Hanf im Bier erlebt Aufschwung
Mit dem Trend zum Craft-Bier sind Gerstensäfte mit Ingwer, Zimt oder anderen exotischen Gewürzen im Supermarkt angekommen. Auch einige Brauer haben längst Cannabis als Zutat für ihr Gebräu entdeckt. Sie nennen es „Cannabis Club Sud“ oder „Münsterländer Hanf“. Darüber, wie viele Brauer inzwischen Hanf als Rohstoff verwenden, gibt es keine Zahlen. Seit Hanf aber in Deutschland in rauschmittelarmen Sorten wieder als industrielle Nutzpflanze angebaut werden darf, werden deren Bestandteile auch zunehmend zur Herstellung von Lebensmitteln eingesetzt. Die Produktpalette reicht von Hanfsamen und Öl über Back- und Süßwaren, Wurst, Tees bis Bier. Der Gehalt des Tetrahydrocannabinols (THC), das bei Kiffern die berauschende Wirkung auslöst, darf bei Nutzhanf den Wert von 0,2 Prozent nicht übersteigen. In Lebensmitteln ist der THC-Wert noch strenger reglementiert: Die Grenzwerte für Getränke sollen laut dem Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) in Berlin fünf Mikrogramm, für Speiseöle 5000 Mikrogramm und in anderen Produkten 150 Mikrogramm je Kilogramm nicht überschreiten.
Hanf profitiert von zwei Trends: Den zum Craft-Bier, denn zu den experimentellen Rohstoffen, die Craft-Brauer entdecken, gehört auch Hanf. Zudem sorgt die Debatte um die umstrittene Legalisierung von Cannabis für werbewirksamen Gesprächsstoff. Zwischen Hanf- und Cannabis-Bieren gibt es keinen Unterschied. Doch Cannabis klingt zwielichtig-sexy, Hanf nach Bio.
„Eyecatcher-Funktion“
„Cannabis hat natürlich eine Eyecatcher-Funktion“, sagt Urban Winkler, Vertriebschef der Klosterbrauerei Weissenohe in Bayern, die seit 2001 das Biermischgetränk „Cannabis Club Sud“ produziert. Ein Vater finde es cool, für seinen Sohn zum 18. Geburtstag ein „Cannabis Sud“ mit einem Hanfblatt auf dem Etikett zu kaufen. Die Pflanze, davon ist Winkler überzeugt, wird hierzulande noch immer unterschätzt – als Faser in Dämmstoffen oder Kleidung wie auch in Lebensmitteln.
Immer mehr Brauer experimentieren mit Rohstoffen und bringen neue Bierkreationen auf den Markt, die nicht mehr dem heiligen Gral deutscher Braukunst – dem 502 Jahre alten Reinheitsgebot – folgen. Die Zahl der Brauereien allgemein steigt nach Zahlen des Deutschen Brauer-Bunds und das bei sinkendem Bierabsatz. Seit 2009 kamen 161 Produktionsstätten hinzu, zeitgleich sank der Bierabsatz von 100 Millionen Hektoliter (2009) auf rund 93,5 Millionen (2017). „Die derzeitige Gründungswelle von Kleinbrauereien in Deutschland ist in erster Linie auf den Trend zu Craft-Bieren zurückzuführen“, sagt Hauptgeschäftsführer Holger Eichele. Dennoch ist der Marktanteil von 0,5 Prozent mit 7,8 Millionen Litern gering.
Hanf im Bier war früher Standard
Dabei ist Hanf in Bieren ein alter Hut. „Hanfblüten werden seit mehr als 100 Jahren zur Aromatisierung genutzt, entweder als Zusatz in der Maische oder im Lagertank“, erklärt Eichele. Bis zur Einführung des Reinheitsgebots im Jahr 1516 gehörte Hanf gar zu den Basisstoffen. Im 19. Jahrhundert erlebte die Cannabispflanze im Bier eine Neugeburt, bis das Opiumgesetz 1929 auch Hanf als Betäubungsmittel einstufte.
Und wie sieht es jetzt mit der Wirkung aus? Jan Fidora braut seit einiger Zeit auf der Insel Usedom ein Hanfbier mit dem Namen „Mellenthiner Cannabis“. Die Reaktionen von Konsumenten nach dem Genuss des Bieres beschreibt der Brauer so: Diejenigen, die kifften, berichteten von einer leicht berauschenden Wirkung ähnlich einem Joint. Nichtkiffer hätten neben der üblichen Alkoholwirkung nichts gespürt. Bei Kiffern habe also der Hanfgeschmack Assoziationen zum Joint und eine Placebo-Wirkung ausgelöst, meint Fidora. (dpa)