Kommentar

Polizei leistete „ganze Arbeit“

Polizeiauto in Österreich
Keine halben Sachen: Mangelnde Gründlichkeit kann man der Polizei bei einer kürzlich erfolgten Lokalkontrolle am Wiener Gürtel jedenfalls nicht vorwerfen. (© Hetizia – stock.adobe.com)
Wenn Polizisten in Wien gründlich amtshandeln kann eine einzige Lokalkontrolle kann schon mal mit knapp 400 Anzeigen für den Gastronomen ausgehen. Vorschrift ist schließlich Vorschrift!
Dienstag, 03.12.2019, 09:03 Uhr, Autor: Clemens Kriegelstein

Vor einem Szenelokal am Wiener Gürtel kam es jüngst zu Problemen mit einer Horde betrunkener Gäste, denen auch die hauseigene Security nicht Herr wurde, woraufhin die Polizei zur Verstärkung geholt werden musste. Mehrere Festnahmen und Anzeigen gegen ein paar „übermotivierte“ Gäste waren die Folge. So weit so beinahe alltäglich in der Nachtgastronomie und kaum einer Meldung wert.

Doch die Amtshandlung hatte für den Lokalbetreiber noch ein Nachspiel: Nachdem auf der Straße für Ordnung gesorgt worden war, nahmen sich die Beamten das Lokal selbst vor und bewiesen, dass mit der österreichischen Gewerbeordnung nicht zu spaßen ist und dass der Balkan noch lange nicht am Gürtel beginnt, wie bisweilen launig behauptet wird. Das Ergebnis dieser offensichtlich ziemlich genauen Kontrolle sind nämlich 389 (!) Anzeigen. „Die Liste der Übertretungen ist lang. Die Kollegen haben ganze Arbeit geleistet“, wird dabei ein Polizeisprecher zitiert.

Bitcoin, Kaurimuscheln oder Hosenknöpfe als Währung?

389 Anzeigen in einem einzigen Lokal? Ernsthaft jetzt? Und das war eine ganz objektive Kontrolle fernab jeder behördlichen Schikane? Klar, wenn Feuerlöscher fehlen, ist das natürlich ein Problem, wenn sie nur falsch angebracht sind, könnte man darüber reden. Dass Seifenspender auf den Toiletten leer sind, sollte nicht passieren, kommt in Wirklichkeit in gut frequentierten Lokalen aber immer wieder mal vor. Dass Gläser ohne Eichstrich verwendet wurden – ok, Vorschrift ist Vorschrift. Endgültig ins Lächerliche gleitet die ganze Sache aber bei der Beanstandung ab, dass auf den Speisekarten das Eurozeichen hinter den Preisangaben gefehlt habe. Welcher Gast kommt schon auf die Idee, dass mit der Angabe 4,20 bei einem großen Bier Euro gemeint sind? Könnten ja auch Kaurimuscheln, Bitcoin oder Hosenknöpfe sein…

Wer suchet, der findet

Spaß beiseite, natürlich müssen gewisse Mindeststandards eingehalten werden und wenn es um Themen wie Sicherheit oder Hygiene geht, ist der Spielraum für Behörden aus nachvollziehbaren Gründen meist eng. Doch beim Rest fällt es einem schwer, die Amtshandlung nicht mit dem Attribut „Schikane“ zu versehen. Bei knapp 400 relevanten Anzeigen jedenfalls müsste jedes Lokal auf der Stelle wegen Gefahr im Verzug geschlossen werden. Rechtlich mag so ein Vorgehen gedeckt sein, moralisch ist es zumindest fraglich. Aber nicht umsonst klagen viele Gastronomen hinter vorgehaltener Hand, dass man diversen Behörden wehrlos ausgeliefert sei, es nur vom Goodwill der jeweiligen Inspektoren abhinge, ob gestraft werde oder nicht. Denn der Paragraphendschungel sei so dicht, dass es quasi unmöglich sei, keine Fehler zu machen. Es sei nur eine Frage, wie intensiv nach Fehlern gesucht würde. Im Falle des besagten Lokals wurde offensichtlich tatsächlich „ganze Arbeit“ geleistet.

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