Nurti-Score & Co.

Der Wahlkampf ums Nährwert-Logo wird schärfer

Das Logo von Nutri-Score
Der Kampf um das richtige Nährwertmodell geht weiter. Fast die Hälfte der Befragten konnte spontan nicht sagen, weshalb das Nutri-Score-Logo überhaupt auf der Packung ist. (© Tijana/Ricochet64/Fotolia)
Eigentlich macht die Regierung gerade eine große Befragung dazu, wie „Dickmacher“ im Supermarkt leichter zu erkennen sind. Doch Gegner und Befürworter verschiedener Modelle preschen mit eigenen Studien vor.
Montag, 16.09.2019, 10:54 Uhr, Autor: Thomas Hack

Im Streit um eine klarere Kennzeichnung von Zucker, Fett und Salz in Lebensmitteln machen nun auch Kritiker des farbigen Logos Nutri-Score mobil. Der Lebensmittelverband Deutschland legte dieser Tage eine Umfrage vor, die nur äußerst schwache Zustimmungswerte für das System ergab, das Verbraucherschützer favorisieren. Ein von der Branche selbst vorgeschlagenes Modell schneidet darin besser ab. Ende des Monats will Ernährungsministerin Julia Klöckner (CDU) nach einer eigenen Verbraucherbefragung entscheiden, welche Kennzeichnung die Bundesregierung zur freiwilligen Nutzung auf Packungen empfiehlt. Der Wahlkampf um das Nährwert-Logo wird dabei zunehmend schärfer. Der Präsident des Lebensmittelverbands, Philipp Hengstenberg, sagte, viele Verbraucher wünschten sich eine Kennzeichnung, die ihnen eine ausgewogene Ernährung ermögliche. Ein „zu vereinfachtes System“ finde aber keine Zustimmung. Resümee des Verbands, der generell gegen Ampelfarben ist: Nutri-Score sei „intransparent, unverständlich, informationsarm“.

Die Mehrheit der Verbraucher finden Nutri-Score „nicht nachvollziehbar“

Das aus Frankreich stammende System bezieht neben dem Gehalt an Zucker, Fett und Salz empfehlenswerte Bestandteile wie Ballaststoffe in eine Bewertung ein und gibt dann einen einzigen Wert an – in einer Skala von „A“ auf einem dunkelgrünen Feld für die günstigste Bilanz über ein gelbes „C“ bis zu einem roten „E“ für die ungünstigste. Das zutreffende Feld wird hervorgehoben. Erste Produkte damit sind schon in Supermärkten zu kaufen, in der Koalition ist auch die SPD dafür. Die Umfrage im Auftrag des Branchenverbands liefert nun Argumente gegen Nutri-Score. Fast die Hälfte der Befragten (46 Prozent) konnte spontan nicht sagen, weshalb das Logo überhaupt auf der Packung ist. Insgesamt gut oder sehr gut über das Produkt informiert fühlten sich damit 20 Prozent. Gut die Hälfte (53 Prozent) der Befragten fand es „gar nicht nachvollziehbar“, welche Eigenschaften des Produkts in die Kennzeichnung einfließen. Für die Befragung wurden 1262 Teilnehmern ab 16 Jahren Abbildungen der beiden ausgewählten Logos gezeigt.

„Nutri-Score kein Ersatz für Nährwerttabelle“

Von Befürwortern des Nutri-Score kam umgehend Contra. Es sei gerade dessen Stärke, „dass er komplexe Daten zur Nährwertqualität eines Produkts leicht verständlich auf der Verpackungsvorderseite darstellt“, sagte Luise Molling von der Verbraucherorganisation Foodwatch. „Jeder der so tut, als sei der Nutri-Score ein Ersatz für die detaillierte Nährwerttabelle auf der Verpackungsrückseite, führt die Öffentlichkeit in die Irre.“ Foodwatch und mehrere Medizinverbände hatten kürzlich ebenfalls eine Umfrage vorgelegt, die zwei Modelle testete – und hohe Zustimmung für Nutri-Score ergab. Parallel ist im Handel noch eine andere Erkundung angelaufen: Branchenprimus Edeka und seine Discount-Kette Netto machen einen mehrmonatigen Praxistest mit drei ausgewählten Modellen.

Im Dschungel der Modelle

Die politische Entscheidung soll indes unter vier Modellen fallen, die in der offiziellen Verbraucherbefragung untersucht werden. Neben Nutri-Score und dem Wirtschafts-Modell ist es das „Keyhole“-Logo aus Skandinavien mit einem weißen Schlüsselloch auf grünem Grund, das nur Produkte mit günstiger Nährwertbewertung bekommen können. Außerdem im Rennen ist ein Modell mit gefärbten Waben, das das bundeseigene Max-Rubner-Institut auf Bitten des Ministeriums entwickelt hat. Beim Modell des Wirtschaftsverbands fühlten sich laut der Umfrage nun 48 Prozent sehr gut oder gut über das Produkt informiert. Die ins Logo einfließenden Eigenschaften „alles in allem nachvollziehbar“ fanden demnach 14 Prozent, „nur teilweise nachvollziehbar“ fanden es 50 Prozent. Das Modell besteht aus fünf Kreisen mit der Kalorienzahl sowie dem Gehalt an Fett, gesättigten Fettsäuren, Zucker und Salz pro 100 Gramm. Eine Hervorhebung zeigt in jedem Kreis an, wie viel Prozent der Tageszufuhr der Verzehr von 100 Gramm bedeutet – je mehr, desto größer die hellblau und lila gefärbte Fläche.

Klöckner hat klar gemacht, dass für ihre Entscheidung das Ergebnis der eigenen Befragung maßgeblich sein soll. Dabei geht es auch um eine knifflige Grundsatzentscheidung, was das Logo leisten soll. Wie die neue Umfrage ergab, ist es 72 Prozent sehr wichtig oder wichtig, Infos über einzelne Nährstoffe zu erhalten, wie es zum Beispiel das Wirtschafts-Modell bietet. Andererseits wünschen sich 71 Prozent eine zusammenfassende Bewertung dazu, wie gesund ein Produkt ist – dafür steht beispielsweise der Nutri-Score. (dpa/TH)

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