Käffchen? Klar! Die braune Bohne bleibt
Fotos: iStockphoto; Alanna Taylor-Tobin/The Picture Pantry

Krisensicherer Muntermacher

Käffchen? Klar! Die braune Bohne bleibt

von Gabriele Gugetzer
Montag, 03.05.2021
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Düster klingt sie, die Prognose des Deutschen Kaffeeverbands, jedenfalls auf den ersten Blick. Etwa »minus 21 Prozent«, sagt Ruth Reinemann vom Verband, sei das OOH-Segment im letzten Jahr rückläufig gewesen. Aber gleichzeitig sei auch »ein Plus von zehn Prozent beim Kaffeekonsum zu Hause und bei Familie und Freunden« zu verzeichnen gewesen. Mit anderen Worten: Kaffee bleibt. Ein Blick in den Riesenwachstumsmarkt Asien zeigt, wie schnell sich das Geschäft erholen kann. Von hier kommen auch neue Ideen, die sich unter zwei Stichworte gruppieren lassen: Instagramtauglichkeit und Informationsgehalt.

Big in Japan

Japan gehört weltweit zu den größten Abnehmern von Kaffee. Die Traditionsmarke Hario, inländische Variante von Melitta, wurde 1921 gegründet (Melitta 1909). Nur weil Hario erst in den letzten Jahren wegen ihres verlässlich ansprechenden Designs zum internationalen Kultobjekt avancierte, heißt das im Umkehrschluss nicht, dass die Japaner für den Wach-Kick nur zu Matcha greifen. Überdies besetzte Hario früh Trendbegriffe wie Slow Drip und Nel (mehr dazu im Glossar). Jetzt werden ihre Produkte auch in unserer heimischen Gastro immer sichtbarer.

Von Asien lernen geht am schnellsten in Singapur. Dort finden sich Trends unterm Brennglas. Sinnlichkeit, Duft, Entspannung pur – das ist die verführerische Kombination aus Café und Blumengeschäft, wie es das Wildseed Café vormacht. Neue Süße im Kaffee? Da haben die Coffee Academïcs schöne Ideen auf Lager. Kaffee nur zu Teilchen? »Wir haben uns von Rezepten aus Kaffeebohnenregionen inspirieren lassen«, berichten die Kaffee-Akademiker und empfehlen Latte, Cappuccino, Flat White und Long Black (s. Glossar) hingegen zum Pulled Pork Burger oder zur Pasta mit Meeresfrüchten.

Kaffeegewürz:
Je ein Teil Zimt,
Kardamom, Koriander, Piment, Muskat, Pfeffer, Gewürz-
nelke. Vor dem
Mischen leicht
anrösten, dann mahlen.

Michael Hollaus

Kaffeebohnen wie Wein zu beschreiben und auf natürliche Aromen zwischen Grapefruit, Jasmin und Pfeffer zu verweisen, ist ein Trend, der weltweit Fahrt aufgenommen hat. Schon auf der Bohnenverpackung macht das was her. Röster/Inhaber Jochen Hintze von JOCaffè ist überzeugt, dass Kunden so etwas auch schmecken, selbst wenn sie es vielleicht nicht so ausdrücken würden. Aber vor 15 Jahren, merkt er an, habe man auch noch nicht den Wortschatz gehabt, um Weine präziser zu beschreiben. In seinem Café geht’s bewusst pingelig zu: »Wir regen an, den Geschmack zu hinterfragen ... ist es nun Cassis oder doch Brombeere?« Auch ein Branchengroßer wie J. J. Darboven bestätigt diesen Trend zu mehr Wissen. »Aromen und Geschmackbeschreibungen sind ganz wichtig«, sagt Philipp Diekmann, ihr Akademie- und Innovationsmanager.

