So wird Essen zum Erlebnis
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So wird Essen zum Erlebnis

Kolumne mit Pierre Nierhaus

von Pierre Nierhaus
Mittwoch, 20.08.2025
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Regionalküche boomt. Frische Produkte aus der Umgebung, kurze Lieferwege, Nachhaltigkeit und Authentizität: Das alles ist in der Gastronomie angekommen. Doch wenn ich Köche frage, was ihr Konzept besonders macht, höre ich oft: „Wir machen regionale Küche.“ Dann denke ich mir: Das sagen viele. Was unterscheidet euch wirklich?

Genau hier setzt ein entscheidender Erfolgsfaktor an: Storytelling. In der Markenwelt ist Storytelling ein zentrales Instrument, um aus austauschbaren Produkten begehrenswerte Marken zu machen. Diese Kraft können wir auch in der Gastronomie nutzen. Erzählen wir die Geschichte hinter unseren Gerichten, den Produkten, den Produzenten, machen wir aus einem simplen Teller ein Erlebnis. Und das schafft Vertrauen.

Regionalität ist kein Konzept, sondern ein Ausgangspunkt

Lokale Zutaten oder Rezepte sind kein Alleinstellungsmerkmal mehr. Entscheidend ist, was wir daraus machen und wie wir darüber sprechen. Ich kann ein altes Rezept neu interpretieren oder lokale Zutaten mit Gewürzen aus aller Welt kombinieren. Aber nur, wenn wir das erklären und erzählen, wird daraus ein Unterscheidungsmerkmal. 

Ein Beispiel: Wer etwa schwäbische Maultaschen serviert, punktet nicht allein mit  dem Handwerk. Erst die Ge­schichte der Groß­mut­ter, die das Rezept traditionell immer sonntags kochte, macht das Gericht besonders.  So entsteht Bindung.

Das Storytelling beginnt im eigenen Haus

Storytelling beginnt bei uns selbst. Ich muss meine Geschichten kennen und erlebt haben: War ich beim Produzenten? Habe ich Fotos? Kenne ich die Geschichte des Hauses, in dem sich mein Restaurant befindet? Diese Geschichten gehören in die Speisekarte, an die Wand, auf die Website und Social Media. Auch auf das Büffet: „Diese Salami kommt vom Biohof Schober, ausgesucht von Fritz aus unserem Team.“

Noch wichtiger: Mein Team muss die Geschichten kennen. Nehmen Sie Ihre Azubis mit zum Winzer, lassen Sie das Team Produkte verkosten. Ottolenghi in London nimmt sich die Zeit, neue Weine mit dem Team zu probieren. Das bleibt. Und das wird weitererzählt.

Auch kleine Geschichten wirken, etwa das Lieblingsgericht eines Mitarbeiters oder Azubis auf der Karte. Ein kurzes Reel auf Instagram, wie der Küchenchef Forellen angelt. Das ist ehrlich, glaubwürdig und macht den Unterschied. Und das lässt sich leicht multiplizieren. Jedes Teammitglied, das etwas erlebt, fotografiert oder mit dem Gast teilt, trägt die Geschichte weiter. Und der Gast verbreitet sie dann auf Social Media.

Es braucht Erzählkraft

Gäste lieben Geschichten. Und sie lieben es, selbst Teil davon zu werden. Wenn jemand weiß, woher der Fisch kommt, wenn man mitbekommt, dass die Köchin selbst sammelt, pflückt, auswählt, dann entsteht Bindung. Ich erinnere mich an ein Hotel, das seinen Küchenchef beim Sammeln von Wildkräutern filmte. Daraus wurde ein Social-Media-Clip – ehrlich, einfach, erfolgreich. 

Storytelling hebt Regionalität auf ein neues Level. Es schafft Profil, Einzigartigkeit und Marktwert. Wer Geschichten erzählt, wird nicht nur wiedererkannt, sondern weiterempfohlen. Regionale Küche ist ein Anfang, aber erst mit Erzählkunst wird sie ein echtes Erlebnis.


Pierre Nierhaus
Foto: privat

Unser Autor

Pierre Nierhaus ist Trend- und Change-Experte für die Hospitality-und Lifestylebranche. Er beobachtet und bereist regelmäßig die 30 inspirierendsten Metropolen weltweit, zu denen er interessierten Unternehmern Trendexpeditionen anbietet und ihren Betrieb als Coach unterstützt. 

www.nierhaus.com

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