Gastronom vs. Anrainer 0:1
Dass man es als Gastronom in Österreich, speziell in Wien nicht einfach hat und die Wege der Behörden oft unergründlich sind, hat für langgediente Branchenkenner etwa den Neuigkeitswert von „der Papst ist katholisch“. Der eine Arbeitsinspektor verlangt das eine, der zweite das genaue Gegenteil und selbst offizielle Genehmigungen existieren bisweilen nur auf dem Papier. Wer heute etwa seinen Gästen Live-Musik anbieten und diese offiziell absegnen lassen möchte, sollte mit der stoischen Ruhe eines tibetanischen Mönches und einer Großpackung Valium ausgestattet sein.
Gut in Erinnerung ist noch jener Wiener Innenstadt-Club, der eigentlich bis 6 Uhr früh offen halten durfte, nach Anrainerbeschwerden jedoch die Sperrstunde auf Mitternacht vorverlegen musste. Für eine Disco ruinös. Erst eine eigens entwickelte App, mit der der Einlass gestaffelt, Besucherandrang und damit Lärmpegel vor dem Lokal gemindert werden konnte, sorgte dann endlich wieder für discokompatible Öffnungszeiten.
Am besten nichts ändern
Jetzt hat es in Wien mit dem Strandcafé ein Traditionslokal erwischt, in dem die Gäste seit beinahe hundert Jahren direkt am Wasser der Alten Donau sitzen und sich vor allem an gegrillten Spareribs und Bier laben. Erst im Frühjahr aufwendig renoviert wurde jetzt die Betriebsanlagengenehmigung für verfallen erklärt. Einer der Gründe dafür: Statt eines offenen Holzkohlengrills setzte man auf eine geschlossene Grillküche samt High-Tech-Rauchwaschanlage zur Abluftreinigung. Auf Grund dieser vorgenommenen Änderungen hat das Landesverwaltungsgericht aber entschieden, dass ein neuer Antrag auf Erteilung einer Betriebsanlagengenehmigung gestellt werden muss. Denn der jetzt höhere Rauchfang, der die direkten Anrainer eigentlich schützen soll, sorgt für ein anderes Abluftverhalten, was wiederum für ein Anhörungsrecht der Anrainer sorgt. Und leider gibt es unter diesen Anrainern auch solche, denen das Strandcafé schon länger ein Dorn im Auge ist und die auch wissen, wie solche Verfahren zu führen sind.
Noch herrscht Optimismus
Ergebnis: Das Lokal ist seit rund zwei Wochen geschlossen, alle 70 Mitarbeiter sind beim AMS angemeldet und bangen um ihren Job. Denn die Neuerteilung der Betriebsgenehmigung kann locker mehrere Monate dauern und natürlich können die Anrainer auch dagegen wieder Einspruch erheben. Dennoch gibt sich Betreiber Owsep Yeritsyan derzeit noch optimistisch, dass er in der Saison 2019 wieder aufsperren kann, wie seine PR-Agentur auf HOGAPAGE-Anfrage bestätigt.
Natürlich könnte man sich jetzt fragen, ob es nicht jenseitig ist, sich neben einem seit Urzeiten existierenden Lokal (Gründungsjahr 1921) anzusiedeln und dieses dann zu bekämpfen. Aber wir leben schließlich in Österreich, wo man sein Haus auch gerne direkt neben der Autobahn baut (da ist der Grund so schön billig und verkehrsgünstig gelegen ist es auch) und dann auf Errichtung einer Lärmschutzwand und eines 80 km/h-Tempolimits klagt. Und hier wie dort findet sich weder ein Politiker noch ein Richter, der die Betroffenen fragt, ob sie beim Hauskauf betrunken waren bzw. warum sie sich das nicht vorher überlegt haben. (CK)