Ratgeber

In harten Zeiten härter durchgreifen

Andrew Fordyce
Andrew Fordyce – HOGAPAGE-Kolumnist, Trendscout und Unternehmer mit langjähriger Erfahrung in der Foodservice-Industrie. (Foto: ©www.foodtrendtours.de/Alexander Heinrichs Photographie)
Reich zu werden, war in der Gastronomie schon vor Corona kaum möglich. Nach dem Neustart der Branche müssen viele Betriebe jetzt ihre Management-Weichen dringend neu stellen. Das ist gar nicht so schwer…
Donnerstag, 18.06.2020, 14:41 Uhr, Autor: Andrew Fordyce

In Zeiten von Covid-19 geht mir eine Zeile aus einem Song von Billy Ocean nicht aus dem Kopf: „When the going gets tough, the tough get going“ – „Wenn‘s hart auf hart kommt, legen Hartgesottene erst richtig los.“ Das passt auf die Gastro-Branche punktgenau. Nirgendwo sonst wird mit so viel Durchsetzungskraft und solch harten Bandagen gekämpft wie im Food-Service. Hier haben wir es mit Frauen und Männern zu tun, die sich unablässig um das Wohl des Gastes bemühen bei Überstunden, ungeregelten Arbeitszeiten, Null Priorität in puncto Privatleben und viel körperlicher Anstrengung. Der Leidenschaft der Gastro-Leute für ihren Job tut all das seltsamer Weise keinen Abbruch.

Corona hat in Sachen Härte für die Unternehmer und Mitarbeiter nun noch eins draufgesetzt. Von jetzt auf gleich keinerlei Einkommen mehr. Glücklich, wer nicht gerade in ein neues Restaurant investiert hat und auf einem Schuldenberg sitzt, oder wer über eine sozialversicherungspflichtige Festanstellung verfügt und wenigstens Arbeitslosen- oder Kurzarbeitergeld erhält.

Ohne Lobby bleibt LEITbranche eine LEIDbranche

Rein von der Anzahl der Beschäftigten gehört die Gastronomie dabei zu den LEITbranchen dieses Landes. Sie beschäftigt zweieinhalbmal so viele Menschen wie die Automobilindustrie (rund 2,2 Millionen gegenüber 833.000)! Was sie wirtschaftlich dennoch zu einer LEIDbranche macht, ist, dass sie über keine einflussreiche Lobby in der Politik verfügt, die ihr einen mit anderen Wirtschaftszweigen vergleichbaren Geldsegen beschafft. Diese Tatsache hat die Virus-Krise einmal mehr bestätigt.

Und trotzdem zeigt unsere Branche, wie hart im Nehmen sie ist. Statt im Jammertal zu versinken, stellt sie sich mit Kreativität und ungebrochener Energie immer neuen Herausforderungen. Und genau diese Haltung trägt jetzt, wo sich die Restauranttüren wieder öffnen, Früchte.

Der neue Wert der Gastronomie

Erfreulicherweise beobachte ich gerade eine neue Wertschätzung der Gastronomie in der Gesellschaft: Man weiß eben erst, was man vermisst, wenn man es nicht mehr hat. Und so kommt es, dass die Gastronomie – Stätte der Stärkung von Leib und Seele – durch gutes Essen und menschlichen Austausch, doch tatsächlich auf einmal als systemrelevant wahrgenommen wird. Ich finde deshalb, nach dem Shut-Down ist jetzt der ideale Zeitpunkt für ein Coming-out der anderen Art: nämlich mit einem neu definierten Selbstbewusstsein, das von allen Branchenvertretern konsequent und geschlossen vertreten werden sollte!

Daher auch mein Apell in neuen Konkurrenzkategorien zu denken: Der Mitbewerber sollte endlich als Marktbegleiter verstanden werden, der die Gastrolandschaft belebt. Nicht zuletzt, weil die Vielfalt unterschiedlichster Marktnischen für alle Unternehmer der Branche echte Chancen birgt, auf einem hohen Qualitätsniveau ihr Können zu beweisen.

Mein Lokal – meine Regeln

Überhaupt, ist die Virus-Krise eine echte Gelegenheit umzudenken – und in Zukunft einiges anders und besser zu machen. Hierzu noch im Folgenden ein paar Anregungen…

Don’t be everybodys darling! Man kann es nie jedem Kunden recht machen – das gilt beim Speisenangebot genauso wie für das Benehmen der Gäste. Wir müssen uns vor Augen halten: Eine zweite Corona-Welle ist nicht zu stemmen. Daher sollte jeder Wirt uneingeschränkt alle angezeigte Auflagen erfüllen und nicht aus Angst einen Gast zu verlieren, ein Auge zudrücken, wenn es zum Beispiel um die Dokumentation der Kontaktdaten oder das Tragen einer Maske geht. Ich empfehle: Am besten gleich, nachdem der Gast Platz genommen hat, kurz und bündig die Corona-Hausregeln erläutern. Wem es nicht passt, der kann ja gehen.

