„Man hört nur noch deutsch“ – Großdemo gegen Mallorcatouristen
So etwas hat es auf Mallorca noch nie gegeben: Erstmals sind auf der spanischen Urlaubsinsel tausende Menschen auf die Straße gegangen, um gegen die Auswüchse des Massentourismus zu protestieren. Maria ist schon längst der Kragen geplatzt. „Es gibt inzwischen zu viele Menschen, zu viel Müll und zu wenig gesunden Menschenverstand – seitens der Besucher, aber auch der Geschäfte, die vom Tourismus profitieren“, schimpft die Rentnerin am Rande des Protestes am Samstagabend in der Insel-Hauptstadt Palma.
Balearen-Hype reißt nicht ab
Nach Medienschätzungen waren es mehr als 3.000 Menschen, die von der Plaça d’Espanya im Zentrum Palmas bis zum Regionalparlament der Balearen marschierten. Sie trugen Plakate mit Aufschriften wie „Ohne Beschränkungen gibt es keine Zukunft!“- Diese Worte skandierten die Menschen auch immer wieder. Zur Protestaktion unter dem Motto „So weit ist es gekommen! Stoppt den Massentourismus!“ hatten mehr als 50 Verbände und Institutionen aufgerufen, darunter die Naturschutzverbände GOB und Terraferida.
Seit 2012 erleben Mallorca und die anderen Baleareninseln Ibiza, Menorca und Formentera einen Besucherrekord nach dem anderen. Dieses Jahr gab es zwischen Januar und Juli 7,9 Millionen auswärtige Besucher – 7,5 Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum. Die Kassen klingeln lauter denn je. Aber für Maria, die mit ihrer Freundin Antonia zur Demo kam, ist Geld nicht alles. Die Inseln seien am Limit angelangt, meint sie im Gespräch mit einer Reporterin der Zeitung „El País“. Man müsse Obergrenzen setzen, aber auch „erziehen, kontrollieren und bestrafen“, fordern die beiden Frauen.
Protest vereint jung und alt
Nicht nur der älteren Generation sind sie ein Graus: die überfüllten Strände, die vor allem wegen der vielen Mietwagen immer häufiger verstopften Straßen, die zunehmenden Probleme bei der Müllentsorgung und der Wasserversorgung – im vorigen Jahr wurden sogar die Strandduschen abgedreht. Auch der „Sauftourismus“ und das schlechte Benehmen vor allem einiger Deutscher und Briten ist vielen zuwider.
Junge Frauen wie Carla und Carmen schimpfen ebenso laut wie die Älteren. Man könne auf den Straßen kaum noch gehen und höre „nur noch Deutsch oder Englisch“, klagen die Frauen aus Palma. Für Carmen ist es so, als würden die Touristen „Mallorca vertilgen“. Es gehe um die Zukunft Zehntausender. Vor allem junge Menschen könnten wegen des Booms bei der privaten Ferienvermietung keine bezahlbare Wohnung mehr finden. Mindestens 3.000 Wohnungen werden nach Schätzungen über Plattformen wie Airbnb oder Wimdu illegal an Touristen vermietet.
Erste Maßnahmen
Die Verantwortlichen sind sich der Probleme bewusst. Die linke Regionalregierung beschloss eine Verdoppelung der Touristenabgabe ab 2018. Zudem trat jüngst ein Gesetz in Kraft, das unter anderem die Zahl der Übernachtungsplätze auf gut 623 000 beschränkt. Vor allem bei der Einschränkung der privaten Ferienvermietung müsse die Regierung aber „noch mutiger“, fordert GOB-Sprecherin Margalida Ramis. „Wir müssen die Wirtschaft der Inseln diversifizieren und dürfen nicht allein vom Tourismus abhängen.“
Im Sommer hatte es auf den Balearen und auch an anderen beliebten Reisezielen Spaniens wie etwa Barcelona zum Teil gewalttätige Proteste gegen den Massentourismus gegeben. Bürgerinitiativen und linke Organisationen hatten Anfang August auf Mallorca vor dem Tourismusministerium der Balearen sowie vor Palmas Jachthafen demonstriert. Hunderte Mietwagen wurden mit Protest-Aufklebern versehen. In Palma tauchten nun erneut Protest-Graffiti und -Plakate mit Aufschriften wie „Tourism kills the city“ (Tourismus tötet die Stadt), „Stop Airbnb“ oder „Tourist go home!“ auf.
Einigkeit herrscht auf der Insel aber nicht. Der Verband der Hoteliers von Mallorca (FEHM) kritisiert die Demonstration gegen den Massentourismus sehr scharf: Inmaculada Benito bezeichnet die Aktion als „Angriff auf die Wirtschaft der Balearen“. Auch diese Position kann man verstehen. Der Tourismus sorgte zuletzt für knapp 45 Prozent des regionalen Bruttoinlandsprodukts. Im vorigen Jahr gaben die ausländischen Besucher auf den Inseln mit gut 13 Milliarden Euro rund 10,5 Prozent mehr aus als 2015. (dpa/MJ)