Analyse

Österreichs Sommertourismus zwischen Nächtigungsrekorden und wirtschaftlichen Hürden

Junge Frau vor der Gloriette im Schlossgarten von Schloss Schönbrunn
Die österreichische Tourismusbranche ist zwar auf Erholungskurs, trotzdem steht sie vor einer Vielzahl wirtschaftlicher Herausforderungen. (Foto: © rh2010/stock.adobe.com)
Österreichs Tourismussektor erlebt derzeit eine bemerkenswerte Erholung. Doch hinter den Schlagzeilen über Nächtigungsrekorde und steigende Besucherzahlen verbirgt sich eine komplexe Realität. Eine Analyse von Kohl > Partner zeigt ein differenziertes Bild des aktuellen Tourismusgeschehens auf.
Dienstag, 03.10.2023, 14:25 Uhr, Autor: Sarah Kleinen

In der Vergangenheit wurden häufig die Nächtigungszahlen als alleiniger Erfolgsindikator herangezogen. In einer Zeit überproportional steigender Kosten in der Branche sind sie allein jedoch laut Kohl > Partner keine ausreichende Messlatte mehr für den wirtschaftlichen Erfolg. 

Der Tourismus sei zu komplex, um ausschließlich anhand einer Kennzahl bewertet zu werden und es erfordere eine differenziertere Betrachtung, um die wirtschaftliche Realität zu beurteilen. Eine Analyse von Kohl > Partner, basierend auf einer repräsentativen Umfrage und aktuellen Bilanzdaten von über 300 Tourismusbetrieben im Alpenraum, deckt auf, welche Herausforderungen und Veränderungen die Branche wirklich durchlebt.

Positive Stimmung – trotzdem Anzeichen für Anspannung

Obwohl die Stimmung in der Tourismusbranche im Allgemeinen positiv ist, gibt es Anzeichen dafür, dass die Lage in vielen Bereichen anspruchsvoller ist als es den Anschein hat. Helmut List, Managing Partner bei der Tourismusberatung Kohl > Partner, betont die Notwendigkeit einer realistischen Einschätzung der Situation und weist auf Kostensteigerungen hin, insbesondere bei Energie, Mitarbeiterkosten und Zinsen.

Helmut List
Helmut List, Managing Partner bei der Tourismusberatung Kohl > Partner (Foto: © Kohl > Partner)

Diese führen trotz teilweiser massiver Preiserhöhungen zu stagnierenden oder rückläufigen Ergebnissen: „Die fetten Jahre sind vorbei, die Branche ist im Umbruch“, erklärt Helmut List.

Die Sommersaison 2023, aus der Perspektive der Ferienhotellerie, war geprägt von gemischten Gefühlen. Während 55 Prozent der Betriebe die Saison neutral bewerten, berichten 25 Prozent von positiven Ergebnissen und etwa 20 Prozent von negativen Erfahrungen. Die klaren Gewinner dieser Saison waren die Stadthotels, die starken Zulauf verzeichneten und vielerorts die Werte von 2019 erreichten oder übertrafen.

Ein signifikanter Unterschied zu 2023 war die anfängliche Unsicherheit zu Saisonbeginn, bedingt durch ein verregnetes Frühjahr. Buchungen erfolgten später als üblich, und viele Gäste buchten erst im gleichen Monat ihres geplanten Aufenthalts. Die Auswirkungen dieses unvorhersehbaren Buchungsverhaltens waren spürbar.

(Foto: © Kohl > Partner)
(Foto: © Kohl > Partner)

Sparverhalten der Gäste, massive Kostensteigerung – Branche ist im Umbruch

Das Sparverhalten der Gäste beeinflusste die durchschnittlichen Erlöse, die in etwa zwei Drittel der Betriebe niedriger als im Vorjahr ausfielen. Hauptursache hierfür war die Inflation und die damit einhergehenden gestiegenen Preise, insbesondere in der Gastronomie. Die Branche steht vor der Herausforderung, trotz gestiegener Preise wettbewerbsfähig zu bleiben und gleichzeitig den hohen Erwartungen der Gäste gerecht zu werden.

Massive Kostensteigerungen, insbesondere durch die Inflation, haben die wirtschaftliche Lage der Betriebe beeinträchtigt. Die Gewinnmargen sind geschrumpft, während die Herausforderungen bei der Mitarbeitergewinnung und -bindung zugenommen haben.

