Schrumpfkurs beim Fleischersatz: Ist der Veggie-Boom vorbei?
Jahrelang ging es für vegetarische Fleischwurst, Sojaschnitzel und Veggie-Frikadellen bergauf. Die Begeisterung bei Verbrauchern mit Lust auf Fleischverzicht war groß, die Absätze schienen gesichert. Doch nun verzeichnen aktuelle Zahlen der Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) einen Schrumpfkurs. In diesem Jahr schwächte sich das Wachstum überraschend schnell ab und kam dann zum Erliegen. „In den letzen zwei, drei Monaten sind die Verkäufe sogar rückläufig“, berichtet GfK-Experte Helmut Hübsch.
Drei Gründe für den Schrumpfkurs:
- Grund 1: Geschmack überzeugte nicht
„Viele Verbraucher haben das mal ausprobiert. Aber ein großer Anteil davon hat es auch bei dem einmaligen Versuch belassen“, fasst Hübsch die Eindrücke der Marktforscher aus den letzten Monaten zusammen. Der Geschmack der Produkte hat offenbar nicht immer überzeugt. „Wir haben einen relativ hohen Anteil von Einmalkäufern.“
- Grund 2: Mineralöl-Funde der Warentester
„Mangelhaft“ und „ungenügend“ hieß es bei knapp der Hälfte der 22 Fleischersatzprodukte, die Öko-Test im Frühsommer auf Schadstoffe, Fett, Salz und Geschmack untersuchte. Nur ein Produkt bekam von den Testern die Note „gut“. Die Tester kritisierten die „überraschend hohe Belastung“ mit Mineralölbestandteilen bei einigen Produkten, aber auch Überwürzung und die Verwendung glutamathaltiger Zusätze, um den Produktgeschmack auf fleischähnlich zu trimmen. Außerdem bemängelten sie die allzu großzügige Verwendung von Salz bei etlichen Produkten und die „oftmals weiche bis breiige Konsistenz“ der Produkte.
Etwas besser, aber auch nicht wirklich gut, fiel ein Test von 20 Fleischersatzprodukten durch die Stiftung Warentest aus. Auch hier warnten die Tester vor „hohen Mengen an Mineralölbestandteilen“ in fünf Bratwürsten und einem Veggie-Schnitzel. Und darüber hinaus stellten sie fest: „Einige Veggie-Varianten schmeckten trocken, waren schwer zu kauen oder sehr salzig. Auch sind sie nicht per se kalorienärmer als die vergleichbaren Fleischprodukte.“
- Grund 3: Nischenmärkte brauchen Zeit
Für den Marketing-Experten Martin Fassnacht von der Wirtschaftshochschule WHU kommt der Rückschlag nicht völlig überraschend. „Vegetarische und vegane Produkte sind nach wie vor kleine Nischenmärkte,“ sagt er. „Natürlich essen auch Leute, die keine Hardcore-Vegetarier sind, mal Fleischersatzprodukte. Aber das schmeckt halt nicht so, wie man es gewohnt ist. Und es braucht Zeit, sich daran zu gewöhnen.“
Ist der Veggie-Boom vorbei?
Wohl nicht. „Es geht vielleicht nicht so flott aufwärts, wie ursprünglich gedacht – aber das Thema ist nicht erledigt“, ist der GfK-Handelsexperte Wolfgang Adlwarth überzeugt. Schließlich reduzieren nach einer Studie der Marktforscher inzwischen mehr als ein Drittel der Haushalte in Deutschland bewusst den Fleischverzehr. Vor allem unter den jüngeren Verbrauchern gebe es eine wachsende Gruppe, die aus ethisch-moralischen Gründen wie Tierwohl und Umweltschutz den Fleischkonsum generell ablehne. „Solche Überzeugungen wirft man nicht einfach so über Bord, wenn man älter wird“, sind die Konsumforscher überzeugt. Der Anteil der Vegetarier werde in den kommenden Jahren daher wohl trotz der gegenwärtigen Bremsspuren weiter zunehmen.
Und auch der Geschäftsführer des Vegetarierbundes Deutschland, Sebastian Joy zeigt sich wenig beeindruckt von den jüngsten Zahlen: „Veggie-Produkte haben einen festen Platz am Markt eingenommen. Der langfristige Veggie-Trend ist auf breiter Linie und in vielen Bereichen erkennbar“, meint er (dpa/ph).