Insolvenz

1 Milliarde Euro Schulden – Reisekonzern FTI wird abgewickelt

FTI Reisebüro
FTI hatte im Juni Insolvenz angemeldet. Jetzt steht fest, dass der Reisekonzern abgewickelt wird. (Foto: © picture alliance/dpa | Sven Hoppe)
Drei Monate nach dem Insolvenzantrag ist klar: Der drittgrößte europäische Reiseveranstalter ist nicht zu retten und wird abgewickelt. Das trifft Beschäftigte und Gläubiger hart.
Dienstag, 03.09.2024, 11:44 Uhr, Autor: Sarah Kleinen

Der insolvente Reisekonzern FTI sitzt auf einem Schuldenberg von einer Milliarde Euro und wird jetzt abgewickelt. Das Amtsgericht München hat das Insolvenzverfahren über die beiden Kerngesellschaften FTI Touristik und BigXtra Touristik eröffnet.

Insolvenzverwalter Axel Bierbach kündigt nun 700 Mitarbeitern. Die meisten der schätzungsweise 350.000 Gläubiger sind Pauschalreisende, die ihre Vorauszahlungen vom Deutschen Reisesicherungsfonds (DRSF) zurückbekommen sollen. 

Anders sieht es laut Bierbach für rund 2.500 Hotels, für Reisebüros, Fluggesellschaften, Banken und für den staatlichen Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF) aus. Der WSF gehört dem Bund und hatte Europas drittgrößtem Reisekonzern FTI während der Corona-Pandemie rund 600 Millionen Euro geliehen. Wie viel Geld die Gläubiger eines Tages bekommen werden, ist völlig offen.

FTI hatte im Juni Insolvenz angemeldet, nachdem Kunden und Reisebüros bei Buchungen immer vorsichtiger geworden waren, Vertragspartner auf Vorkasse bestanden und dem Unternehmen das Geld ausging. Zum Zeitpunkt des Insolvenzantrags waren bei FTI Touristik rund 30 Millionen Euro auf den Konten, wie Bierbach sagt. Weil FTI kein Geld mehr für die obligatorischen Sicherungsscheine beim DRSF hatte, „war klar: Wir können keine Reisen mehr verkaufen.“

Hotelbetrieb läuft weiter 

Rund 60.000 Urlauber, die zu dieser Zeit mit FTI unterwegs waren, sind ohne größere Probleme zurückgekommen – alle neuen Abreisen wurden gestoppt. Von den weltweit 11.000 FTI-Mitarbeitern sind heute noch 7.500 in Hotels vor Ort beschäftigt, deren Geschäftsbetrieb uneingeschränkt weiterläuft.

Von den mehr als 1.000 Mitarbeitern in Deutschland haben mehr als 320 bereits eine neue Stelle – auch dank Bewerbertagen mit FTI-Kunden und Konkurrenten wie TUI, DER, der DB oder Jochen Schweizer in der FTI-Zentrale in München. Knapp 600 Mitarbeiter erhalten ihre Kündigung mit Wirkung zum 1. September. Weitere 130 bleiben noch kurz beschäftigt, um bei der Abwicklung zu helfen. Zum Jahresende soll der Betrieb endgültig stillgelegt werden.

Mehrere Tochterfirmen verkauft

Das Vermögen der FTI-Gruppe besteht laut Bierbach vor allem aus 54 Hotels mit 12.000 Zimmern, die FTI gehören oder langfristig geleast hat. All diese Häuser laufen, bis auf eine Ausnahme, weiter und sollen verkauft werden. Es gebe einige Interessenten, die Verhandlungen seien zum Teil schon fortgeschritten, sagt der Insolvenzverwalter. 

Von den 110 FTI-Tochterunternehmen wurden einige Unternehmen mit mehreren Hundert Mitarbeitern bereits verkauft, darunter der Luxusreisenanbieter Windrose, das Service-Center Erf24 in Erfurt und das Online-Portal 5vorFlug.

Am 20. November findet die erste Gläubigerversammlung in München statt. „Ich glaube, da werden nicht viele kommen“, sagt Bierbach: Die meisten der 350.000 Gläubiger hätten gegenüber dem Insolvenzverwalter nicht so hohe Forderungen, dass sich die Anreise lohne.

Abwicklung dauert Jahre

„Die gesamte Abwicklung wird Jahre dauern“, sagt Bierbach. „Das ist ein Marathon.“

Rund 175.000 Reisende hatten ihre Reise bereits ganz oder teilweise bezahlt. So kurz vor den Sommerferien scheiterte der Versuch, sie auf andere Veranstalter umzubuchen. Das Geld für die Pauschalreise bekommen sie vom DRSF – das betrifft 90 Prozent der Urlauber.