Pairings mit süßen Sachen

Michael Hollaus wurde in Österreich gerade zum Patissier des Jahres ernannt. Für ihn sind Zitrusfrüchte, dunkle Kuvertüre, Beeren, Banane, Maracuja, Mango, Kokos und Feige klassische Kaffeepairings. Beim Herzhaften empfiehlt er Wurzelgemüse wie Sellerie und Karotte. Neben den Gewürzklassikern verweist er auf die Blätter des Grünen Kardamom (Elettaria cardamomum).

Zu Kaffeetrends befragt, fallen ihm die »Vorteile und tollen Nebenerscheinungen« von Haferdrinks und Co. ein. »Soja schäumt sehr gut, Hafer verleiht eine natürliche Süße. Das nutze ich beispielsweise für eine Schokoladen-Kaffee-Ganache mit Haferdrink statt Sahne und Soja- statt Kuhmilch für Espuma.«

Milchkaffee 2.0
Foto: iStockphoto

Milchkaffee 2.0

Nicht nur die Qualität der Bohne muss stimmen, stellt Dimitrios Sarakinis, Diplom-Kaffee-Experte bei Nespresso, fest. Es geht auch um die Kompatibilität mit Milch. »Ein Großteil der Kaffeetrinker genießt Kaffee am liebsten mit Milch.« Bei Nespresso hat sich gleich eine ganze Expertenriege mit der Frage beschäftigt, welche Kaffees perfekt mit Milch harmonieren, »ohne dass die Milch zum Beispiel das Aroma überdeckt oder negativ verändert«, erklärt Sarakinis. Das Ergebnis sind zwei neue Mischungen: Bianco Delicato mit Noten von Karamell und Gebäck und Bianco Intenso mit einem intensiven, aber ausbalancierten Röstaroma.

Von der Milch zum Schaum und zur wissenschaftlichen Forschung ist es interessanterweise nur ein kleiner Schritt. Denn wieso die meist für den Schaum verwendete fetthaltige H-Milch manchmal in sich zusammenfällt und nicht die feinporige, luftige Konsistenz liefert, untersuchte die Universität Hohenheim in einem mehrjährigen Forschungsprojekt. Ziel soll ein automatisiertes Analyse-Verfahren sein, das letzendlich Kosten spart.

Kommt der Kaffeeklatsch zurück?

Gleich mehrere Produzenten haben sich in diesem Frühjahr den süßen Sachen zum Kaffee gewidmet. Die Barista Cakes von Erlenbacher gibt es in vier Varianten, dem Zeitgeist geschuldet alle auf Englisch: Banana Walnut (vegan), Apple Cassis, Chocolate Salted Caramel und Chocolate Raspberry. Hilfreich hingegen ist ihr Aromenrad, ein bisschen den Weinverkostungen der 90er-Jahre entlehnt. Ein Büchlein namens Coffee Insights präsentiert passende Kaffeespezialitäten vom Einspänner bis zum Café Canario mit einem spanischen Schuss Alkohol. Eher den traditionellen Geschmack hingegen treffen Plundervariationen im Miniformat und ein Cheesecake, beides aus dem Hause Froneri Schöller.

Dass Tartes auch etwas mit Genuss und Gemeinschaft zu tun haben, steht schon im Titel eines sehr ansprechenden Backbuchs, schön fotografiert von Joerg Lehmann, im neuen Verlag Elsa erschienen. Eine inspirierende Mischung aus ultramodern und angenehm altmodisch, absolut profitauglich.

Kaffeebohnen
Foto: iStockphoto

Kaffee und die Reisesehnsucht

Noch etwas schlägt auf die Kaffee-Trends in diesem Jahr nieder: Die Antwort auf die Frage, wie wir diesen Sommer reisen werden, gleicht dem Lesen im Kaffeesatz. Dass Kaffee also nicht nur kurze Genussmomente verschafft, sondern gleich ein ganzes Lebensgefühl abbilden kann, nämlich das Fernweh, darauf kam im letzten Herbst schon das Grandhotel Schloss Bensberg. Für drei Wochen beherbergte es in der Salvador Dalí Bar ein Pop-up namens Sacher. Auszüge aus der Wiener Speisekarte und selbstredend die Sachertorte waren im Angebot, eingepreist wie im Wiener Traditionshaus, serviert mit klassischer Musik.

