Mitarbeiterführung 4.0

„Eine gute Führungskraft setzt auf Komplementärdenken“

Eine Frau sitzt vor einem Apple-Laptop und spricht
Aggi Heinz berät Führungskräfte und Managementteams in Veränderungsprozessen. (Foto: ©Aggi Heinz)
Aggi Heinz berät Führungskräfte in Veränderungsprozessen. Mit uns hat sie darüber gesprochen, was bei New Work oft missverstanden wird und warum Leadership heute so wichtig ist und gibt Experten-Tipps.  
Freitag, 10.01.2020, 09:14 Uhr, Autor: Kristina Presser

Unsere Arbeitswelt verändert sich, wird kurzlebiger und immer komplexer. Das Bild von der Führungskraft als klassischer Manager, der als Entscheider, Anweiser und Kontrolleur agiert, reicht da nicht mehr aus. Ein neues Führungsverständnis und kooperative Führungsstile sind gefragt, die sich auf zwischenmenschliches Handeln und Mitarbeiterbedürfnisse fokussieren, Werte und Visionen vermitteln und Menschen entwickeln. Es geht um echte Leadership. Was genau diese auszeichnet, darüber haben wir mit Aggi Heinz, selbstständige Beraterin und Coach für Führungskräfte und Managementteams in Veränderungsprozessen, gesprochen.

Frau Heinz, beschäftigt man sich mit dem Thema Arbeit 4.0., stellt man unter anderem fest, dass aktuell vielfach Weiterbildungsprogramme für Führungskräfte zur richtigen Mitarbeiterführung angeboten werden. Das zeigt, die Nachfrage nach Schulungen und Unterstützung für Führungskräfte ist groß. Warum?
Momentan gibt es viele modische Begriffe wie „Arbeit 4.0“ und „Agiles Arbeiten“, was verwirrend sein kann. Auch „New Work“, unter dem Viele hauptsächlich Homeoffice und Co-Working-Spaces verstehen. Es ist aber doch wesentlich mehr. Denn wenn Sie nur die Bürokultur verändern und die Leute woanders hinsetzen, werden das Arbeiten und die Strukturen dadurch nicht anders. Dann ist New Work nur alter Wein in neuen Schläuchen. Es braucht aber auch generell eine kritische Auseinandersetzung damit, ob New Work zur eigenen Organisation und Kultur passt.  Ich kann verstehen, dass sich Führungskräfte da ein bisschen hilflos fühlen.

Was genau versteht man also unter New Work?
New Work ist ein Konzept, Menschen zu befähigen selbstständiger und flexibler zu arbeiten. Führungskräfte müssen ihre Mitarbeiter dahingehend unterstützen, dass sie selbst an sich glauben, sich Dinge zutrauen und auch Lust darauf haben. Dann können sie ihnen mehr Informationen, mehr Wissen geben und sie an Entscheidungen beteiligen, weil klar ist, dass man im Team die besseren Ergebnisse erzielt. Hier kommt auch das Thema Selbstorganisation im Team ins Spiel. Um das alles zu gewährleisten, ist Führung trotzdem noch lange nicht überflüssig, denn Führungskräfte müssen ein auf Vertrauen basiertes Arbeitsklima schaffen. Das sind echte Konzepte von New Work, wozu man aber bereit sein muss, denn sie verändern auch die eigene Rolle. Allerdings gibt es den Ansatz, Mitarbeiter zum selbstverantwortlichen Arbeiten zu befähigen („Empowering Leadership“) schon lange. Durch die Digitalisierung verändert sich aber die Arbeitswelt immer schneller und daher bekommt das Modell momentan eine gewisse Dynamik und wird relevanter.

Sind Führungskräfte heute mit größeren Herausforderungen konfrontiert als früher?
Mit größeren kann ich nicht sagen, aber mit anderen. Mitarbeiter fordern ihre Wünsche und Anliegen heute viel deutlicher und klarer. Früher waren Konzepte stärker verbreitet, die auf eine autoritäre Führung ausgelegt waren („Command&Control“-Führungsstil) und soziale Tugenden standen nicht so stark im Fokus. Aber das hat nie gut funktioniert und wandelt sich inzwischen. Gute Führungskräfte sind aber schon immer auf ihre Mitarbeiter eingegangen. Es hat immer einzelne Führungskräfte gegeben, die es besser gemacht haben und andere Werte in ihrer Führung gelebt haben. Daher meine ich, dass Arbeitsmodelle wie New Work, richtig verstanden nicht ganz neu sind.

Hängt das derzeit sehr präsente New-Work-Konzept auch ein Stück weit mit veränderten Vorstellungen der Arbeitnehmer der Generation Y und Z zusammen?
Ich glaube nicht, dass die Genration Y, oder die Digital Natives, komplett andere Werte und Vorstellungen haben, als eine ältere Generation, aus der heute viele Führungskräfte stammen. Die hat es immer gegeben. Aber es war nie so selbstverständlich, Wünsche auszusprechen und Forderungen zu stellen. Das hängt vielleicht auch mit einem veränderten Karrierebegriff zusammen, da man sich früher stärker anpassen musste, um nach oben zu kommen. Heute ist das nicht mehr unbedingt so. Auch die heute laute Forderung nach mehr Feedback – das ist keine neue Erkenntnis. Die Tatsache, dass man Feedback braucht und, dass man als Führungskraft Feedback geben sollte, ist uralt. Aber die jungen Generationen entdecken das gerade und das ist ja auch gut. Überhaupt wird aktuell viel Sinnvolles gefordert, was sich sicherlich auch ältere Mitarbeiter wünschen würden.

