Die Geschichte des Trinkgeldes

„Passt schon!“

Geldscheine auf Tisch
Auch dass Gäste den Rechnungsbetrag wie im Supermarkt auf den Cent genau abzählen kann leider vorkommen. (© fotolia.com/maho)
Trinkgeld ist in unseren Breiten eine feste Größe in der Gastronomie und kann mitunter ein ziemlich gutes Schmerzensgeld für den anstrengenden Job sein. Doch woher kommt dieser Brauch eigentlich?
Freitag, 31.05.2019, 08:57 Uhr, Autor: Clemens Kriegelstein

Es ist natürlich schön, wenn man Gäste wie den russischen Milliardär Roman Abramovich bedienen darf, der einst auf dem Münchner Oktoberfest jede Maß Bier mit einem 100-Euro-Schein bezahlt haben soll – ohne das Retourgeld einzufordern. In der Regel sind die meisten Kellner aber schon froh, wenn der fällige Betrag um fünf bis zehn Prozent aufgerundet wird. Aber wahrscheinlich hat jeder schon die Runden erlebt, die es richtig krachen lassen und dann bei einer Rechnung von 694 Euro cool sagen „700“. Und dann soll man sich noch bedanken… Umgekehrt erkennt man (ehemalige) Gastro-Mitarbeiter als Gäste oft eben daran, dass sie an ihre Kollegen denken und ein anständiges Trinkgeld liegen lassen. Aber wann und wie ist das Trinkgeld eigentlich entstanden?

Schon im Mittelalter üblich
In Deutschland wird die Bezeichnung erstmals im späten Mittelalter nachgewiesen. Adolph Freiherr von Knigge riet schon in seinem 1788 erschienenen Werk „Über den Umgang mit Menschen“, „dem Wagenmeister ein gutes Trinkgeld zu geben“. Den Ursprung des deutschen Wortes kann man darin sehen, dass der Spender das Geld mit dem Wunsch gab, man möge es auf sein Wohl vertrinken. Woher die englische Bezeichnung „tip“ kommt, ist indes ungewiss. Bezweifelt wird von Sprachwissenschaftlern die oft gehörte Erklärung, dass „tip“ die Abkürzung von „to insure promptness“ ist, da Akronyme in der englischen Sprache erst nach 1920 üblich wurden. Wahrscheinlicher stammt das Wort eher aus der Gangstersprache des 17. Jahrhunderts, wo „to tip“ etwa „geben, weitergeben, weiterleiten“ bedeutet habe.

Eine wesentliche Bedeutung im Gastgewerbe bekam das Trinkgeld jedenfalls in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts durch den allmählich einsetzenden Massentourismus. Gleichzeitig fühlten sich aber immer mehr Reisende und Lokalgäste als Opfer eines „geldgierigen“ Personals, das kaum mehr festen Lohn erhielt und daher auf die freiwilligen Gaben der Gäste angewiesen war. Prompt folgten Debatten über die moralische Bedeutung des Trinkgeldes, das eine „knechtische Gesinnung“ fördere und Kellner zu Sklaven degradiere. Um 1900 wurde sogar eine bürgerliche „Anti-Trinkgeld-Liga“ gegründet. Doch diese erwies sich als ebenso unwirksam, den inzwischen weitverbreiteten Trinkgeld-Brauch einzudämmen, wie diverse Gesetzesinitiativen bis hinein in die Weimarer Republik.

Trinkgeld ist Ländersache
Allerdings ist das Trinkgeld-Geben keine universelle Angelegenheit, sondern von Kontinent zu Kontinent, oft sogar von Land zu Land verschieden. In den meisten mitteleuropäischen Ländern fährt man mit den oben erwähnten fünf bis zehn Prozent fast immer gut. Spannenderweise hat aber just im Tourismusland Nr. 1, in Italien, das Trinkgeld außerhalb der Tourismuszonen eine relativ geringe Bedeutung. Da werden Rechnungsbeträge von Einheimischen maximal aufgerundet oder man lässt ein paar Münzen auf dem Tisch liegen und wer sich an der Bar seinen Kaffee oder sein Glas Wein selber holt und den geforderten Betrag auf den Cent genau herausgeben lässt, erntet auch nicht unbedingt eine hochgezogene Augenbraue.

In den USA wiederum sollte man als Gast schon tiefer in die Tasche greifen. 15 Prozent sind dort ungefähr das absolute Minimum, bei Zufriedenheit des Gastes werden gerne auch mal 20 oder sogar 25 Prozent tip erwartet – geschuldet einem lächerlichen Mindestlohn in der Gastronomie, der die Personalkosten fast zur Gänze an den Kunden weiterreicht und dadurch die Mitarbeiter auf Gedeih und Verderb der Zufriedenheit und Großzügigkeit der Gäste aussetzt. Das geht so weit, dass in manchen Lokalen die obligaten 15 Prozent tip schon automatisch auf die Rechnung aufgeschlagen werden und man als Gast ziemlichen Erklärungsbedarf hat, wenn man diese wieder wegstreicht.

