XR-Brillen

Wie virtuelle Zeitreisen neue Touristen anlocken sollen

Jürgen Fischer, als Erich II. kostümierter Stadtführer, und Claudia Filpe, Mitarbeiterin der Touristik-Information Uslar, tragen vor dem Rathaus der Stadt Virtual-Reality-Brillen
Jürgen Fischer, als Erich II. kostümierter Stadtführer, und Claudia Filpe, Mitarbeiterin der Touristik-Information Uslar, tragen vor dem Rathaus der Stadt Virtual-Reality-Brillen. Die Stadt Uslar im Weserbergland setzt bei ihren Stadtführungen auf Virtual-Reality-Technik. (Foto: © picture alliance/dpa | Swen Pförtner)
Bei Stadtführungen können Besucher von Uslar virtuell in die Geschichte der Stadt eintauchen. Was steckt hinter der virtuellen Zeitreise und wie läuft das Abenteuer ab?
Montag, 06.10.2025, 10:01 Uhr, Autor: Sarah Hoffmann

Eine Katze streunt über die Straße, eine Frau kippt einen Eimer mit Fäkalien über dem Balkon aus, eine Gruppe Banditen kampiert vor den Stadtmauern – all diese Szene hat es einst in Uslar gegeben. Besucher der Stadt können diese Momente aus den vergangenen 500 Jahren heute noch erleben.

Dazu hat die Stadt im Solling sogenannte XR-Brillen angeschafft. Diese ermöglichen eine virtuelle Zeitreise in die Geschichte der Stadt. Doch wie kam es dazu und was möchte die Stadt damit erreichen?

Belebung der Innenstadt

„Wir wollten ein touristisches Highlight“, sagt Claudia Filpe von der Touristik-Information in Uslar. Die Stadt ist Teil der Weserbergland-Region. Ein Mittelgebirge, aber kleiner als der Harz. Mit der neuen Technik sollen neue Zielgruppen erschlossen und die Innenstadt belebt werden.

Derartige Angebote wollten Geschichte erlebbar machen und die Aufenthaltsqualität in der Innenstadt steigern, heißt es von der Bundesvereinigung City- und Stadtmarketing. In dem Bereich sei ein klarer Trend erkennbar. Wichtig sei, dass Angebote wie virtuelle Zeitreisen nicht allein stehen, sondern mit weiteren Veranstaltungen kombiniert werden. „Nur so tragen sie wirklich zur Innenstadtbelebung bei“, sagt eine Verbandssprecherin.

Startpunkt in Uslar ist immer am Alten Rathaus. Elf Stationen stehen für die in Teilen virtuelle Stadtführung zu Verfügung, aber nicht alle werden bei einem Rundgang besucht. Stadtführer Jürgen Fischer begleitet die Besucher auf der Tour. Dazu ist er als Herzog Erich II. kostümiert. Den Herzog, der im 16. Jahrhundert in Uslar regierte, treffen Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Stadtführung auch beim Blick durch die XR-Brille.

Ehemaliger Renaissance-Fürst und Hofarchitekt berichten

Erich II. wird ebenso wie der ehemalige Hofarchitekt Georg Ludwig Friedrich Laves an ausgewählten Punkten der Tour beim Blick durch die Brille in die Realität projiziert. Beim Einsatz dieser sogenannten Augmented Reality (AR) erzählt dann der Renaissance-Fürst beispielsweise von seinem Lustschloss Freudenthal, von dem heute nur noch die Grundmauern stehen. 

Der virtuelle Laves, der Uslar nach einem Feuer einst wieder mit errichtete, spricht über den Bau einer Scheune, die in der damaligen Zeit wirtschaftlich bedeutend war. Mit der Uslar-App können Besucher sich diese Szene auch ohne XR-Brille ansehen.

„Wir hätten vermutet, dass sich für das Angebot vor allem jüngere Menschen interessieren“, sagt Filpe. Die ersten Tester der Technik seien Schulklassen gewesen. „Tatsächlich interessieren sich aber auch viele ältere Menschen dafür.“ Zielgruppe seien alle ab 13 Jahren. Touren werden in der Regel für Gruppen mit bis zu fünf Teilnehmern angeboten – mehr XR-Brillen stehen bisher nicht zur Verfügung.

Heimatbund: sinnvolle Ergänzung für Wissensvermittlung

Auch der niedersächsische Heimatbund ist Fan der Technik. „Grundlegend begrüßen wir es als, wenn innovative Wege der Wissensvermittlung gefunden werden, die insbesondere jüngere Generationen ansprechen“, teilt der Verein mit. Stadtführungen mit virtuellen Elementen würden Angebote ebenso sinnvoll erweitern wie etwa Audioguides in Museen.

In Uslar können Teilnehmer der Stadtführung an einigen Stationen komplett in die Geschichte eintauchen. Die Virtual-Reality-Technik (VR) der Brille versetzt sie in das Schloss Freudenthal, wo gerade Schmiede ihrer Arbeit nachgehen und Adelige über den Innenhof flanieren. An der Stadtmauer erblickt man auf tiefer liegenden Feldern plötzlich Banditen, die die Stadt belagern, während Raben über einem kreisen. Schlicht durch die Bewegung des eigenen Kopfes kann man sich in dem 360-Grad-Video umschauen. 