Etwas Mut lohnt sich auch, wenn wir über das Thema No-Show-Policy sprechen. In Großbritannien etabliert sich diese vergleichbar kompromisslos bereits seit Jahren. Bislang wurde hierzulande kulant darüber hinweggesehen, wenn Reservierungen nicht eingehalten wurden. Jetzt ist das ein Luxus, den sich im Grunde kein Gastronom mehr leisten kann. Angebracht wäre – wie es ja heute z.B. schon Ärzte tun – eine Stornogebühr zu verlangen. Das lässt sich praktisch (noch) nicht immer umsetzen. Sehr wohl kann aber zumindest jeder darauf verweisen, dass die Reservierung verfällt, wenn der Gast nicht pünktlich erscheint.

Kleine Karte steht für großen Geschmack

Kommen wir zur Frage, wie die Optimierung der Speisekarte zum Erfolg eines Restaurants beiträgt: Seit Jahren verfolgen wir in verschiedenen TV-Formaten Sterneköche, die Restaurants auf die Beine helfen. Dabei geht der erste Blick stets auf das Menü und der Rotstift wird gezückt: Gestrichen wird, was das Zeug hält – und in Corona-Zeiten erst recht. Eine schlanke Karte steht für Qualität und Frische und macht dem Gastronomen und seinem Personal das Leben leichter – von der Reduzierung der Lagerhaltung und den damit verbundenen Kosten ganz zu schweigen. Unter Nachhaltigkeits-Aspekten betrachtet, ist eine kleine Karte ohnehin State-of-the-Art. Was zählt ist in jeder Hinsicht Qualität – Quantität ist out!

Nicht unter Wert verkaufen

Qualität bei Service und Angebot, auch wenn es schmal gehalten wird, kostet. Ob es nun die Zeit für den Gast ist, die zufriedenen Mitarbeiter, hochwertige Zutaten oder die sorgfältige Zubereitung der Speisen, die einer Minikarte Gourmetcharakter verleihen.

Deshalb ist es kaum zu glauben, dass viele Gastronomen noch immer ein schlechtes Gewissen haben, wenn sie den Preisvorteil durch die Absenkung der Mehrwertsteuer nicht an den Gast weitergeben. Ich bin sogar dafür, die Preise anzuheben – und davon u.a. das Personal profitieren zu lassen! Die Zahl der geringfügig Beschäftigen liegt in der Gastronomie ungefähr bei der Hälfte aller Mitarbeiter. Es kann doch nicht sein, dass Gastronomie nur dadurch kein Zuschussgeschäft wird, weil Personalkosten vermieden und der Chef seinen eigenen Urlaub nicht einberechnet bzw. gar nicht erst nimmt.

Harte Zeiten erfordern harte Maßnahmen. Das sollte aber ab sofort bedeuten: Nicht noch mehr arbeiten, sondern geschlossen den Wert veranschlagen, den unsere Dienstleistung tatsächlich Wert ist! Jede andere Branche tut das schließlich auch. PS: Die 7 Prozent MwSt. sollten natürlich dauerhaft bleiben.

No Cash – but Card

Corona macht die digitale Zahlung zum Erfordernis, aber sicher nicht zur umstürzlerischen Neuerfindung. Was man früher nur aus den USA kannte, ist in Großbritannien auch schon seit längerem Gang und Gäbe: Wer dort als unwissender Tourist sein Streetfood mit Bargeld zahlen will, kommt oft nicht in den Genuss, wenn er nicht noch eine Kreditkarte in petto hat. Die digitale Zahlung hat den Vorteil, dass auch wirklich alles erfasst wird, was konsumiert wurde. Weniger Schwund und eine blütenreine Weste vor dem Fiskus sind zwei angenehme Nebenwirkungen des Digital Payments.

100 Prozent Auslastung gehören erstmal der Vergangenheit an

Natürlich knickt auch mal der Hartgesottenste in Hinblick auf die verlorenen Einnahmen während des Shut-Downs ein. Was allerdings die Umsatzergebnisse danach betrifft, sind die Einbußen nur bedingt unvermeidbar. Selbstredend führen die Auflagen dazu, dass die Aufnahmekapazität der Gäste sinkt. Aber Hand auf’s Herz: Welches Restaurant konnte vor Corona für sich beanspruchen, jeden Abend zu 100 Prozent ausgebucht zu sein?

Für eine optimierte Auslastung sollte die Reservierungspolitik schließlich ein bisschen strenger ausfallen. Ähnlich wie vor Covid-19 schon beim Sonntagsbrunch oder an Feiertagen oft üblich, könnten Umlaufschichten eingerichtet werden, z.B. am Mittag von 12 bis 13.30 Uhr und dann von 13.30 bis 15 Uhr sowie abends von 18.30 bis 20 Uhr und von 20 Uhr bis ultimo. Das gilt es entsprechend zu kommunizieren – auf Websites, über soziale Medien, auf der Speisekarte etc.

„When the going gets tough, the tough get going“ – der Impuls, der sich aus diesen harten Zeiten ergibt, sollte dahingehen, dass sich die toughen Mädels und Jungs der Gastro mit Krisen-gestähltem Rückgrat dafür einsetzen, dass ihre Branche vor allem das eine ist: mehr Wert!

Lesen Sie auch die regelmäßige Kolumne von Andrew Fordyce für HOGAPAGE hier.

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