Rhabarber
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Der Rhabarber im Exklusiv-Interview

von Sebastian Bütow
Dienstag, 06.06.2017
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Sie schmecken zweifelsohne fruchtig – stimmt es dennoch, dass Sie in Wahrheit gar kein Obst sind?
Ich weiß, dass die meisten mich spontan zum Obst zählen würden, weil ich hauptsächlich in Kuchen, Kompott, Marmelade oder Schorlen auftauche. In den Supermärkten liege ich meistens beim Obst. Okay, ich schmecke sauer, bin fruchtig – aber tatsächlich Gemüse. Um genau zu sein, ein Stielgemüse. Und ein Gemüse mit Stil! (Lacht.)Viele verspüren eine gewisse Abneigung gegen alles, wo Sie mitmischen. Haben Sie eine Erklärung dafür?
Ach, diese Ressentiments werden wohl nie ganz aussterben. Es gibt halt Leute, die sich mit Grauen an das Rhabarberkompott ihrer Großmütter erinnern. Das muss man respektieren, ich steh da locker drüber. Aber wissen Sie was? Statt mich in alle Ewigkeit zu verdammen, sollten diese Leute vielleicht mal ihren Geschmacksnerven die Chance geben, sich von mir neu inspirieren zu lassen! Wetten, dass all die Nörgler schweigen, sobald sie mich als Sauce zum Rinderfilet probiert haben?

Seit einiger Zeit erobern Sie unübersehbar die Straßencafés der Szenemeilen. Modebewusste junge Männer mit langen Bärten, Apple-Laptops und Retro-Turnschuhen scheinen süchtig nach Rhabarberschorle zu sein. Wie haben Sie das bloß geschafft?
(Guckt entsetzt.) Soll mir das etwa schmeicheln? Die Zuneigung dieser Lackaffen hab ich doch gar nicht mehr nötig. Wenn Sie sich die Mühe machen, meine Karriere in den letzten Jahren mal etwas tiefer zu beleuchten, dann werden Sie feststellen, dass ich in ganz andere Sphären geflogen bin. In die Parfümbranche zum Beispiel. In Paris bin ich ein Megastar.

Wirklich?
In x Düften gebe ich mittlerweile den Ton an, zum Beispiel in »Anthology L’Imperatrice 3« von Dolce & Gabbana. Naomi Campbell, die Patronin dieses Duftes, liebt meine Anmut! Als die Chefin von Hermès das »Eau de Rhubarbe Écarlate« vorgestellt hat, schwärmte sie: »Ich mochte schon immer die Dualität des Rhabarbers. Die Verwandlung seiner Farbe. Die knackig saure Note seines Dufts, der mild und samtweich wird.« Noch Fragen?

Ja. Worauf sollte man achten, wenn man Sie einkauft?
Zunächst sollte ich fest sein und nicht labberig. Wenn man mich in der Mitte durchbricht, muss es »knack« machen und spritzen! Ganz wichtig: die Farben. Sie verraten, wie ich schmecke. Grüne Stängel mit grünem Fleisch schmecken sehr sauer, rote Stängel mit grünem Fleisch sind eher herb. Relativ milde schmecken rote Stängel mit rotem Fleisch.

Werden Sie eigentlich manchmal gehänselt wegen Ihres Namens?
Unter »Rhabarbern« versteht man ja ausuferndes Quatschen. Es gibt Schlimmeres! Viel interessanter ist der geschichtliche Hintergrund meines Namens. Die Römer nannten mich »Rha barbarum«, was »die Wurzel, die von den Barbaren gebracht wurde« bedeutet. Hinter der Silbe »Rha« verbirgt sich der Fluss Wolga, wo früher wohl einige Barbaren am Start waren. Ganz ursprünglich stamme ich übrigens aus China.

Und warum sind Sie ein Synonym für sinnloses Geschwätz?
Das stammt aus der Zeit der ersten Tonfilme. Um beispielsweise für eine Marktszene eine lebendige Geräuschkulisse zu erzeugen, mussten die Statisten ständig »Rhabarber, Rhabarber …« vor sich her brabbeln.

Es heißt, dass Sie nach Ende Juni nicht mehr geerntet werden sollen. Warum eigentlich?
Laut einer Bauernregel ist spätestens am Johannistag (24. Juni, d. Red.) Schicht im Schacht. An dieses Datum muss man sich heutzutage nicht mehr sklavisch halten. Im Juli sollte man mich dann aber wirklich in Ruhe lassen! Erstens enthalte ich ansonsten zu viel Oxalsäure, das ist giftig in zu großen Mengen. Zweitens muss ich zur Ruhe kommen, mich regenerieren und Nährstoffe einlagern, damit ich auch im Jahr drauf wieder topfit bin.

Rhabarber, wir danken Ihnen für das Gespräch.

Der Original-Text aus dem Magazin wurde für die Online-Version evtl. gekürzt bzw. angepasst.
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