Kommentar

Flexibilität gefragt

Symbolbild „Strafverfahren“
Die neue Regelung wird dafür sorgen, dass die Zahl der Anzeigen aufgrund von Arbeitszeitüberschreitungen zurückgeht. (© fotolia.com/momius)
SPÖ und Gewerkschaft nutzen den 12-Stunden-Arbeitstag, um ihr Mütchen an der ungeliebten Regierung zu kühlen. Doch die neue Regelung half, notwendige Realitäten gesetzeskonform zu machen.
Donnerstag, 06.12.2018, 09:32 Uhr, Autor: Clemens Kriegelstein

Das leidige Thema 12-Stunden-Arbeitstag ist in Österreich wieder um eine Facette reicher: Vor wenigen Wochen ging als eines der ersten „Opfer“ des neuen Gesetzes der Fall jener Hilfsköchin durch alle Medien, die nach knapp 20-jähriger Betriebszugehörigkeit gekündigt worden sein soll, weil sie sich geweigert habe, künftig 12-Stunden-Schichten zu fahren. Der Tenor von Gewerkschaft, Opposition und einigen Medien war entsprechend ähnlich: Das Gesetz sei reine Ausbeutung, ein Geschenk der neoliberalen Regierung an die Wirtschaft und gehe an den Interessen der Arbeitnehmer vorbei.

Kleines, aber feines Detail am Rande, das jetzt nach Recherchen der Kronenzeitung aufgetaucht ist: In besagtem Fall der Hilfsköchin sei es gar nicht um eine 12-Stunden-Arbeitszeit gegangen, sondern nur um geänderte Öffnungszeiten des Wiener Lokals, die sie aus familiären Gründen nicht mittragen konnte bzw. wollte. Von einer Verlängerung auf 12 Stunden sei niemals die Rede gewesen, insbesondere auch deshalb, weil die Frau lediglich in Teilzeit angestellt war, erklärt dazu auch die Wirtschaftskammer. Die Arbeiterkammer widerspricht, es sei sehr wohl um 12-Stunden-Schichten gegangen.

Notwendiger Schritt
Unabhängig davon, wie es in besagter Causa weitergeht, muss man aber attestieren, dass die Arbeitszeitflexibilisierung ein dringend notwendiger Schritt war. Jeder, der die Branche kennt, weiß, dass Arbeitszeitüberschreitungen oft genug eher die Regel als die Ausnahme waren – und das durchwegs mit vollem Einverständnis der Mitarbeiter. Wer sich dieser Tage „auf Saison“ in den Westen Österreichs aufmacht, weiß normalerweise, dass man selbst spätestens Anfang April ziemlich sicher urlaubsreif ist. Und wer heute mit erfahrenen Gastronomen oder Hoteliers spricht, erfährt zumindest hinter vorgehaltener Hand, dass in der Praxis bisweilen nicht mal der 12-Stunden-Arbeitstag ausreichend ist.

Wobei mehr Flexibilität nicht nur im Westen Österreichs und nicht nur bei Arbeitgebern der Wunsch war. Auch in Wien, Niederösterreich oder dem Burgenland sind viele Köche oder Kellner etwa aus Ungarn oder der Slowakei beschäftigt, die oft genug Interesse daran haben, ihr Wochenarbeitspensum so schnell wie möglich hinter sich zu bringen, um danach wieder nach Hause zu ihrer Familie fahren zu können. „Die Änderung im Arbeitszeitgesetz war dringend notwendig und hat letztlich große Teile der Branche entkriminalisiert“, wie es kürzlich ein Wiener Innenstadtgastronom gegenüber HOGAPAGE formuliert hat.

Ob man es will oder nicht, um etwas mehr Flexibilität – sei es räumlich oder zeitlich – wird man in Zukunft auf dem Arbeitsmarkt kaum herumkommen. Die Zeiten der geschützten Werkstätten sind lange vorbei und zwar in allen Branchen. (Der Autor dieser Zeilen etwa hat an seinem ersten Arbeitstag in einem Verlag im Jahr 1995 noch eine Schreibmaschine auf seinem Schreibtisch vorgefunden und über das Internet konnte man damals maximal in Fachzeitschriften lesen…)

Wann dürfen Geschäfte endlich an Sonntagen aufsperren?
Und apropos Flexibilisierung: Vielleicht erkennt ja jetzt auch Wiens neuer Bürgermeister Michael Ludwig die Zeichen der Zeit und sorgt dafür, dass in Wien künftig die Touristen zumindest in den Einkaufsstraßen an Sonntagen nicht fassungslos vor heruntergelassenen Rollbalken stehen. In anderen zivilisierten Städten und Gemeinden ist das ja auch möglich – sogar in Österreich.

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