. Denn die Zeiten, in denen wir überall alles zu jeder Zeit bekommen, sind vorbei oder sollten es zumindest sein.
Weniger Auswahl, mehr Kreativität
Ich sehe in der Verknappung keine Bedrohung, sondern eine Einladung zur Kreativität. Wenn mir nicht alle Lebensmittel permanent zur Verfügung stehen, werde ich flexibler, denke um, schöpfe aus meiner Erfahrung. Das ist für mich eine spannende Aufgabe, gerade auch, weil junge Köche heute mit einem völlig neuen Mindset in den Beruf starten. Sie kennen den Mangel kaum und doch spüren sie, dass sich etwas ändern muss.
Wir können es uns bald schlichtweg nicht mehr leisten, über Auberginen aus Argentinien nachzudenken.
Nachhaltigkeit beginnt vor dem Kochen
Für mich beginnt Nachhaltigkeit nicht erst bei der Verwertung von Abschnitten oder der Mülltrennung. Sie beginnt viel früher. Ich überlege genau, welche Lebensmittel ich in welcher Form einkaufe und welche Energie- und Arbeitsressourcen ich damit spare. Wenn ich etwa Gemüse in der exakt benötigten Größe und Schnittform anliefern lasse, spart das nicht nur Zeit, sondern auch Reinigungs- und Entsorgungskosten. Das ist kein Verlust an Handwerk, das ist kluges Ressourcenmanagement.
Was ich nicht brauche sind Auberginen aus Argentinien
Ich glaube nicht, dass wir es uns ökologisch oder wirtschaftlich langfristig leisten können, Lebensmittel um die halbe Welt zu fliegen. Ich brauche keine Erdbeeren im Dezember. Ich brauche keine Auberginen aus Argentinien. Ich brauche Lebensmittel mit Herkunft, mit einer Geschichte. Genau an diesen möchte ich meine Gäste teilhaben lassen, indem ich transparent mache, woher mein Lebensmittel stammt. In der Schweiz ist das längst Standard. Hier steht der Lieferant auf der Speisekarte. Warum nicht bei uns?
Kreislauf statt Zero Waste
Mit dem Begriff Zero Waste werfe ich selten um mich. Klar, es klingt gut, ist aber oft realitätsfern. Für mich geht es um Kreislaufdenken: von der Wurzel bis zur Blüte, beim Tier von der Nase bis zum Schwanz. Heute geht das mehr denn je. Wir haben das Know-how und die Technik, um Dinge zu verarbeiten, die früher als unbrauchbar galten. Raps ist für mich zum Beispiel ein unterschätzter Alleskönner. Als junges Gemüse geerntet, als Öl verarbeitet, als Bindemittel verwendet – da steckt unendlich viel Potenzial drin.
Was die Zukunft bringt
Natürlich ist das alles eine Herausforderung. Aber eine lösbare, wenn man sich nur darauf einlässt. Ich bin sicher: Die Speisekarten der Zukunft werden kleiner, saisonaler, flexibler. Und das ist auch gut so. Es braucht keine 80 Gerichte, es braucht Haltung. Wir Köche haben Einfluss. Wir entscheiden, wie wir mit unseren Ressourcen umgehen und was wir unseren Gästen anbieten. Also sollten wir diese Verantwortung auch ernst nehmen. Nicht morgen. Sondern jetzt.

Der Autor
Heiko Antoniewicz
Heiko Antoniewicz steht wie kaum ein anderer für kreative Spitzenküche mit Substanz. Der renommierte Koch, Autor und Berater inspiriert mit seinem Gespür für Aromen, Technik und Trends. Für HOGAPAGE teilt er sein Wissen – praxisnah, leidenschaftlich und visionär.