Umsatzsteuer-Kampagne

„7 Prozent Mehrwertsteuer wären möglich gewesen“

Dr. Marcel Klinge
Denkfabrik-Vorstand Dr. Marcel Klinge (Foto: © DZG)
Die Beibehaltung der 7-Prozent-Mehrwertsteuer wäre auch kurzfristig noch möglich gewesen – so lautet zumindest das Ergebnis einer neuen Analyse der Denkfabrik Zukunft der Gastwelt (DZG). Die DZG sieht vor allem deutliche Schwachstellen in der Umsatzsteuer-Kampagne des vergangenen Jahres. Was sollte beim nächsten Mal besser laufen?
Donnerstag, 01.02.2024, 10:12 Uhr, Autor: Sarah Kleinen

Das Auslaufen der Umsatzsteuerreduzierung auf Speisen hat der Gastronomie zu Jahresbeginn einen weiteren Schlag versetzt. Dabei hätte die Erhöhung auf 19 Prozent kurzfristig noch abgewendet werden können – so lautet zumindest das Ergebnis einer neuen Analyse der Denkfabrik Zukunft der Gastwelt (DZG). 

Hintergrund ist, dass der Bund das Haushaltsjahr 2023 mit einem Plus von 6,3 Milliarden abgeschlossen hat und dieser Betrag den Haushaltsausschuss am 18. Januar 2024 außerplanmäßig zur Verfügung stand.

„Damit wären sieben Prozent auf Speisen auch in diesem Jahr möglich gewesen – und das trotz jüngstem Verfassungsgerichtsurteil. Leider hat die ‚Krawall’-Kommunikation aus einigen Branchenteilen im Dezember und Januar gegenüber der Ampel weiteres Porzellan verschlagen, sodass wir wieder nicht zum Zug kamen“, erklärt DZG-Vorstandssprecher Dr. Marcel Klinge. 

„Wir müssen die eigenen Aktivitäten kritisch reflektieren und aus Fehlern lernen“

Für die künftige Lobbyarbeit sieht der ehemalige Bundestagsabgeordnete Verbesserungsbedarf bei Strategie, Mobilisierung und Tonalität: „Auch wenn es zunächst so aussieht, als hätte die Gastronomie am Ende einfach Pech gehabt, kommen auf den zweiten Blick eigene Fehler und spätes Handeln zum Vorschein, die einen Erfolg unnötig schwer gemacht haben.“

Vor dem Hintergrund, dass der Steuersatz auf Speisen Anfang 2024 wieder auf 19 Prozent anstieg, hat die Denkfabrik die Umsatzsteuerkampagne des vergangenen Jahres umfassend evaluiert und eine Reihe von Handlungsempfehlungen und Verbesserungsvorschlägen ausgearbeitet.

„Wenn der Hospitality schmerzhaft einige Milliarden Euro verloren gehen, sollten wir nicht einfach zur Tagesordnung übergehen, sondern müssen – wie in jedem Unternehmen – die eigenen Aktivitäten kritisch reflektieren und aus Fehlern lernen. Denn eines steht fest: Landwirte und Lufthansa haben in den vergangenen Wochen bewiesen, dass sie (mit unterschiedlichen Strategien) kurzfristig finanzrelevante Lobbyerfolge erzielen konnten, während die Gastronomie mal wieder mit leeren Händen dasteht“, sagt Klinge.

Ungünstige Ausgangsbedingungen für „Dauerentfristung“

In einem ersten Analyseschritt haben sich die DZG-Experten die Ausgangslage der Kampagne genauer angeschaut und kommen mit Blick auf den politischen und haushälterischen Gesamtrahmen zu dem Schluss, dass das Ziel, die Umsatzsteuer auf Speisen von einer temporären Krisenhilfe in eine dauerhafte Unterstützung der Gastronomie zu überführen, von Beginn an schwer zu erreichen war.

