Flutkatastrophe

So machen Sie Ansprüche bei der Versicherung geltend

Frau sprüht verdreckte Stühle mit dem Hochdruckreiniger sauber
Mittlerweile sind vielerorts bereits die Aufräumarbeiten im Gange. Doch nicht überall hatten Gastronomen so viel Glück. (Foto: © picture alliance / BARBARA GINDL / APA / picturedesk.com | BARBARA GINDL)
Für einige Gastronomen und Hoteliers kam mit den Hochwassern nun der zweite Rückschlag nach der Pandemie. Rechtsanwalt Hartmut Göddecke erklärt, welche Versicherungen jetzt helfen und welches Vorgehen bei der Schadensmeldung richtig ist.
Montag, 19.07.2021, 16:28 Uhr, Autor: Natalie Ziebolz

Wie sind Betriebe im Gastgewerbe im Normalfall abgesichert?

Um das unternehmerische Risiko abzusichern kann der Betreiber folgende Versicherungen zu seinem Schutz abschließen, die jetzt zum Tragen kommen kann: Einerseits die Betriebsinhaltsversicherung, eine Sachversicherung, bei der gewerbliche Einrichtung, Waren und Arbeitsgeräte bei Beschädigung oder Zerstörung versichert sind. Andererseits die Betriebsunterbrechungsversicherung, die den Ertragsausfallsschaden versichert, der dadurch eintritt, dass die Betriebsführung durch ein Schadensereignis unterbrochen ist.

Es gibt in diesem Bereich jedoch keine gesetzliche Pflichtversicherung. Man ist also frei, ob und welche Versicherung man abschließt. Im Verhältnis zwischen Verpächter und Pächter wird im Pachtvertrag häufig vorgesehen, dass der Pächter zum Abschluss bestimmter Versicherungen verpflichtet ist. Üblich ist insoweit der Abschluss einer Glasversicherung.

Entscheidend ist darüber hinaus der Umfang des Versicherungsschutzes, also die Frage, welche Schadensfälle vom Versicherungsschutz umfasst und versichert sind. Endscheidet dürfte jetzt sein, ob die Risiken Überschwemmung und Erdrutsch mitversichert sind. Nur wenn dies der Fall ist, besteht ein Versicherungsschutz im konkreten Fall und es kann eine Entschädigung beansprucht werden. Die Risiken Überschwemmung und Erdrutsch sind häufig nicht automatisch mitversichert, sondern es muss ein zusätzlicher erweiterter Versicherungsschutz in Form einer Elementarschadensversicherung abgeschlossen werden, für die eine gesonderte Prämie zu zahlen ist.

Im Einzelfall muss also geklärt werden, ob eine entsprechende Elementarversicherung wegen Überschwemmung und Erdrutsch besteht. Dafür muss man in den konkreten Versicherungsvertrag und die konkret geltenden Versicherungsbedingungen schauen.

Welche Rolle spielt die Elementar-Versicherung genau?

Ohne entsprechende Elementarversicherung gegen die Risiken Überschwemmung und Erdrutsch besteht kaum eine Chance auf eine Entschädigung durch die Versicherung. Zu prüfen sind dabei der konkrete Versicherungsvertrag und die konkret geltenden Versicherungsbedingungen, auf die Bezug genommen wird. Im Zweifelsfall lohnt sich eine Prüfung durch den Fachmann. Wer Zweifel hat, kann natürlich auch einen Anwalt fragen, ob eine Einschätzung im Rahmen einer Erstberatung vorgenommen wird.

Sollte eine Elementarversicherung nicht bestehen, könnte im Einzelfall in Betracht kommen, ob der fehlende Versicherungsschutz auf einem Verschulden des Versicherungsunternehmens bei Beratung und Abschluss des Versicherungsvertrags beruht. Im Fall eines Beratungsverschuldens könnte die Versicherung schadensersatzpflichtig sein. Sprechen Umstände dafür, dass man bei Abschluss des Vertrags von der Versicherung unzutreffend oder unzureichend beraten wurde, dann empfiehlt sich eine Beratung und Vertretung durch den Anwalt, denn hier liegen die Dinge meist komplexer.