Manche Pauschalurlauber hatten aber zum Beispiel einen Ausflug dazu gebucht. Das dafür bezahlte Geld ersetzt der DRSF nicht; die Forderung kann aber beim Insolvenzverwalter angemeldet werden. 

Für Pauschalurlauber Reisesicherungsfonds erste Adresse

Auch Kunden, die Einzelleistungen bei FTI gebucht haben, können ihre Forderung zur Insolvenztabelle anmelden. Der Insolvenzverwalter appelliert aber an die Kunden, zunächst die Erstattungswege über den DRSF und Zahlungsdienstleister zu nutzen und nicht mehrere Anträge gleichzeitig zu stellen, um das Verfahren nicht zu blockieren.

Reisebüros erhalten ihre Provision in der Regel erst nach Abflug der Kunden. Wie das ist, wenn der Abflug gar nicht stattfand und womöglich gar kein Schaden entstand, weil das Reisebüro den Urlaubern stattdessen eine andere Reise verkaufte, müsse auch geprüft werden, sagt Bierbach. 

(dpa/SAKL)

Zurück zur Startseite

Weitere Themen

Logo der FTI Group
Zahlungsschwierigkeiten
Zahlungsschwierigkeiten

FTI Touristik meldet Konkurs an

Das Unternehmen hat heute seine Insolvenz bekannt gegeben. Weitere Konzerngesellschaften werden in den kommenden Tagen, laut eigener Aussage, ebenfalls ihre Zahlungsunfähigkeit anmelden. Erhöhter Liquiditätsbedarf und mangelnde Buchungen sollen die Ursache sein.
Palux-Firmengebäude
Zuversicht
Zuversicht

Palux: Antrag auf Insolvenz in Eigenverwaltung stattgegeben

Teile der Gustatus Holding, darunter die Palux AG, haben einen Antrag auf Insolvenz in Eigenverwaltung gestellt. Das Amtsgerichts Crailsheim hat diesem stattgegeben. Vorstand und Vorsitzender des Aufsichtsrats der Palux AG sind nun zuversichtlich, was den Erhalt des Unternehmens betrifft. 
Philipp von Bodman
Insolvenzantrag
Insolvenzantrag

Insolvenz in Eigenverwaltung: Achat Hotel Gruppe leitet Restrukturierung ein

Die Achat Hotels und ihr Tochterunternehmen Loginn Hotels haben beim Amtsgericht in Mannheim einen Antrag auf Insolvenz in Eigenverwaltung gestellt. Geplant sind weitreichende Restrukturierungs- und Sanierungsmaßnahmen.
Frau macht Foto in Nürnberg
Studie
Studie

Wie verreisen die Deutschen im eigenen Land?

Was ist Deutschen bei Reisen im eigenen Land wichtig? Was sind die angesagtesten Reiseziele und welche Rolle spielt das Thema Nachhaltigkeit? Eine aktuelle Studie von Wyndham Hotels & Resorts liefert spannende Erkenntnisse. 
Ein Mann, der alleine isst.
Studie
Studie

Solo-Reisen und -Restaurantbesuche liegen im Trend

Das Reisen allein wird bei den Deutschen immer beliebter. Auch Solo-Restaurantbesuche genießen die Deutschen immer mehr. Das hat eine aktuelle Studie herausgefunden. 
Strand
Buchungsverhalten
Buchungsverhalten

Alltours verzeichnet mehr Buchungen bei Fernreisen

Buchungsboom bei Fernreisen: alltours verzeichnet für den kommenden Winter einen Buchungsanstieg bei Fernreisen. Trotz der hohen Nachfrage, reduziert der Reiseveranstalter seine Preise. 
Gastronomen bei der Abrechnung
Prognose
Prognose

Zahl der Insolvenzen in der Gastronomie steigt

Die wirtschaftliche Lage in der deutschen Gastronomiebranche bleibt weiterhin angespannt. Trotz einer leichten Verbesserung des Bonitätsindex sind immer mehr Gastronomiebetriebe insolvenzgefährdet. 
Besucher der Dachterrasse auf dem begrünten Hochbunker genießen den Ausblick über Hamburg und das Heiligengeistfeld
Aufwärtstrend
Aufwärtstrend

Tourismus in Hamburg auf gutem Niveau

Nach Sachsen und Baden-Württemberg meldet jetzt auch die Hansestadt gute Zahlen für den Reisebereich. Die Branche scheint die Herausforderungen der Corona-Pandemie mittlerweile überwunden zu haben. 
Zwei Urlauber schauen auf Stadtkarte
Prognose
Prognose

Reisewirtschaft erwartet höheres Wachstum für das Reisejahr 2024

Trotz gestiegener Lebenshaltungskosten bleibt die Lust der Deutschen zu verreisen ungebrochen. Der Deutsche Reiseverband (DRV) erwartet für das Reisejahr 2024 sogar ein bemerkenswertes Wachstum im Gesamtreisemarkt.