Neben dem Wunsch nach einer konstruktiven Feedbackkultur hört und liest man auch oft von dem nach mehr Kommunikation.
Es gibt einen wichtigen Grund, warum Kommunikation heute wichtiger ist als früher. Die besten Teams sind alters- und geschlechtsdivers. Aber das macht mehr Arbeit. Denn viele Dinge sind nicht mehr so selbstverständlich. Wenn ich nur Leute einstelle, die so sind wie ich selbst, dann verstehe ich mich zum Teil blind. Wenn ich aber jemanden einstelle, der einen ganz anderen Blick auf die Welt hat als ich, dann muss ich mich deutlicher verständlich machen. Und das bedeutet mehr Austausch und Verständigung untereinander.

Vielen stellen doch aber intuitiv Mitarbeiter ein, die einem ähneln.
Ja, aber das ist ein Fehler. Eine gute Führungskraft setzt auf Komplementärdenken. Das heißt, sie sucht sich gezielt Mitglieder für ihr Team, die andere Kompetenzen und Qualitäten haben, welche ihr selbst womöglich fehlen. Frei nach dem Motto: Ich muss nicht alles können.

Damit geht ein Stück weit Machtverlust einher. Folglich dürften zu diesem Komplementärdenken doch relativ wenige Führungskräfte bereit sein, oder?
Es geht nicht darum zu sagen, dass der neue Mitarbeiter insgesamt erfahrener ist, oder er der neue Chef sein sollte. Früher war die Führungskraft jemand unfehlbares, die alles konnte, alles wusste, alles erledigte. Von einem Manager hat man immer erwartet, dass er Probleme löst. Er hat keine Fragen und verspürt keine Unsicherheiten. Dieser Blick hat sich gewandelt. Heute sind zunehmend Führungskräfte mit Leadership-Qualitäten gefragt, die zugeben können, wenn sie auch mal unsicher sind oder etwas nicht wissen und dann zu ihren Mitarbeitern sagen, „Lasst uns doch mal gemeinsam drüber schauen, ich brauche euch“. Das heißt aber nicht, dass „klassisches“ Management nicht wichtig ist. Es geht dabei nicht um entweder/oder. Beides ist notwendig in einem Unternehmen. Gerade in unserer schnelllebigen, immer komplexer werdenden Arbeitswelt kann Wissen eigentlich nur noch im Team liegen. Daher setzen sich Führungskräfte stark und unnötig unter Druck, wenn sie denken, noch immer alles wissen und kontrollieren zu müssen. Das ist heute kaum noch möglich.

Erleben Sie bei Ihren Kunden, dass es eine Art von Generationskonflikt gibt? Dass sie sagen, was die junge Generation von mir fordert, das kann ich nicht leisten.
Ich merke schon, dass bei älteren Führungskräften das Selbstbild und die Kompetenzeinschätzung dahin geht „ich muss alles können“. Aber ich habe es noch nicht erlebt, dass das jemand vollständig an der Generationenfrage festmacht. Erst neulich habe ich eine interessante Studie gelesen, die besagt, es gibt in der jüngeren Generation (Gen Y) zwei große Gruppe: Die einen, die sich sehr viel Selbstverwirklichung und Selbstbestimmung bei ihrer Karriereentwicklung wünschen. Und andere, die ein großes Bedürfnis nach Sicherheit haben, sich vorgezeichnete Wege wünschen, auch im Unternehmen. Wenn man das stereotyp betrachtet, dann sind letztere Bedürfnisse ja eher altmodisch. Die gibt es in der jungen Generation aber genauso. Und deswegen würde ich Führungskräften immer den Rat geben: Weg von den Stereotypen. Es gibt keine Jugend, die nur noch flexibel sein will und keine Sicherheit mehr braucht. Und es gibt auch nicht nur ältere Führungskräfte, die geistig verknöchert sind und ein Führungsbild von vorgestern haben.

Welche weiteren Tipps haben Sie für Führungskräfte, die vor Herausforderungen eines Führungswandels stehen?
Ich glaube, einer erfahrenen Führungskraft ist wichtig zu sagen: Du musst nicht alles über Bord werfen! Grundsätzlich ist Selbstreflexion wichtig, zu überlegen, was gute Führung für einen selbst bedeutet. Das ist naheliegend und fast schon banal, aber viele fragen sich das gar nicht. Außerdem muss man natürlich wissen, was seine Mitarbeiter wollen – und dazu gehört auch das Thema Feedback. Meiner Erfahrung als Coach nach, können das immer noch nur Wenige. Kenne also deine Mitarbeiter. Wisse, was sie möchten, wie sie sich entfalten wollen – und wie man dabei unterstützen kann. Das hängt natürlich auch immer ein Stück weit von der Teamgröße ab. Aber es ist auf alle Fälle eine Anforderung, konstruktives Feedback geben zu können, sagen zu können, was seine Mitarbeiter gut machen, wo ihre Stärken liegen und wo noch Entwicklungspotenziale liegen. Nicht von oben herab, sondern im gemeinsamen Austausch. Das setzt voraus, dass Führungskräfte generell eine Offenheit und ein Interesse an Menschen haben müssen. Und den Willen, sich damit auseinanderzusetzen. Dieses Skills Set muss man mitbringen. Daher sollte man sich fragen, ob man das tatsächlich will. Und besonders wichtig: Personal einstellen, das unterschiedlichste Kompetenzen mitbringt, anders ist und denkt als man selbst.

Vielen Dank für das Gespräch.

Mehr über Aggi Heinz unter: www.aggiheinz.de

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