Digitalisierung in der Hotellerie: Suchen wir noch oder finden wir schon?
Ploners Gastro-Kolumne
von Jean-Georges PlonerEin Boniergerät, das ausgeschaltet ist und Bestellungen nicht weiterleitet – die Küche weiß von nichts und der Gast wundert sich über das ausbleibende Essen. Ein Trainer schickt seine Seminarunterlagen per Post; bei der Anreise sind sie unauffindbar und niemand weiß Bescheid, bis sie kurz vor Seminarbeginn doch noch auftauchen. Ein Lieferant ruft an und bittet um Begleichung seiner Rechnung, die aber unauffindbar ist.
All dies sind Beispiele für Prozesse, die durch strukturierte Digitalisierung vereinfacht werden könnten. Stattdessen verlieren wir uns oft in einem Dickicht aus Tools, Kanälen und Zuständigkeiten. Workflow weicht Workaround. Die Idee der Digitalisierung ist zwar angekommen, doch in der Umsetzung bleibt sie oft ein Nebel aus Excel-Tabellen, unausgereiften gesprochenen Prozessen und halbherzigen Tools. Digitalisierung ist kein Selbstzweck, sie hilft nur, wenn sie gelebt wird: mit Struktur, mit Konsequenz – und mit dem Menschen im Mittelpunkt. Digitalisierung ersetzt auch keine Kommunikation, sie fordert sie vielmehr.
Tools nicht nur haben, sondern – richtig – nutzen
Es gibt hervorragende Software wie zum Beispiel Hotelkit, Cisbox, future log, Gastromatic und Läkkerei, die Kommunikation, Organisation und Standards abbilden können. Großartig – wenn man sie denn richtig nutzt. Digitalisierung bedeutet nicht, ein Tool zu besitzen. Es bedeutet, täglich und stringent damit zu arbeiten, mit Anspruch. Dummerweise ist ein neues Tool wie ein neuer Mitarbeiter: Es braucht etwa drei Monate, bis es richtig funktioniert und jeder damit umgehen kann.
Preis-Chaos und Qualitätskluft
Ein anderes Beispiel: die 55-Jahr-Feier eines großen Branchenverbandes. Das ausführende Hotel bot fast mehr Raten an, als Teilnehmer anwesend waren. Die günstigste Rate? Nicht über die Tagungsseite, nicht über die Hotelseite, sondern über Secret Escapes. Die Digitalisierung erleichtert Gästen den Preisvergleich enorm, aber Mitarbeiter verlieren den Überblick: zu viele Kanäle, zu viele Angebote, zu wenig Übersicht. Die Preisstruktur ist oft ein digitales Minenfeld.
Und der Gast?
Der Gast spürt mehr und mehr die Qualitätsunterschiede. Zwischen Betrieben, die ihre Prozesse – ob digitalisiert oder nicht – verstehen und leben und dabei echte Gastgeber bleiben, und den anderen. Spannenderweise sind diejenigen, die die Digitalisierung beherrschen und richtig nutzen, auch die mit gutem Service und hohen Umsätzen. Und die anderen? Die üben noch.
Werkzeug, nicht Wunder
Digitalisierung in Hotellerie und Gastronomie ist weder Selbstzweck noch Versprechen, sie ist ein Werkzeug. Eines, das Menschen unterstützt – nicht ersetzt. Eines, das Prozesse abbildet – nicht ersetzt. Und eines, das erst dann nützt, wenn es zu Ende gedacht, konsequent eingesetzt und menschlich gelebt wird.

Unser Autor
Jean-Georges Ploner ist Spezialist für Konzepte, Innovation und F&B-Consulting. Er ist Fachbuchautor und bietet gemeinsam mit Gastronomie-Profis unter dem Namen »Global F&B Heroes« Profi-Lösungen für die Hotellerie und Gastronomie an. Mehr Infos: