ÖHV Bilanz

Österreich-Tourismus: 1 Jahr Corona

ÖHV-Präsidentin Michaela Reitterer (links); rechts: eine Rezeptionsklingel und ein weißes Schild auf dem „Closed“ steht vor schwarzem Hintergrund
ÖHV-Präsidentin Michaela Reitterer zieht Bilanz nach einem Krisenjahr, in dem zahlreiche Hotels in Österreich über Monate zugesperrt blieben und es noch immer sind. (Fotos: ©Florian Lechner Innsbruck für ÖHV; iStockphotos)
Die Österreichische Hoteliervereinigung hat Bilanz gezogen: Was ist in einem Jahr der Corona-Pandemie im Österreich-Tourismus passiert? Welche Kritik gibt es zur Corona-Politik? Für die ÖHV gibt es vor allem zwei Learnings.
Dienstag, 16.03.2021, 11:38 Uhr, Autor: Kristina Presser

Vor rund einem Jahr ging Österreich in den ersten Lockdown. Damit begann die wirtschaftliche Krise für die Hotellerie und Gastronomie des Landes. Aktuell befindet sich Österreich in seinem zweiten Lockdown, kein Ende in Sicht. Zu diesem traurigen ersten Jahrestag zieht die Österreichische Hoteliervereinigung (ÖHV) nun Bilanz. ÖHV-Präsidentin Michaela Reitterer sagte: „Manche Tage merkt man sich ein Leben lang. Für uns im Tourismus gehört der 13. März 2020 dazu. Dieser Freitag, der 13., war ein rabenschwarzer Tag in der Geschichte des österreichischen Tourismus.“

ÖHV-Rückblick 2020

Mit Beginn des ersten Lockdowns hatte Reitterer in einer ersten Reaktion Maßnahmen zur Sicherstellung der Mitarbeiter-Einkommen gefordert. Mit 16. März 2020 wurden Hotels in Kärnten, Salzburg, Tirol und Vorarlberg nach dem Epidemiegesetz geschlossen. Noch vor der Schließung der Hotels hebelte der Nationalrat am 15. März die Verpflichtung für den Bund auf, Unternehmen für Covid-19-bedingte Ausfälle zu entschädigen. „Die Entschädigung für die Schließung bis dahin haben mehr als 90 Prozent der betroffenen Unternehmen bis heute nicht“, teilte der Verband mit.

Die Geschäftsgrundlage der Hotels war jedoch schon vorher entzogen, dadurch, dass die Skisaison vorzeitig beendet wurde, Grenzen geschlossen und Landeverbote ausgesprochen wurden. Feste fielen aus und Veranstaltungen mussten abgesagt werden. Stadt- und Seminarhotels erzielen seither mit wenigen Ausnahmen praktisch keine Einnahmen mehr. Bundesweit sinken die Nächtigungen von 153 Mio. auf 98 Mio., auf das Niveau der frühen 70er (siehe ÖHV-Umfrage).

Lockerungen – für die Hotellerie erst verspätet

Anfang April traten erste Lockerungen in Kraft, die Öffnung für Friseure und Einkaufszentren folgt, die Hotellerie muss bis 29. Mai warten. Die Zahl der Arbeitslosen explodiert bundesweit und branchenübergreifend, besonders stark und am nachhaltigsten betroffen ist der Tourismus. Ein Monat nach der Ankündigung des Lockdowns waren 590.000 Menschen arbeitslos, dazu 1,2 Mio. Menschen in Kurzarbeit.

Während des Sommers blieben viele Betten in den Stadthotels leer. Was auch Zulieferer und Dienstleister zunehmend unter Druck setzte: „Wer davon lebt, Bettwäsche sauber zu machen, hatte und hat wenig zu tun. Genauso geht es Souvenirverkäufern, Künstlern und dem F&B-Bereich vom Wildragout bis hin zum Snack“, schildert Reitterer.

Nach einer bürokratischen Anfangsphase pendeln sich Kurzarbeit und Fixkostenzuschuss ein, Input aus der Wirtschaft fließt nur Schritt für Schritt und mit immenser Zeitverzögerung ein, resümiert die ÖHV. Auch Auszahlungen für ganze Unternehmen verzögerten sich, laut Vereinigung, wiederholt wegen Unklarheiten im Detail bei einzelnen erhobenen Datensätzen. Die ÖHV forderte Clearing-Stellen, die die Unternehmen aktiv kontaktieren, um Fehler gemeinsam rasch beheben zu können. Neue Instrumente wurden geschaffen, bestehende verkompliziert, die Auszahlungen dauern, zum Teil bis heute.

Der zweite Lockdown

Am 31. Oktober 2020 erlebt die Hotellerie ein Deja-vu: Binnen Tagen müssen Nächtigungen storniert und Betriebe heruntergefahren werden, am 3. November werden die Betriebe „für vier Wochen“ geschlossen, die sich dann als zumindest fünf Monate herausstellen.

Status quo

Aktuell sei die Lage „mehr als brenzlig“, teilte die ÖHV mit. In einer ihrer bundesweiten Branchenbefragung zu Aussichten für Hotellerie geben 28 Prozent der Unternehmen an, nur mehr 3 Monate durchzuhalten, 34 Prozent schaffen noch ein halbes Jahr. Der durchschnittliche Umsatzverlust seit Beginn der Krise steigt in der Hotellerie je Betrieb von durchschnittlich 1,2 Mio. Mitte 2020 auf 2,5 Mio. Euro Anfang 2021.

Bundeskanzler Sebastian Kurz erklärt nun die Tourismushilfen zur Chefsache und verhandelt persönlich mit Tourismusministerin Elli Köstinger und ÖHV-Präsidentin Michaela Reitterer. Nach ÖHV-Input beschließt die Bundesregierung eine gezielte Unterstützung für Arbeitgeber und Arbeitnehmer in Lockdown-Branchen in der Höhe von insgesamt 1.000 Euro netto, darüber hinaus die Verdoppelung des Ausfallsbonus von 15 Prozent auf 30 Prozent und der Obergrenze von 30.000 auf 50.000 Euro.

„Es geht um Übernahmen, Umgründungen und Sonderkonstruktionen. Andere Betriebe sind zu groß, und das ist besonders tragisch, weil es um so viele Mitarbeiter im eigenen Betrieb und in der Region geht“, betont Reitterer die Notwendigkeit der höheren März-Hilfen. Dringlichster Wunsch der Branche sind Planbarkeit und eine Perspektive: „Es würde schon helfen, die Mindestdauer des Lockdowns zu kennen. Es haben ja viele Gäste für Ostern gebucht. Wie sollen wir damit umgehen? Wie weit müssen welche Corona-Zahlen sinken, damit Hotels öffnen können und unter welchen Vorgaben?“

Zwei Erkenntnisse aus einem Jahr Corona

Österreich und die Welt stecken noch mitten in der Covid-Krise, doch einige Learnings zeichnen sich schon jetzt ab, fasst die ÖHV ihre Bilanz zusammen. Allen voran stellt sie, dass die bisherigen Entbürokratisierungsprozesse nicht weit genug gingen. Die ÖHV-Präsidentin wünscht sich, dass die Jahrzehnte alte Versprechen einer Entbürokratisierungsreform „in die Tat umgesetzt werden, bevor die nächste Pandemie kommt!“ Mindestens genauso wichtig: eine spürbare und nachhaltige Senkung der Lohnnebenkosten: „Es hat einen Grund, warum Dienstleister so wenige Reserven bilden können – die hohen Mitarbeiterkosten. Sie sind so hoch, dass viele Betriebe nicht einmal in der Hochkonjunktur Rücklagen bilden können. Wenn wir wollen, dass Urlaub in Österreich für Familien nach der Krise leistbar bleibt, müssen die Lohnnebenkosten deutlich runter“, hält Reitterer fest.
(ÖHV/KP)

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