Interview: 7 statt 19 %

„Die Folgen einer Rückkehr zu 19 % MwSt. würden uns alle hart treffen“

Jochen Kramer
Jochen Kramer, Geschäftsleitung Salomon FoodWorld, ruft jeden einzelnen Akteur unserer Branche auf, offensiv auch bei den eigenen Gästen und den Politikern der Region für die Beibehaltung der 7-%-Mehrwertsteuer zu kämpfen. (Foto: © TIMO RAAB)
Es ist fünf vor zwölf beim Thema Mehrwertsteuer – bald wird die Entscheidung fallen, ob zum Jahreswechsel der Steuersatz wieder auf 19 % angehoben wird. Jochen Kramer, Geschäftsleitung Salomon FoodWorld, analysiert im Gespräch mit HOGAPAGE, welche Folgen das für die Branche sowie unsere gesamte Gesellschaft hätte.
Freitag, 25.08.2023, 12:10 Uhr, Autor: Daniela Müller

Herr Kramer, das Thema Mehrwertsteuer bereitet unserer Branche gerade große Sorge. Was befürchten Sie, wird passieren, sollte die Politik beschließen, wieder zur alten 19-%-Besteuerung zurückzukehren?

Die möglichen Auswirkungen einer Rückkehr zum alten Mehrwertsteuersatz von 19 % auf die Gastronomiebranche sind tatsächlich besorgniserregend. Es drohen eine ganze Reihe von negativen Effekten.

Zunächst einmal wird die wieder erhöhte Mehrwertsteuer vermutlich die Konsumenten veranlassen, ihre Ausgaben noch genauer zu überdenken, als sie dies ohnehin bereits tun. Viele Menschen würden vermutlich ihre Konsumgewohnheiten ändern – was man in drei Bereiche unterteilen kann:

  1. Es könnte zu einem wenig wünschenswerten „Down Trading“ führen – also Kunden von teureren zu günstigeren Optionen wechseln lassen. Beispielsweise könnten sie statt ins Restaurant zu gehen, preiswertere Imbiss-Alternativen wählen, um ihre Ausgaben zu reduzieren. Diese Abwärtsbewegung im Konsumverhalten würde sich wahrscheinlich in der Folge auf die gesamte Wertschöpfungskette ausbreiten.

  2. Restaurants und Cafés müssten sich natürlich auf einen Rückgang der Besuchs-Frequenz ihrer Gäste einstellen, da die Kunden seltener ausgehen würden, um Geld zu sparen.

  3. Außerdem wäre wohl mit Auswirkungen auf den durchschnittlichen Umsatz pro Besuch zu rechnen, da die Gäste wahrscheinlich ihre Ausgaben reduzieren würden. Dies könnte bedeuten, dass sie auf zusätzliche Bestellungen wie Vorspeisen, Desserts oder Getränke verzichten, um Kosten zu sparen.

Das alles klingt dramatisch – und zeigt, dass am Ende nicht nur der Gastronom, sondern auch der Gast unter einer Rückkehr zum alten Mehrwertsteuersatz leiden würde. Viele Gastronomen befürchten eine Bedrohung ihrer Existenz. Zurecht?

Man muss verstehen, dass sich die Gastronomiebranche ohnehin noch nicht vollständig von den Auswirkungen der Corona-Krise, der Energiekrise und den immensen Preissteigerungen im Lebensmittelbereich erholt hat. Die anhaltende Unsicherheit und die noch immer geringere Besucherzahl, verglichen mit der Zeit vor der Krise, setzen die Gastronomen einem erheblichen Druck aus. Trotz einer gewissen Preis- und damit Umsatzsteigerung, ohne die es in Zeiten der Inflation überhaupt nicht möglich gewesen wäre, wirtschaftlich rentabel zu arbeiten, sind die Gewinnmargen in der Gastronomie immer noch niedriger als das vor Corona der Fall war!

Zusammengefasst kann man sagen: Die Summe der oben aufgezählten Effekte – das Down Trading, die Reduzierung der Besuchsfrequenz der Gäste und der durchschnittlichen Ausgaben pro Besuch – würde sich vermutlich zu einem sehr negativen Szenario für die Gastronomiebranche insgesamt summieren. Die Gastronomen würden zwangsläufig mit höheren Fixkosten konfrontiert sein, während ihre Einnahmen und Margen unter Druck geraten.