Extrem auch in vielen Ländern des arabischen Raums, wo das „Bakschisch“ von Touristen für buchstäblich jeden Handgriff erwartet wird.

In Fernost eine Beleidigung
Das genaue Gegenteil findet man dafür in Ostasien, etwa in Japan oder China, wo Trinkgeld keinerlei Tradition hat und im schlimmsten Fall sogar als Beleidigung angesehen wird. Sein Bestes für den Kunden zu geben wird schließlich als Selbstverständlichkeit betrachtet. Doch der internationale Fremdenverkehr hat selbst dort schon seine Spuren hinterlassen und zumindest in touristisch erschlossenen Regionen oder internationalen Hotels wird Trinkgeld inzwischen auch in Fernost schon gerne gesehen.

Zurück zur Startseite

Weitere Themen

Frank Rosin
Promis
Promis

Frank Rosin startet Rettungsmission für Gastronomen

2-Sternekoch Frank Rosin hat ein neues TV-Format ins Leben gerufen, um mit individuell abgestimmten Maßnahmen die Umsätze der Lokale wieder ankurbeln.
Skirennläufer am Start
Ski-WM der Gastronomie
Ski-WM der Gastronomie

Wer ist der schnellste Gastronom auf Skiern?

Bei der 12. Ski-WM der Gastronomie am 22. und 23. April 2020 in Ischgl machen Köche, Kellner & Co. im Riesenslalom Jagd auf den Weltmeistertitel. Anmeldungen sind ab sofort möglich.
Blumen im Vordergrund, Biergarten im Hintergrund
Statistik
Statistik

Bayerns Wirte machen weniger Umsatz

Bayerns Gastronomie steckt in einer Flaute – vor allem Restaurants und Cafés verzeichnen sinkende Umsätze. Hotels und Campingplätze hingegen profitieren und sorgen dafür, dass das Gastgewerbe insgesamt glimpflicher davonkommt.
Mann sitzt vor Laptop und Tablet. Zeigt mit Finger auf Sicherheits-Symbol.
IT-Sicherheit
IT-Sicherheit

Cybersicherheit im Gastgewerbe

Cyberangriffe sind längst nicht mehr nur ein Problem für Konzerne. Auch Hotels und Gastronomiebetriebe stehen im Visier von Hackern – oft ohne es zu merken. Wer seine Gäste und sich selbst schützen will, sollte handeln. So gelingt’s.
Silvester am Brandenburger Tor
Kritik
Kritik

Silvesterparty am Brandenburger Tor abgesagt – Dehoga warnt

Das Brandenburger Tor in Berlin ist seit vielen Jahren Kulisse für die angeblich größte Silvester-Party Deutschlands. Doch dieses Jahr ist alles anders. Warnungen kommen aus dem Gastgewerbe. 
Tische mit Stühlen im Regen
Dehoga
Dehoga

Regenwetter hat das Gastro-Geschäft beeinträchtigt

Sommer, Sonne, Sonnenschein? In diesem Jahr war das Wetter in den Sommermonaten eher unbeständig und regnerisch. Das bekommt auch das Gastgewerbe zu spüren – denn nicht nur in den Biergärten bleiben die Gäste aus.
Gruppenfoto vom Zusammentreffen beim Workshop mit Branchenvertretern und der Bayerischen Staatsregierung unter dem Namen Praxischeck im Herbst 2024
Handlungsempfehlungen
Handlungsempfehlungen

Bürokratieabbau im Gastgewerbe

Bürokratie kostet vor allem im Mittelstand Zeit, Geld und Nerven. Aus diesem Grund hat das Bundeswirtschaftsministerium nun konkrete Handlungsempfehlungen zum Bürokratieabbau im Gastgewerbe veröffentlicht – als Ergebnis eines Workshops mit Branchenvertreten.
Kellner beim Abkassieren
Umsatzzahlen
Umsatzzahlen

Umsatz im Gastgewerbe schwächelt wieder

Nach einem kurzen Zwischenhoch zu Ostern hat sich die Lage im deutschen Gastgewerbe schon wieder eingetrübt. In Hotels und Gaststätten läuft das Geschäft nicht rund. Die Menschen halten sich offensichtlich zurück.
Frau vervollständigt ihre Bewerbungsunterlagen
Ratgeber
Ratgeber

Bewerbung schreiben lassen: Professionelle Unterstützung für den Karrieresprung in der Hotellerie

Der Einstieg in eine erfolgreiche Karriere in Hotellerie und Gastronomie beginnt mit einer überzeugenden Bewerbung. Gut formulierte Unterlagen können dabei den entscheidenden Unterschied machen. Lohnt es sich daher, eine Bewerbung professionell anfertigen zu lassen?