„Aus heutiger Sicht beziffern wir die Chancen, dieses Anliegen erfolgreich umzusetzen, auf unter zehn Prozent. Das heißt, dass es im vergangenen Jahr de facto kein realistisches Szenario gab, eine dauerhafte Reduzierung umzusetzen, solange die Ampel-Parteien das Thema intern nicht höher priorisieren. Warum haben wir dann aber alles auf diese eine Karte gesetzt?“, fragt der Denkfabrik-Sprecher.

Der immer wieder „leise“ diskutierte Alternativvorschlag, zehn Prozent auf alle Speisen, hätte aus DZG-Sicht ab Sommer 2023 eine neue positive Dynamik entfachen und der Ampel branchenseitig ein konstruktives Entgegenkommen signalisieren können. „‚Alles-oder-Nichts-Strategien sind in der Politik selten eine gute Idee. Außerdem liegt der – gerne angeführte – Umsatzsteuersatz auf Speisen in der EU bei über elf Prozent im Schnitt. Da auch Politiker rechnen können und diese Daten bekannt waren, hat uns die Maximalforderung von dauerhaft sieben Prozent argumentativ immer wieder in die Defensive gebracht“, erläutert Dr. Marcel Klinge.

Zu schwache Mobilisierung auf Bundesebene

Laut Analyse kränkelte die Umsatzsteuer-Kampagne auch an einer schlechten Mobilisierung auf Bundesebene. „Positiv war, dass insbesondere die Dehoga-Landesverbände kontinuierlichen Druck auf die Abgeordneten in den jeweiligen Wahlkreisen ausgeübt und damit ein grundsätzliches Verständnis und weitgehende Zustimmung für eine mögliche Verlängerung der Umsatzsteuer-Reduzierung erreicht haben", sagt Dr. Marcel Klinge.

Weiter bilanziert er: "Auch gelang es, viele Städte und Kommunen sowie einige Landesregierungen für unser Thema zu aktivieren. Im politischen Berlin und in den sozialen Medien gelang das hingegen nur unzureichend. Wenn zu wichtigen Demonstrationen gerade einmal 150 Menschen kommen, sollte uns das alle zum Nachdenken bringen.“ 

Erschwerend war es offenbar nicht möglich, frühzeitig ein breites Bündnis der im Lobbyregister registrierten 82 Gastwelt-Organisationen und 29 Gastwelt-Unternehmen zu schmieden. Eine solche „Koalition“ sei aber zwingend notwendig, um ausreichend politischen Handlungsdruck im Bund zu erzeugen, betonen die Autoren des Papiers.

Nächste Chance auf Umsetzung in 2026

Wie geht es nun weiter? Klinge formuliert es so: „Der nächste realistische Anlauf, Mehrheiten für eine (dauerhafte) Umsatzsteuersenkung auf Speisen zu erhalten, ist aus unserer Sicht Januar 2026, also nach der nächsten regulären Bundestagswahl. Dazu ist es notwendig, nun ausreichend finanzielle wie organisatorische Ressourcen in einer eigenständigen Kampagnenorganisation zu bündeln und dieses Projekt im zweiten Quartal 2024 zu starten. In einem ersten Schritt müssen wir gezielt daran arbeiten, das Umsatzsteuer-Thema endlich in die Wahlprogramme von CDU/CSU, SPD und FDP zu bringen.“

Der Politikexperte plädiert außerdem für einen anderen Umgangston: „Mit der jüngsten Krawall-Kommunikation erreichen wir nichts, auch wenn es manchmal schwierig fällt, ruhig zu bleiben. Die Regierung ist nicht unser Gegner, sondern ein Verbündeter, den wir überzeugen und von unseren Anliegen begeistern müssen. Die Gastronomie braucht für 2026 daher jetzt einen neuen Plan, den Schulterschluss aller relevanten Akteure auf Augenhöhe und modernere Kampagnenstrukturen“, betont Klinge.

Die Evaluierung der Umsatzsteuerkampagne 2023 (PDF-Datei) erhält man kostenfrei über einen Online-Download.