Denken Sie, dass Otto Normalbürger diese Folgen überhaupt absehen kann? Man hat ja oft den Eindruck, dass man es den Gastronomen nicht gönnt, dieses „Goodie“ der reduzierten Mehrwertsteuer noch länger zu behalten? 

Das ist sicher ein großes Problem – und genau deshalb ist es gerade jetzt so eine wichtige Aufgabe für die Gastronomen, ihren Gästen die weitreichenden Folgen einer Änderung der Mehrwertsteuer für die gesamte Gesellschaft – also auch für die Gäste selbst – verständlich zu machen.

Aufklärung ist dringend notwendig, insbesondere, um dem Vorurteil entgegenzuwirken, Gastronomen würden sich aus Gier bereichern, anstatt die Kostenersparnis durch die aktuell auf 7 % gesenkte Mehrwertsteuer an die Gäste weiterzugeben. Fakt dabei ist aber: Gastronomen handeln nicht aus Gier, sondern vielmehr aus der Notwendigkeit, trotz gestiegener Personal-, Energie- und Lebensmittelkosten wirtschaftlich zu überleben.

Wir müssen hier mal klar und deutlich aussprechen: Die Senkung des Mehrwertsteuersatzes war ja niemals dafür gedacht, sie dem Gast weiterzugeben. Sie war aus Wettbewerbsgründen längst fällig und wurde nun in der Corona-Zeit als Unterstützung für unsere krisengebeutelte Branche endlich (temporär) eingeführt.

Erst wenn das bei den Gästen ankommt, wird die Stimmung in der Bevölkerung zugunsten der Beibehaltung des gesenkten Mehrwertsteuersatzes umschlagen. Und erst dann werden immer mehr Politiker die Sache unterstützen. Es gibt also noch wirklich viel zu tun – für jeden einzelnen Gastronomen!

Die Politik wird die Beibehaltung der 7 % auf Speisen nicht beschließen, solange in der Bevölkerung keine Stimmung dafür herrscht. Gastronomen haben eine riesige Reichweite und könnten viele Menschen erreichen. Wenn man mit seinen Gästen ins Gespräch kommt, muss man die richtigen Gründe und Argumente parat haben. Wie kann man diese komplexe Thematik einfach erklären?

Es gibt eine ganze Reihe guter Gründe: Einer der wichtigsten ist sicher, dass die Beibehaltung der 7-%-Mehrwertsteuer auf Speisen einen entscheidenden Beitrag zur Erhaltung der vielfältigen gastronomischen und kulinarischen Landschaft unseres Landes leistet.

Restaurants, Cafés, Bistros und Bars sind nicht nur kulinarische Orte, sondern „öffentliche Wohnzimmer“ der Gesellschaft. Sie bieten Menschen die Möglichkeit zur Kommunikation und schaffen eine Auszeit vom Alltag. Während der neunmonatigen Lockdown-Phase wurde schmerzlich deutlich, wie sehr wir diese Betriebe vermissen und wie stark sie in unserem Leben verankert sind. Sie tragen zur Lebensqualität bei und steigern die Attraktivität von Städten und ländlichen Gebieten. 

Die 7-%-Mehrwertsteuer stärkt zudem die Wettbewerbsfähigkeit der heimischen Gastronomie. In einer Zeit, in der der Lebensmitteleinzelhandel und Supermärkte ihr „To-go“-Angebot ausbauen und damit direkt mit der traditionellen Gastronomie konkurrieren, ist ein fairer Wettbewerb von großer Bedeutung. Es wäre weder konsequent noch fair, frisch zubereitetes Essen in Restaurants ab dem 1. Januar 2023 wieder mit 19 % zu besteuern, während für Mitnahme- oder Lieferessen weiterhin nur 7 % Mehrwertsteuer gelten.