(Foto: © Kohl > Partner)
(Foto: © Kohl > Partner)

Blick in den kommenden Winter ist verhalten positiv

Der Ausblick auf den kommenden Winter zeigt bei den befragten Unternehmen eine verhalten positive Buchungslage, jedoch mit einem Rückgang gegenüber dem Vorjahr in einigen Fällen. Die Branche ist gezwungen, ein angemessenes Preisniveau aufrechtzuerhalten, um die gestiegenen Kosten zu decken. Trotz Preiserhöhungen kämpfen viele Betriebe damit, die tatsächlichen Kostensteigerungen auszugleichen, was zu einer insgesamt verschlechterten Ertragslage führt.

(Foto: © Kohl > Partner)
(Foto: © Kohl > Partner)

List betont die Notwendigkeit von Verständnis und Wertschätzung für die Leistungen der Branche. Er ermutigt die Gäste dazu, die veränderten Rahmenbedingungen zu akzeptieren und anzuerkennen, dass Qualität und das zwischenmenschliche Erlebnis in Hotellerie und Gastronomie ihren Preis haben.

„Gastronomie und Hotellerie passen sich den Rahmenbedingungen an und erfinden sich gerade neu. Es ist erforderlich, die erhöhten Kosten und Preise zu akzeptieren. Es braucht wieder ein Bewusstsein, das Qualität, Verwöhnprogramme, eine moderne Infrastruktur und gute Mitarbeiter eben ihren Preis haben“, betont List. 

So würden die Zeichen zwar auf Erholung stehen, doch stehe die österreichische Tourismusbranche trotzdem vor einer Vielzahl wirtschaftlicher Herausforderungen, die eine Anpassung und Sensibilisierung erfordern. 

(Kohl > Partner/SAKL)

Zurück zur Startseite

Weitere Themen

Limehome ist ein technologiebasierte Anbieter und Betreiber von voll digitalisierten Design-Apartments in Europa.
Expansion
Expansion

Limehome äußerst erfolgreich auf dem österreichischen Markt

Limehome expandiert weiter stark in Österreich. Binnen zwölf Monaten hat der Anbieter und Betreiber von voll digitalisierten Design-Apartments in Europa sein Österreich-Portfolio annähernd verdoppelt.
Young girl in Hallstatt
Buchungslage
Buchungslage

Ostsee und Berge am höchsten im Kurs

Bereits jetzt planen wieder viele Menschen eine Auszeit in Deutschland und Österreich. DS Destination Solutions ermittelte die Buchungslage für Ferienunterkünfte im Ostermonat April sowie im Frühsommer.
Blick auf Oberlech
Corona-Pandemie
Corona-Pandemie

Österreichs Tourismus kämpft mit Covid-Regeln

Der Monat Februar ist äußerst wichtig für das Geschäft in den Skigebieten. Doch dieses Jahr befürchten die Hotels in Österreich halbleere Häuser. Außer der Pandemie drohen noch andere Probleme.
3G Schild
Schutzmaßnahmen
Schutzmaßnahmen

Österreich lockert stufenweise Corona-Maßnahmen

Österreich lockert trotz aktuell hoher Zahlen bei den Neuinfektionen demnächst stufenweise seine Corona-Maßnahmen. Das betrifft auch die Gastronomie und den Tourismus.
Leute beim Skifahren in den Bergen
Skisaison
Skisaison

Starker Saison-Start in deutschen Skigebieten

In den deutschen Wintersportgebieten herrschten am Wochenende gute Bedingungen und teils reger Andrang – wie auch in der benachbarten Schweiz. In Österreich war der Saisonstart hingegen eher enttäuschend.
Schild, dass auf die Einreisebestimmungen an der Grenze hinweist
Infektionsschutz
Infektionsschutz

Österreich verschärft Einreisebestimmungen

Gerade haben Gastronomie und Hotellerie in Österreich wieder öffnen dürfen, da erschweren neue Einreisebestimmungen den Tourismus: Ab 20. Dezember gilt bei der Einreise die 2G-plus-Regel.
Michaela Reitterer, Präsidentin der ÖHV
Österreichische Hoteliervereinigung
Österreichische Hoteliervereinigung

„Langjährige Mitarbeiter sind verzweifelt“

Seit 22. November befindet sich Österreich im Lockdown. Dieser kam jedoch erneut unvorbereitet – zum Leidwesen der Tourismusbranche. Die ÖHV fordert daher sinnvolle  Wirtschaftshilfen wie 100-prozentiges Kurzarbeitergeld und USt-Reduktion.