New Food Conference auf der Anuga

Fisch und Fleisch auch ohne Tiere

Kultiviertes Fleisch im Labor
Die Vision „Tierprodukte ohne Tiere“ möglich machen soll die zelluläre Landwirtschaft. (Foto: © HQUALITY/stock.adobe.com)
Kultiviertes Fleisch ist das nächste große Ding in der Lebensmittelindustrie – und war das Highlight der diesjährigen Anuga. Auf der „New Food Conference“ von ProVeg gaben Pioniere einen Einblick in ihre Branche.
Donnerstag, 21.10.2021, 15:10 Uhr, Autor: Martina Kalus

Weiter Steaks, Fisch und Käse genießen, ohne den Tieren, der Umwelt und der eigenen Gesundheit zu schaden – und es ist genug für alle da, auch wenn wir bald neun Milliarden Menschen sind! Das ist die Vision der rund 20 Industrievertreter, Investoren und Wissenschaftler, die am 10. und 11. Oktober auf der New Food Conference in Köln sprachen. Die Ernährungsorganisation ProVeg hatte die internationale Konferenz erstmals als Hybridveranstaltung organisiert, im Rahmen der weltgrößten Ernährungsmesse Anuga.

Die Vision „Tierprodukte ohne Tiere“ möglich machen soll die zelluläre Landwirtschaft: Sie kreiert aus Tierzellen oder Mikroorganismen wie Hefe, Bakterien und Pilzen völlig identische Produkte wie die konventionelle Tierwirtschaft. Allerdings nicht im Tierkörper, sondern im Fermenter – dank bahnbrechender Biotechnologie. Die Zukunft schmecken konnte man auf der New Food Conferencebereits: David Brandes vonPeace of Meat,das kürzlich vonMeaTechübernommen wurde, servierte Fleischbällchen aus Soja und kultiviertem Hühnerfett. Dafür entnimmt das belgische Start-up Hühnereiern bestimmte Zellen und bereitet sie mit Hilfe von Bioreaktoren so auf, dass eine Fettmasse entsteht. Sie sorgt für den Hühnchengeschmack – und für gewaltiges Interesse: Bei der Präsentation auf der New Food Conference drängten sich vor der Bühne Fotografen und Kamerateams.

Gesetzesmühlen und Hollywood-Stars

Noch ist kultiviertes Fleisch eine Sensation, auf dem Markt gibt es bisher nur die Chicken Nuggets von Eat Just und nur in Singapur. Damit sich das bald ändert, sind noch einige Hürden zu überwinden. „Die gesetzliche Zulassung ist ein sehr langer und teurer Prozess“, sagte Robert E. Jones von Mosa Meat in seinem Vortrag. Das Unternehmen aus den Niederlanden hat 2013 den ersten zellbasierten Hamburger präsentiert und seitdem Millionen eingesammelt, im September stieg Leonardo di Caprio als Top-Investor ein.

Auch die Großproduktion ist im Vergleich zu herkömmlichem Fleisch zu teuer, vieles muss noch erforscht werden. Zum Beispiel, wie sich nicht nur Nuggets, sondern auch ganzes Fleisch am Stück herstellen lässt. Oder Fischfilet – das Thema von Dr. Sebastian Rakers. Seine Firma Bluu Bioscience ist die erste in Europa, die sich auf die Entwicklung von kultiviertem Fisch spezialisiert hat. Die ersten Produkte sollen 2023 auf den Markt kommen.

Junge Menschen sind offen für kultiviertes Fleisch

Dass die Zulassungen kommen und die technischen Herausforderungen gemeistert werden, da sind sich die Experten sicher. Doch werden die Verbraucher die neuen Produkte auch kaufen? „Die Jüngeren, gut Informierten sind sehr offen dafür“, so Mathilde Alexandre, die bei ProVeg International das Projekt CellAg koordiniert. Besonders groß sei die Akzeptanz schon in Israel, größter Hotspot für kultiviertes Fleisch neben Singapur. Allein rund um Tel Aviv sitzen sechs Firmen, die daran forschen, darunter MeaTech. Deren Business Development Manager Simon Fried erklärte: „Wir entwickeln gerade Bio-Tinte und Drucker, mit denen wir bis Ende des Jahres ein klassisches Steak herstellen können.“ Auch bei MeaTech stehen die Investoren Schlange, jüngster Neuzugang ist Ashton Kutcher.