Wie müssen Gastronomen und Hoteliers im Schadensfall vorgehen? Gibt es hier etwas Bestimmtes zu beachten?

Es besteht eine Verpflichtung zur Anzeige des Schadens gegenüber der Versicherung. Der Schaden sollte unverzüglich, also ohne schuldhaftes Zögern, gemeldet werden. Zu Dokumentationszwecken empfiehlt sich die Schadensmeldung per Email.
Der Schaden sollte dabei frühzeitig dokumentiert werden. Dies gilt insbesondere dann, wenn frühzeitig notwendige Aufräum- und Entsorgungsmaßnahmen durchgeführt werden. Man kann Fotos vom Schaden machen und Zeugen hinzuziehen. Auch Familienangehörige und Mitarbeiter können als Zeugen in Betracht kommen. Der Schaden und Schadenumfang müssen im Streitfall nachträglich beweisbar sein. Alles was entsorgt werden muss, sollte daher aufgelistet werden. Eine voreilige und nicht dokumentierte Entsorgung kann zu Problemen führen. Auch eigene Sicherungs- und Entsorgungsbemühungen sollten dokumentiert werden, da diesbezüglich ein Erstattungsanspruch gegenüber der Versicherung bestehen kann; also Ersatz für den eigenen Zeitaufwand beansprucht werden kann.
Für alle Fälle gilt es, die Weisungen der Versicherung sind zu beachten. Es besteht zudem eine Verpflichtung durch Schadensminimierung. Reparaturfähige Geräte müssen demnach repariert werden.
Achtung: Unredliches Verhalten des Versicherten kann den Versicherungsschutz insgesamt gefährden. Von daher sollten wahrheitsgemäße und zutreffende Angaben gemacht werden. Im Zweifelsfall empfiehlt sich eine Beratung durch den Anwalt.

Wie schnell werden Schäden üblicherweise von den Versicherern beglichen?

Die Versicherung ist nach dem Versicherungsvertrag zur Auszahlung der Versicherungsleistung verpflichtet, wenn der Schaden dem Grund und der Höhe nach feststeht. Dies kann im Einzelfall geraume Zeit in Anspruch nehmen. Der Versicherte hat aber im Einzelfall Anspruch auf Zahlung eines Abschlags nach Ablauf eines Monats. Die Versicherung muss nach Ablauf eines Monats den Betrag zahlen, der voraussichtlich mindestens zu zahlen ist.

Ist die Schadenshöhe streitig, dann kann der Versicherte verlangen, dass die Schadenshöhe von einem Sachverständigen festgestellt wird. Durch das Sachverständigenverfahren können dem Versicherten indes zusätzliche Kosten entstehen, die er selbst zu tragen hat.

Peter Altmaier hat bereits Hilfszahlungen für Betroffene Unternehmen angekündigt. Haben diese Einfluss auf die Auszahlungssumme?

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs gilt folgender Grundsatz: „Der Versicherer muss halten, was er dem Versicherungsnehmer versprochen hat.“ Und: „Versicherungsbedingungen müssen klar sein – Unklarheiten gehen zu Lasten von Versicherungsunternehmen.“

Die Versicherung muss gegenüber dem Versicherten also ihre vertraglich übernommene Verpflichtung erfüllen und hat im Schadensfall den entstandenen Schaden ersetzen. Die Versicherung kann sich nur im Ausnahmefall, etwa bei Doppelversicherung, darauf berufen, dass der Versicherte von dritter Seite ebenfalls Leistungen bekommen hat. Freiwillige Leistungen Dritter gehören nicht dazu, so dass eine Anrechnung auf die Leistung der Versicherung nicht erfolgt.

Vielen Dank für das Gespräch!

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