„Sinnlose Zettelwirtschaft“

Erster Frust über die Kassenbonpflicht

Einige Brötchen und ein Kassenbon
Für jedes Brötchen ein Bönchen – was den Staat freut, ärgert jetzt bereits die deutschen Händler und Gastronomen. (© gottsfam/stock.adobe.com)
Gastronomen und Händler müssen seit Beginn des Jahres auch beim Kauf von Brötchen, Bratwurst oder einer Kugel Eis einen Kassenbon ausgeben. Eine erste Zwischenbilanz…
Dienstag, 07.01.2020, 12:40 Uhr, Autor: Thomas Hack

In einer langen Papierschlange ringeln sich die Bons an der Kasse in einer Dresdner Filiale der Bäckerei Möbius. Kaum ein Kunde möchte den Zahlungsbeleg für Brötchen, Kuchen oder Gebäck mitnehmen. Verkäufer Klaus Barche sammelt die Bons in einer durchsichtigen Box und ärgert sich über die „sinnlose Zettelwirtschaft“. Wo früher eine Papierrolle in der Kasse drei bis fünf Tage reichte, wird jetzt mindestens eine pro Tag bedruckt. „Es nervt uns, es nervt die Kunden“, so Barche. Seit dem 1. Januar 2020 müssen Gastronomen und Händler ihren Kunden einen Bon aushändigen – eine Maßnahme gegen den seit Jahren grassierenden Steuerbetrug am Ladentisch. Einige wenige haben Verständnis, doch der Frust überwiegt.

„Typisch Deutschland“

„Ich halte das für Quatsch“, sagt eine junge Dresdnerin in der Warteschlange der Bäckerei. „Ich werde doch mein Brötchen ohnehin nicht reklamieren.“ Zudem falle vermeidbarer Müll an. An der Kasse ist die Belegpflicht immer wieder Thema, wenn Barche seine Kunden fragt, ob sie ihren Bon mitnehmen möchten. Zwei Bauarbeiter, die sich Suppe zum Mittagessen holen, schütteln die Köpfe. „Typisch Deutschland“, lautet ihr Kommentar.

„Papierverschwendung“

Dem kann auch der Inhaber von „Schawarma City“, einem Döner-Imbiss in der Düsseldorfer Innenstadt, beipflichten. „Wenn, dann sind es die deutschen Kunden, die Bons wollen“, sagt er. „Die arabischen nie.“ Wegen des neuen Gesetzes musste sich der Imbiss-Besitzer extra eine neue, elektronische Kasse kaufen. Bei den benachbarten Kiosks sind auch keine guten Worte über die Bonpflicht zu hören: „Schwachsinn“ und „Papierverschwendung“ – da ist man sich einig.

„Die schmeißen wir alle weg“

Claudia Reichenbächer aus der gleichnamigen Dresdner Fleischerei kann hingegen die Aufregung nicht verstehen. „Wir haben eine elektronische Kasse und drucken den Bon ohnehin immer aus“, sagt Reichenbächer. Allerdings nimmt kaum ein Kunde für seine Würstchen oder das Schnitzel den Beleg mit. „Die schmeißen wir alle weg.“ Auch in einer Düsseldorfer Apotheke sind die Mülleimer voller weißer Zettel, genau wie an wohl etlichen anderen Orten der Republik, wie unter anderem Fotos zeigen, die zuhauf in sozialen Netzwerken geteilt werden.

„Diesen Quatsch schnellstmöglich beenden!“ (FDP)

Die Bonpflicht ist umstritten – aus Kostengründen, wegen eines Mehraufwands an Bürokratie und des erhöhten Müllaufkommens. Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) wollte noch kurz vor Inkrafttreten Ausnahmen erreichen, die FDP fordert, der Bundestag möge das Gesetz ändern und „diesen Quatsch jetzt schnellstmöglich beenden“, wie Vize-Fraktionschef Christian Dürr sagt.

Doch das zuständige Finanzministerium hatte alle Forderungen abgeblockt, die Maßnahme sorge für mehr Steuergerechtigkeit. Die Behörde weist auf eine lange Vorlaufzeit hin und betont, dass die Quittung auch per Mail auf das Handy ausgegeben werden kann. Die SPD sieht dabei den Einzelhandel am Zug: „Die Wirtschaft ist gefragt, hierzu praxistaugliche Lösungen zu entwickeln“, sagte Finanzpolitiker Binding der Deutschen Presse-Agentur. So gebe es bereits Apps, die Belege digital übertragen könnten. (dpa/TH)

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