Last not least: Die dauerhafte Anwendung des Mehrwertsteuersatzes von 7 % spiegelt die Wertschätzung wider, die die Gastronomie in den meisten EU-Ländern erfährt. In 22 EU-Staaten wird steuerlich kein Unterschied gemacht zwischen Essen im Supermarkt, Essen zum Mitnehmen, Imbissverpflegung und Restaurantessen. Die Angleichung würde also auch hierzulande eine faire Behandlung sicherstellen und die Branche unterstützen. 

Tatsächlich würde eine Rückkehr zu 19 % Mehrwertsteuer auf Speisen ja nicht nur die Gastronomie treffen, auch die Schulverpflegung und die Betriebsgastronomie würden in arge Bedrängnis gebracht und müssten wohl ihre Preise erhöhen – oder die Qualität verschlechtern. Beides hätte unschöne Folgen für viele Menschen. 

Ja, jeder muss begreifen, dass die Auswirkungen der Mehrwertsteuererhöhung nicht nur die Gastronomen betreffen, sondern unsere gesamte Gesellschaft – auch die kleinsten Gäste in den Kitas und Schulen! Das kann doch kein Politiker ernsthaft wollen? Höhere Preise würden unweigerlich dazu führen, dass weniger Menschen sich das Essen außer Haus noch leisten können – sowohl in der Gastronomie aber genauso in der Gemeinschaftsverpflegung.

Nun ist bereits August – und im Oktober soll eine Entscheidung getroffen sein. Man munkelt, es sieht nicht gut aus. Welche Möglichkeiten hat nun jeder einzelne Gastronom, sich für die Beibehaltung der 7-%-MwSt. einzusetzen? Haben Sie Ideen?

Eine offene und transparente Kommunikation mit den Gästen ist hier von entscheidender Bedeutung. Neben direkten Gesprächen, empfehle ich die ganze Situation aus der Sicht des Gastronomen zu erklären, darzulegen, dass Preisanpassungen notwendig sind, um gestiegene Betriebskosten zu bewältigen – und nicht um den eigenen Gewinn zu maximieren. Die Gäste müssen nachvollziehen können, dass es um die Sicherung des Betriebs und der Arbeitsplätze geht. 

Ob auf der Speisekarte, im Restaurant oder durch Posts in den Sozialen Medien, in denen auch die regionalen Politiker vertreten sind – vieles ist möglich. Und natürlich ist es sinnvoll, auch die zahlreichen Petitionen zu unterstützen, die bereits gestartet wurden. 

Beispiele für gestartete Petitionen zum Thema:

Dehoga: Keine Steuererhöhung: 7% Mehrwertsteuer auf Speisen in der Gastronomie müssen bleiben!
https://www.openpetition.de/petition/online/keine-steuererhoehung-7-mehrwertsteuer-auf-speisen-in-der-gastronomie-muessen-bleiben

Jeunes Restaurateurs: Gemeinsam für den Erhalt der Gastronomie: Stoppt die Mehrwertsteuererhöhung!
https://www.openpetition.de/petition/online/gemeinsam-fuer-den-erhalt-der-gastronomie-stoppt-die-mehrwertsteuererhoehung

Lokale Politiker sind oft gut erreichbar und können ein guter Ansprechpartner sein. Auch die lokale Presse sollte auf das Thema aufmerksam gemacht werden.

Provokativ, aber sicher wirksam wäre es, einen gut sichtbaren Hinweis in der Speisekarte zu platzieren: „Für Politiker gelten die angegebenen Preise plus 12 % vorweggenommene Mehrwertsteuererhöhung.“ Ich denke, viele Gäste würden sich solidarisch zeigen, besonders Politiker, die selbst von der Erhöhung betroffen sind. Es ist eine Möglichkeit, den Druck auf die politische Ebene zu erhöhen.

Wenn mehrere Gastronomen in verschiedenen Regionen sich zusammenschließen, entsteht ein starkes Netzwerk. Wenn wir alle unsere Gäste einbinden und kommunizieren, können wir gemeinsam eine riesengroße Reichweite erzielen. Und genau darum geht es – dabei sind der Kreativität kaum Grenzen gesetzt.

Vielen Dank für das Gespräch, Herr Kramer!

(DM)

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