Bei Investoren ebenfalls beliebt, um Tierprodukte ohne Tiere herzustellen, ist die Präzisionsfermentation. Dabei werden Bakterien oder Hefen so „programmiert“, dass sie beispielsweise Milchproteine herstellen. In den USA gibt es bereits Speiseeis aus tierfreien Milchproteinen, in Deutschland arbeiten Unternehmen an Käse. Hier ist noch viel Luft nach oben, wie die New Food Conference zeigte. „Käse soll gesund sein, nachhaltig, lecker und kostengünstig – das kann noch kein Käse, ob pflanzlich oder mit Milch“, sagte Blue HorizonInvestor Nate Crosser in einer Panel-Diskussion. Kommt bald der Mozzarella aus Milch, aber ohne Kuh? Crosser: „Es ist eine große Herausforderung, aber wir Menschen können coole Sachen machen, wenn wir es versuchen.“

(ProVeg/MK)

Zurück zur Startseite

Weitere Themen

Veggie-Burger
Veggie-Debatte
Veggie-Debatte

Keine Entscheidung zu EU-„Veggie-Burger“-Verbot

Veggie-Burger bleibt vorerst Veggie-Burger: EU-Unterhändler sind sich uneins, was ein Verbot der Bezeichnung angeht – nun ist die Frage, wie die Debatte weitergeht.
Veggie-Burger
Veggie-Debatte
Veggie-Debatte

Heiße Phase: Verhandlung über EU-Verbot für „Veggie-Burger“

EU-Politik auf dem Teller: Wieso ein neues Verbot pflanzlicher Produktnamen gerade Deutschlands Firmen und Kunden besonders treffen würde. Die Verhandlungen gehen in eine entscheidende Phase.
Veggie-Burger
Gutachten
Gutachten

Foodwatch: EU-Verbot für „Veggie-Burger“ wäre rechtswidrig

Foodwatch sieht das geplante EU-Verbot für Begriffe wie „Veggie-Burger“ als rechtswidrig. Die Organisation geht mit einem Gutachten kurz vor einer wichtigen Verhandlungsrunde an die Öffentlichkeit.
Veganuary
Aktionsmonat
Aktionsmonat

Veganuary 2026 in Gesellschaft, Wirtschaft und Politik: So wirkt der vegane Januar

Der Veganuary gewinnt weiter an gesellschaftlicher Bedeutung: Immer mehr Menschen greifen zu pflanzlichen Alternativprodukten, Unternehmen erweitern ihre veganen Sortimente und sogar das Umweltbundesamt ist von dem Aktionsmonat überzeugt.
Ricky Saward
Gastspiel
Gastspiel

Ricky Saward bringt vegane Sterneküche auf die Malediven

Er ist Chefkoch und Partner des Seven Swans in Frankfurt – dem ersten rein veganen Sternerestaurant der Welt. Seine einzigartige, nachhaltige Philosophie hat ihn berühmt gemacht. Im Dezember zieht es den Spitzenkoch nun auf die Malediven.
Vegane Salatbowl
Ernährung
Ernährung

Veganes Essen im Gefängnis? Justiz fällt Entscheidung

Darf ein Häftling auf vegane Mahlzeiten pochen? Oder reicht es, wenn die JVA ihm vegetarische und laktosefreie Kost anbietet? Das Oberste Landesgericht in Bayern hat entschieden.
Gesunder Essens-Tisch mit Buddha-Bowl, Salat, Wraps, Gemüse und Sandwiches. Draufsicht über einem Holz-Hintergrund.
Umfrage
Umfrage

Weltvegantag: Veganuary als globaler Impulsgeber für Ernährungswende

Anlässlich des Weltvegantags am 1. November richtet sich der Blick auf die globale vegane Bewegung. Einer der zentralen Impulsgeber innerhalb dieser Bewegung ist Veganuary: Die gemeinnützige Organisation und Kampagne wirkt weit über den Januar hinaus, wie aktuelle Umfrageergebnisse erneut bestätigen. 
Ricky Saward
HOGAPAGE-Interview
HOGAPAGE-Interview

„Die klassische Sterne-Klientel verschwindet“– Ricky Saward über vegane Spitzengastronomie

Am 1. November ist wieder Weltvegantag. HOGAPAGE hat dies zum Anlass genommen, um mit Ricky Saward zu sprechen. Er ist Küchenchef des Seven Swans in Frankfurt – dem ersten rein veganen Sternerestaurant der Welt. Im Interview spricht der Spitzenkoch über seine Philosophie, den Weg zur rein pflanzlichen Küche, den Wandel in der Spitzengastronomie und warum Perfektion für ihn ein täglicher Antrieb bleibt.
Bundesernährungsminister Alois Rainer
Kritik
Kritik

CSU-Agrarminister Rainer warnt vor „Veggie-Burger“-Verbot

Verbraucherschützer und Wirtschaftsvertreter, aber auch Branchenverbände des Gastgewerbes lehnen ein Verbot von Begriffen wie „Veggie-Schnitzel“ ab. Auch Bundesernährungsminister Alois Rainer sieht ein solches Verbot kritisch und warnt vor den Folgen, die der Vorstoß haben könnte.