(Denkfabrik Zukunft der Gastwelt/SAKL)

Zurück zur Startseite

Weitere Themen

Schweriner Landtag
Landtag in Schwerin
Landtag in Schwerin

Hitzige Debatte um Mehrwertsteuer in der Gastronomie

Zum Abschluss seiner dreitägigen Plenarsitzung hat der Landtag in Schwerin ein für das Gastgewerbe wichtiges Thema aufgerufen. Entfacht ist eine emotionsgeladene Debatte um die Anhebung der Mehrwertsteuer in der Gastronomie auf 19 Prozent.
Bundesrat am 29. September 2023
Umsatzsteuer
Umsatzsteuer

Mehrwertsteuer in der Gastronomie: Bundesländer sind sich uneinig

Die Debatte um den ermäßigten Mehrwertsteuersatz in der Gastronomie nimmt weiter Fahrt auf. Am Freitag war eine mögliche erneute Verlängerung Thema im Bundesrat. Unter den Bundesländern herrscht jedoch Uneinigkeit über den weiteren Kurs. 
Bundestag
Umsatzsteuer
Umsatzsteuer

CDU-Antrag für dauerhaft reduzierte Mehrwertsteuer abgelehnt

Bald wieder 19 Prozent auf Speisen in der Gastronomie? Im Bundestag spitzt sich die Debatte um die reduzierte Mehrwertsteuer zu. Ein Antrag zur Entfristung der Steuervergünstigungen der CDU/CSU-Fraktion wurde nun abgelehnt. 
Barbara Klepsch
Umsatzsteuer
Umsatzsteuer

Barbara Klepsch hält 7-Prozent-Mehrwertsteuer für Sachsens Tourismus entscheidend

Sachsens Tourismus ist derzeit im Aufschwung. Trotzdem stellen Energiekrise und Inflation die Branche weiterhin vor Herausforderungen. Tourismusministerin Barbara Klepsch unterstreicht daher die Bedeutung des reduzierten Mehrwertsteuersatzes in der Gastronomie für Sachsens florierenden Tourismus. 
Norbert Kunz
Forderung
Forderung

Deutscher Tourismusverband fordert dauerhaft gesenkte Mehrwertsteuer

Für die Gastronomie ist es eindeutig: Die 7-Prozent-Mehrwertsteuer muss bleiben! Viele Branchenvertreter haben sich dafür bereits ausgesprochen. Nun fordert auch der Deutsche Tourismusverband von den Abgeordneten des Bundestages, sich für eine dauerhafte Absenkung der Mehrwertsteuer in der Gastronomie stark zu machen.
Lydia Hüskens
Umsatzsteuer
Umsatzsteuer

Lydia Hüskens äußert Bedenken über Rückkehr zum regulären Mehrwertsteuersatz

Die Forderung nach einer dauerhaften Beibehaltung der ermäßigten Mehrwertsteuer in der Gastronomie wird immer lauter. Nun hat sich FDP-Landesvorsitzende Lydia Hüskens für eine Verlängerung des reduzierten Mehrwertsteuersatzes ausgesprochen.
Bundeskanzler Olaf Scholz
Umsatzsteuer
Umsatzsteuer

Scholz kündigt Entscheidung über Mehrwertsteuer in der Gastro zum Jahresende an

Eine Rückkehr zu 19-Prozent-Mehrwertsteuer könnte für die Gastronomie fatale Folgen haben. Ob der reduzierte Mehrwertsteuersatz aber beibehalten wird oder nicht, darüber soll erst am Jahresende entschieden werden. 
Lukas Kilian
Umsatzsteuer
Umsatzsteuer

CDU-Landtagsfraktion für weiterhin reduzierte Mehrwertsteuer

Die CDU-Landtagsfraktion Schleswig-Holstein will die auf sieben Prozent reduzierte Mehrwertsteuer auf Speisen in der Gastronomie beibehalten. Das fordert sie von der Bundesregierung. 
Lena Werner
Forderung
Forderung

SPD fordert dauerhafte Beibehaltung der reduzierten Mehrwertsteuer

Der Verzehr von Speisen in Restaurants soll dauerhaft mit dem ermäßigten Umsatzsteuersatz von sieben Prozent besteuert werden. Das fordert die Arbeitsgruppe Tourismus der SPD-Bundestagsfraktion und spricht deutliche Worte.