Kommentar

Was hat Politik im Gastgewerbe verloren?

Kunststofffigur deutet „Eintritt verboten“ an.
Gästen aus politischen Motiven den Zugang zu einem Lokal zu verwehren und um Applaus aus der eigenen Community zu bekommen, ist auf Dauer wohl keine gute Strategie. (© fotolia.com/Onypix)
Manche Gastronomen stellen ihre politische Einstellung öffentlich zur Schau, durchaus in der Hoffnung, politisch anders denkende Gäste fern zu halten. Gesellschaftlich eine bedenkliche Entwicklung.
Dienstag, 16.10.2018, 12:36 Uhr, Autor: Clemens Kriegelstein

In Gänserndorf, einem kleinen Ort nordöstlich von Wien, hat jetzt ein Wirt die Aktion „Zwickl statt Kickl“ ins Leben gerufen. So lange bis Österreichs umstrittener Innenminister Herbert Kickl zurücktritt verkauft er das Seidl Zwickl um 2,70 statt um drei Euro. Und er reiht sich damit launig in die Gruppe anderer (meist eher links stehender) Gastronomen, die sich politisch öffentlich exponieren und auch unter ihren Gästen politisch anders denkende lieber draußen halten wollen. Gut in Erinnerung noch jener Tiroler Wirt, der  im Februar dieses Jahres kurzzeitig ein Plakat mit Fotos von Vizekanzler Strache, Verkehrsminister Hofer und durchgestrichenem Hakenkreuz an seiner Lokaltüre angebracht hat samt der Aufschrift „Wir müssen draußen bleiben“. Oder die Wiener Gastronomin, die bei der letzten Bundespräsidentenwahl, bei der FPÖ-Kandidat Norbert Hofer 35 Prozent der Stimmen bekommen hatte, vor ihrem Lokal eine Tafel mit der Aufschrift „Wenn du bei diesen 35 Prozent dabei bist, geh doch BITTE einfach weiter. Danke. #rightwingnotwelcome“ positionierte.

Auch in Deutschland kennt man solche Situationen. Speziell die AfD hat immer wieder Probleme, Lokale oder Hotels für Veranstaltungen zu finden, teils aus persönlicher Überzeugung des Betreibers, teils gezwungenermaßen, um angekündigten Ärger mit linken Gegendemonstranten zu vermeiden.

Wer ist noch willkommen?
Strafrechtlich ist die Sache eindeutig: Der Tiroler Wirt, der mit seinem Plakat Strache und Hofer in die Nähe des Nationalsozialismus‘ gerückt hatte, wurde bei Gericht zu Unterlassung und Schadenersatz verurteilt, nachdem die beiden Politiker geklagt hatten. Die anderen exemplarischen Fälle sind wohl eindeutig legale persönliche Meinungsäußerungen. Stellt sich trotzdem die Frage, wie weit die persönliche politische Offenbarung eines Hoteliers oder Gastronomen gehen sollte und wo die vernünftige Grenze liegt. Worin liegt der Sinn, jedem Gast ungefragt seine persönliche politische Einstellung aufs Aug zu drücken? Und was wäre, wenn konservative oder rechte Unternehmer ebenso handeln würden? Wer ist dann noch in welchem Lokal oder Hotel willkommen? Die Zeiten, in denen Juden, Schwarze, Kommunisten, Kapitalisten oder andere bestimmte Bevölkerungsgruppen nicht bedient werden, sollten eigentlich vorbei sein. Gerade in ein Lokal geht man oft, um sich zu unterhalten, den Alltag hinter sich zu lassen und gegebenenfalls auch mit Freunden über bestimmte Themen zu diskutieren – das kann auch die Politik sein. Aber wie heißt es so schön: Durchs Reden kommen die Leute zusammen! Und eine gewisse Heterogenität kann auch ein Gewinn sein. Ist doch nichts langweiliger, als sich ständig nur in der gleichen Blase zu bewegen. Auch wenn Facebook und Twitter heute bei vielen Menschen den Eindruck erwecken, dass diese winzige Blase das Universum abbildet.

„Mein Herr, ich teile Ihre Meinung nicht, aber ich würde mein Leben dafür einsetzen, dass Sie sie äußern dürfen“, ist ein Zitat, das dem französischen Schriftsteller Voltaire zugeschrieben wird. Eigentlich erstaunlich, dass man sich in manchen Bereichen heute noch den Geist des 18. Jahrhunderts zu Vorbild nehmen sollte.

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