Internationaler Tourismus-Arbeitsmarktdialog

Bis zu 60.000 Mitarbeiter mehr benötigt

Kellnerin nimmt volle Teller in der Küche zum Servieren auf. Im Hintergrund 2 Köche.
Wo sollen bloß die tausenden Arbeitskräfte herkommen, die die Branche in den kommenden Jahren brauchen wird? (© Iakov Filimonov/fotolia.com)
Der Tourismus schafft viele Arbeitsplätze und es könnten noch mehr sein. Bei einer länderübergreifenden Konferenz in Wien wurde gezeigt, was dazu geschehen müsste.
Dienstag, 25.06.2019, 10:06 Uhr, Autor: Clemens Kriegelstein

Die Österreichische Hoteliervereinigung (ÖHV) lud kürzlich zum Internationalen Arbeitsmarktdialog in Wien. Vertreter der Hotellerie und Gastronomie aus Deutschland, der Schweiz, Südtirol und Österreich folgten dieser Einladung, bei der u.a. das Institut für Höhere Studien (IHS) eine Untersuchung des zukünftigen Arbeitskräftebedarfes in der österreichischen Hotellerie präsentierte. Einhelliger Tenor: Auf die Branche kommen Herausforderungen in einem bisher nicht gekannten Ausmaß zu. „Um die zu lösen, müssen wir neue Wege gehen, Betriebe und Politik Hand in Hand“, forderte ÖHV-Präsidentin Michaela Reitterer rasches Umdenken und Umsetzen.

Grenzüberschreitende Herausforderung

Die arbeitsmarktpolitischen Herausforderungen gleichen sich in allen Ländern bis ins Detail: Die hotelleriesuisse nannte den ausgeprägten Fachkräftemangel, der sich angesichts rückläufiger Geburtenraten in ganz Europa auch auf den Hilfskräftebereich auszuweiten droht, und geringe Produktivität bei hoher Fluktuation. Der Südtiroler Hoteliers- und Gastwirteverband (HGV) führte Schwierigkeiten bei der Besetzung offener Stellen auf die Vollbeschäftigung im eigenen Land und in den Ländern, aus denen bislang Beschäftigte immigrierten, an, erschwert durch steigende Qualitätsansprüche. Laut Deutschem Hotel- und Gaststättenverband (DEHOGA) sei das Fachkräfteangebot auch in der Bundesrepublik in vielen Regionen nahezu erschöpft. Der Fokus von Politik, Volkswirtschaft und allgemeiner Öffentlichkeit liege auf Industriebranchen und Großunternehmen, Anteil an (vollzeit-)beschäftigten Frauen sei ausbaufähig, die Kinderbetreuung insbesondere abends und am Wochenende unzureichend.

In Österreich ist das Bild nicht anders: Der Tourismus bietet hier 500.000 überwiegend jungen Menschen pro Jahr eine Beschäftigung, kann im Unterschied zu anderen Branchen aber nicht „auf Vorrat“ produzieren: Die Nachfrage muss vor Ort und „just in time“ bedient werden. Und so nimmt die Beschäftigung im Tages-, Wochen- und Jahresverlauf, regional unterschiedlich, ab und zu: „Das ist nicht länder-, sondern branchenspezifisch: Der Blick über die Grenzen zeigt überall das gleiche Bild“, erklärte Reitterer. In den kommenden Jahren werde die Problematik laut IHS noch zunehmen.

Mitarbeiter dringend gesucht

„Setzt sich das Wachstum in den kommenden Jahren fort wie in den vergangenen Jahren, braucht 2023 alleine die Hotellerie bis zu 8.000 Mitarbeiter mehr pro Monat. Aber zusätzlich müssen noch die Mitarbeiter ersetzt werden, die die Branche zwischenzeitlich verlassen“, erklärte der Autor der Untersuchung, Dominik Walch, Senior Researcher am IHS. In Summe rechnet er mit einem zusätzlichen Bedarf von 40.000 bis 60.000 Mitarbeitern. Dazu komme der zunehmende Bedarf in der Gastronomie. Erschwerend, so Walch, kämen die rückläufigen Geburtenzahlen in den neuen EU-Mitgliedsstaaten und die steigende Nachfrage im mitarbeiterintensiven Qualitätssegment.

Susanne Kraus-Winkler, Obfrau des WKÖ-Fachverbandes Hotellerie verwies in diesem Zusammenhang auf verstärkte Investitionen in Mitarbeiterquartiere, die deutliche Erhöhung der Lehrlingsentschädigung im Kollektivvertrag und des Saisonierkontingents oder die kompetenzorientierte Überarbeitung der Berufsbilder, um die Branche attraktiver für Arbeitnehmer zu gestalten. Um im internationalen Wettlauf um Arbeitskräfte aber vorne mit dabei zu bleiben, brauche es weitere Schritte, wie die tourismusgerechte Adaptierung der Rot-Weiß-Rot Karte, auch in Anbetracht dessen, dass Anfang kommenden Jahres in Deutschland das Fachkräfteeinwanderungsgesetz in Kraft tritt, das die Beschäftigung von Drittstaatsangehörigen wesentlich erleichtert, zeigt sich Kraus-Winkler überzeugt.

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