„Und wenn Fragen sind – zu den Themen oder Technik – ist auch in Zukunft immer ein Stadtführer dabei“, sagt Fischer. Die Technologie sei nicht als Ersatz, sondern als Ergänzung zu den Stadtführungen zu sehen.

Ähnliche Angebote in ganz Niedersachsen

Neu ist das alles nicht. Die Uslarer haben sich von einem ähnlichen Angebot in Dresden inspirieren lassen. Auch in Niedersachsen gibt es vergleichbare Angebote. Zum Beispiel können Interessierte bestimmte Sehenswürdigkeiten in Hannover mit einer privaten VR-Brille virtuell aus der Ferne besuchen, etwa die Herrenhäuser Gärten oder den Zoo. Vor allem in der Corona-Zeit seien die Aufrufzahlen enorm gewesen, sagt ein Sprecher des Stadtmarketings.

Scannbare QR-Codes an Straßenlaternen ermöglichen zudem in Hannover AR-Einblendungen historischer Gebäude auf dem Handy. Auf dem Baumwipfelpfad Bad Iburg im Landkreis Osnabrück gibt es ein ähnliches Angebot mit Wildschwein-Rotten oder Hirschkäfern, die virtuell auf dem Handy in die Landschaft projiziert werden. Und in Osterode im Harz können sich Menschen von Oktober an in einem sanierten Haus an einer Kunstinstallation mit mehr als 500.000 Bleistiften beteiligen – real oder eben mit der Hilfe einer XR-Brille.

(dpa/SAHO)

Zurück zur Startseite

Weitere Themen

Virtual-Reality-Rundgang
Virtual Reality
Virtual Reality

Die virtuelle Reise vor dem Urlaub

Virtual Reality kann für Reiseveranstalter und Tourismusbetriebe eine Erweiterung ihres Angebots sein. Denn mit diesem Medium lassen sich Touristen besser von sich überzeugen.
Verleihung Deutscher Tourismuspreis 2025
Auszeichnung
Auszeichnung

Deutscher Tourismuspreis 2025 verliehen

Der Deutsche Tourismuspreis geht an Projekte, die völlig neue Ideen im Tourismus umsetzen und als Innovationsmotor für eine ganze Branche gesehen werden. Die diesjährige Preisverleihung fand nun im Rahmen des Deutschen Tourismustags in Saarbrücken statt. 
Venedig
Regelung
Regelung

Venedig verlangt Eintritt an noch mehr Tagen

Seit vergangenem Jahr verlangt die Lagunenstadt zu bestimmten Terminen von Kurzbesuchern Geld. Auch im kommenden Jahr sollen wieder Eintrittsgebühren für Touristen fällig werden – dann sogar an mehr Tagen als zuvor. 
Netzwerktreffen New Work
Veranstaltung
Veranstaltung

New Work im Tourismus: 3. Netzwerktreffen New Work

Was macht New Work aus und wie kann es im Tourismus umgesetzt werden? Welche Beispiele aus Best Practice gibt es und was kann man daraus mitnehmen? Wertvolle Impulse und einen anregenden Austausch zu diesen Fragen lieferte das dritte New Work Netzwerktreffen 2025 der Hochschule München.
Uber
Mobilitätspartner
Mobilitätspartner

Uber tritt dem Bundesverband der Deutschen Tourismuswirtschaft bei

Uber ist neues Mitglied im Bundesverband der Deutschen Tourismuswirtschaft (BTW). Gemeinsam will man zentrale Themen wie Verkehrs- und Infrastrukturpolitik sowie Anforderungen einer neuen Generation an moderne Mobilitätslösungen angehen und voranbringen.
Touristin in Berlin
Statistik
Statistik

Weniger Touristen besuchten im bisherigen Jahresverlauf Berlin

Bisher kamen im Jahr 2025 weniger Touristen nach Berlin als in den Jahren zuvor. Vor allem aus dem Ausland schwächelt die Nachfrage.
Wirtschaftsminister Jürgen Barke (SPD)
Entwicklung
Entwicklung

Saarland stellt seine Tourismusstrategie 2035 vor

Das Saarland will bis 2035 mehr Gäste anziehen und die Wertschöpfung der Branche steigern. Die Richtung dafür gibt eine neue Tourismusstrategie vor.
Touristin in Berlin
Statistik
Statistik

Deutschlandtourismus im September: Mehr Übernachtungen als im Vorjahr

Der Aufschwung im Deutschlandtourismus scheint anzuhalten. Auch im September verzeichneten Hotels und andere Beherbergungsbetriebe mehr Übernachtungen als im Vorjahr. Vor allem die Nachfrage aus dem Inland legte zu.
Antje Blumenbach und Stefan Ennen
Wiederbelebung
Wiederbelebung

Gegen das Innenstadtsterben: 600 Jahre altes Hotel soll Begegnungsstätte werden

Trotz vieler Touristen ist auch in Lüneburg das Innenstadtsterben groß. Diesem Trend wollen eine Unternehmerin und ein Unternehmensberater entgegenwirken – und eröffnen das 600 Jahre alte Hotel Heidkrug als kulturellen Treffpunkt neu.