Der Bedarf an Wissensvermittlung ist selten
so hoch gewesen
wie aktuell

 

Philipp Diekmann, Akademie- & Innovations-manager bei J.J. Darboven

»Es geht um Kaffeemomente«

Unterm Strich: Filterkaffee aus der Pumpkanne ist nicht mehr das Produkt für die jüngere Generation, glaubt nicht nur Darbovens Diekmann. »Die wollen Kaffee mit etwas Besonderem verbinden ... einem Erlebnis.« Er sieht großes Potenzial im Kaffeecocktail; nicht umsonst ging das Unternehmen aktuell eine Partnerschaft mit dem Siruphersteller Monin ein. Auch in der Darboven-Akademie wird auf das Thema fokussiert: »Durch die Vielzahl an Möglichkeiten bei Kaffeecocktails sind der Gastronomie kaum noch Grenzen gesetzt.« Das Wissen um die Herkunft gehört in diesen Bereich. Sind es bei kleinen Röstereien die Single Estates (s. Glossar), sucht der Kunde im LEH, sagt Diekmann, nach »Länderkaffees«, was er ebenso in der Gastronomie beobachtet.

 

Glossar: Die neuesten Trends

(Instagram-Potenzial)

  • Dalgona-Kaffee: Dieses TikTok-Thema verdankt seinen Namen eigentlich einer koreanischen Süßigkeit namens Dalgona. Das Trend-Getränk wird hergestellt, indem gleiche Mengen Instantkaffee, Zucker und heißes Wasser geschlagen werden, bis sich ein süßer Kaffeeschaum bildet, der dann traditionell auf Milch platziert wird.
  • Flat White: Doppelter Espresso mit einer Haube aus feinporigem Milchschaum, der sich besonders gut zum Dekorieren eignet.
  • Latte Art: Kunstvolles Gestalten der Milchschaumoberfläche.
  • Long Black: Heißes Wasser wird mit Espresso aufgefüllt (nicht andersherum). So bleibt die Crema erhalten.
  • Nel: Traditionelle japanische Aufgussmethode durch Stofffilter anstelle Papier. Die Bohnen müssen grob gemahlen sein.
  • Pergamentkaffee (Parchment Coffee): Die Bohnen besitzen noch das Silberhäutchen (Pergamino).
  • Pour-over-Kaffee: Englische Bezeichnung für den klassischen Kaffee per Handaufguss durch den Filter.
  • Semi-washed: Hybridverarbeitung. Zuerst werden die äußeren Schichten der Bohne abgewaschen, danach trocknen sie in der Sonne.
  • Single Origin/Estate: Sortenreine Kaffees, die immer populärer werden.
  • Siphon: Sehr dekorative Zubereitung per Unterdruck im Vakuum.
  • Slow Drip: Anderer Begriff für Cold Brew. Einige Hersteller bieten Handfilter mit spezieller Rillung an, die dafür sorgen sollen, dass das Wasser »very slow« tropft. Lässt sich als Eiskaffee verwenden und mit Aromaten (klassisch ist Kokosmilch) verfeinern.
  • Unwashed/natural: Sonnentrocknung der Bohnen zur natürlichen Entfernung des Fruchtfleisches der Kaffeekirsche. Klassische Verarbeitung, die sich über Wochen hinziehen kann. In Regionen mit wenig Niederschlag bzw. begrenztem Wasserzugang.
  • Washed: Auch als nasse Aufbereitung bezeichnete, relativ neue und aufwendigere Methode der Entfernung des Fruchtfleisches. Muss innerhalb von 8 Stunden nach der Ernte einsetzen. Liefert Spitzenqualitäten.

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