Warum die Systemgastronomie die diskutierte Ausweitung der Tierhaltungskennzeichnung ablehnt
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Warum die Systemgastronomie die diskutierte Ausweitung der Tierhaltungskennzeichnung ablehnt

NACHGEFRAGT BEI MARKUS SUCHERT

von Markus Suchert
Freitag, 07.11.2025
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Ein staatliches Siegel klingt theoretisch sinnvoll, ist in der Praxis aber kontraproduktiv. Es würde nicht mehr, sondern weniger Transparenz schaffen. Viele Gerichte bestehen aus sogenannten Mischprodukten wie Schweinespeck und Rindfleisch, bei denen Fleisch aus unterschiedlichen Tier­haltungsformen verwendet wird. Häufig stammen auch die Bestandteile eines einzelnen Produkts, etwa eines Bur­ger-Pattys, aus Fleisch verschiedener Tierhaltungsformen. Wir dürften aber nur die niedrigste Haltungsstufe ausweisen. Das ist aus unserer Sicht das Gegenteil von Transparenz. Zumal damit auch der Anreiz bei den Betrieben entfällt, den Gerichten Fleisch aus höheren Haltungsstufen beizumi­schen.

Aber gerade in Restaurants wollen viele Gäste doch wissen, woher das Fleisch kommt. Warum also nicht verpflichtend ausweisen?
Unsere Mitgliedsunternehmen engagieren sich seit Jahren freiwillig für Tierwohl und Herkunftssicherheit – über eigene Programme oder in Brancheninitiativen. Doch die geplante Pflicht würde bestehende, etablierte Kennzeichnungen verdrängen und Verwirrung stiften. Verbraucher kennen diese Siegel bereits. Statt Klarheit entstünde ein Regelchaos. Zudem müssen Restaurants bei Lieferengpässen flexibel reagieren können. Mit starren Kennzeichnungspflichten müssten Speisekarten, Aushänge und Homepages ständig angepasst werden. 

Einige Politiker argumentieren, dass Kennzeichnung Wahlfreiheit schafft. Warum greifen Sie das Argument nicht auf? Was erwarten Sie?
Weil es in der Gastronomie schlicht keine Wahlmöglichkei­ten gibt. Ein Gast bestellt ein Gericht, das eine feste Rezeptur hat. Anders als im Supermarkt kann er nicht zwischen Haltungsstufe 2 oder 4 wählen, denn die Betriebe können nicht verschiedene Haltungsstufen vorhalten. Die inten­dierte Lenkungswirkung für mehr Tierwohl verpufft also komplett. 

Kritiker könnten sagen: Die Gastronomie will nur Kosten sparen. Ist das nicht ein vorgeschobenes Argument?
Nein, das ist Realität. Eine verpflichtende Ausweitung würde massiven bürokratischen Mehraufwand erzeugen, vom Wareneinkauf über die Dokumentation bis zur Speisekarte. Das bedeutet höhere Kosten, die zwangsläufig auf die Gäste umgelegt werden müssten. Doch wir wissen: Preis und Geschmack sind in den meisten Fällen die entscheidenden Faktoren für unsere Gäste. Viele Haushalte sind ohnehin finanziell belastet, und weitere Preissteigerungen würden schlicht Gäste vertreiben.

Sie sprechen auch von Nachteilen für regionale Produkte. Können Sie das erklären?
Die Kennzeichnungspflicht soll nur für deutsche Lebensmittel gelten. Für Fleisch aus dem Ausland nicht. Damit entsteht ein Wettbewerbsnachteil für regionale Ware – genau das Gegenteil von dem, was Politik und Gastronomie eigentlich wollen. Unsere Mitglieder legen großen Wert auf regionale Wertschöpfung und beziehen teilweise 100 Prozent bestimmter Produktgruppen wie Rindfleisch aus Deutschland. In der Konsequenz könnten Betriebe aus Kostengründen auf internationale Lieferketten ausweichen, anstatt die heimische Landwirtschaft zu stärken.         

Was wäre aus Ihrer Sicht die bessere Lösung?
Wir brauchen keine starren Regeln, die an der Realität vorbeigehen. Die freiwilligen Brancheninitiativen funktionieren. Sie sind erprobt, akzeptiert und werden von Verbrauchern verstanden.    

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