Kommentar

Operation gelungen, Patient tot

Berlin Mitte Skyline bei Nacht mit Fernsehturm und Blick über die Spree
Leidet Berlin unter zu vielen Touristen? Die Linken meinen „ja“ – und wollen den Tourismus in der Hauptstadt über eine Einstellung des Marketings deutlich einbremsen. (© fotolia.com/eyetronic)
Die Touristenzahlen in Berlin wachsen stetig und die Linken haben gleich ein Patentrezept für dieses „Problem“: Sie wollen das Tourismusmarketing kappen.
Mittwoch, 11.09.2019, 09:58 Uhr, Autor: Clemens Kriegelstein

Des einen Freud, des anderen Leid: Während die Gastronomie und Hotellerie in Berlin aufblüht, ist der wachsende Tourismus den Linken ein Dorn im Auge. Sie wollen jetzt die Ausgaben für das Tourismusmarketing in Berlin kürzen, mittelfristig (in einem Fünfjahresplan vielleicht?) sogar ganz einstellen. Denn deren tourismuspolitische Sprecherin Katalin Gennburg warnte, dass Berlin allmählich zum neuen „Ballermann“ mutieren würde und sprach zugleich die sozialen sowie ökologischen Auswirkungen von Massentourismus an.

Ein interessanter wirtschaftspolitischer Ansatz ist der Gedanke allemal: Einem gut funktionierenden, wirtschaftlich erfolgreichen und stetig wachsenden System, von dem tausende Unternehmen und noch viel mehr Leute leben, den Hahn abzudrehen, um damit ein vermeintliches Nebenproblem zu lösen. Aber gut, die Linke ist die Nachfolgepartei der PDS, die wiederum die Nachfolgeparte der SED war und diese hat in mehreren Jahrzehnten DDR-Geschichte ihre „alternativen“ wirtschaftlichen Ideen, nachhaltig unter Beweis stellen können. An deren Folgen laborieren heute noch ganze Landstriche. Trotzdem – bzw. gerade deshalb – ist es immer wieder erstaunlich, wie wenig lernfähig manche Politiker aus der eigenen Geschichte sind.

SPD gegen Koalitionspartner

Wenigstens hat dieses Mal der Berliner Koalitionspartner SPD, der sonst (speziell in gesellschaftspolitischen Anliegen, Stichwort „Unisex-Toilette“) ideologisch oft nicht sehr weit von den Linken entfernt ist, seine Gefolgschaft bei diesem Vorstoß versagt. „Für uns ist Berlin eine lebendige, aber auch offene Stadt, und das heißt, wir freuen uns, wenn Menschen nach Berlin kommen“, erklärte etwa SPD-Politiker Daniel Buchholz von der Stadtentwicklung. Denn so weit kann die SPD zumindest mit dem Taschenrechner umgehen, um zu erahnen, was das Einstellen des Tourismusmarketings in Berlin für wirtschaftliche Konsequenzen hätte.

Dass Massentourismus – Stichwort Overtourism – dabei auch seine Schattenseiten hat, ist unbestritten, dass man in solchen Fällen lenkend eingreifen kann und auch soll, bevor die Probleme zu groß werden, ebenso. Dass es aber Mittelwege gibt, dass man mittels Tourismusmanagement gezielt gegensteuern kann, ohne einem wichtigen Wirtschaftszweig gleich die Lebensader zu durchtrennen, sollte im Jahr 2019 selbst linken Politikern bekannt sein. Wobei eines natürlich stimmt: Mit zu vielen Touristen musste sich Ost-Berlin bis in die 1980er-Jahre tatsächlich nicht herumschlagen…

Zurück zur Startseite

Weitere Themen

Familie am Schneeschuhlaufen.
Schweizer Landesmarketing
Schweizer Landesmarketing

Ständerat will keine Budgetkürzung

Bei der jüngsten Debatte zur Standortförderungsbotschaft sprach sich die Mehrheit des Ständerates gegen eine Kürzung der Mittel bei Schweiz Tourismus und Innotour aus.
Die Bettensteuer für München ist vom Bayerischen Landtag verhindert worden.
Gesetzesänderung
Gesetzesänderung

Bayerischer Landtag verhindert Bettensteuer

Es war ein echter Krimi, der sich in München abspielte. Schließlich war es bis heute Morgen noch unklar, ob sie kommen wird oder nicht. Jetzt kann die Hotellerie- und Touristikbranche aufatmen.
Ein Hotelgast betritt ein Hotelzimmer
Politik
Politik

Bettensteuer ade: Termin für Verbot rückt näher

Die bayerische Bettensteuer ist noch nicht vom Tisch. Das könnte sich bald ändern. Der Landtag muss abschließend nur noch über ein landesweites Verbot für die Einführung dieser Steuer durch Kommunen abstimmen. Aber wann?
Wolfgang Tiefensee.
Investitionen
Investitionen

Thüringen will den Tourismus im Freistaat fördern

Beim Tourismus hat Thüringen nach Einschätzung von Fachleuten sein Potenzial längst nicht ausgeschöpft. Der Freistaat will attraktiver werden – dafür wird investiert.
Touristin breitet die Arme auf dem Münchner Rathausplatz aus.
Tourismus
Tourismus

München: Übernachtungssteuer vorerst vertagt?

Die umstrittene Übernachtungssteuer in München wird voraussichtlich vertagt. Die beiden größten Fraktionen im Stadtrat, Grüne und Rosa Liste sowie CSU und Freie Wähler, wollen dies am 29. November im Finanzausschuss beschließen. Zusammen haben beide Fraktionen eine Mehrheit in Stadtratsplenum und im Finanzausschuss.
Norbert Kunz
Norbert Kunz
Norbert Kunz

„Wir müssen mehr Innovationen anregen“

Im Rahmen des Welttourismustag hat DTV-Geschäftsführer Norbert Kunz die Bedeutung des Deutschlandtourismus hervorgehoben. Gleichzeitig gibt er jedoch zu bedenken, dass die Branche weiterhin Überstützung benötigt.
Reinhard Meyer
Wahlforderungen des DTV
Wahlforderungen des DTV

„Der Tourismus muss von der Politik ernstgenommen werden“

Die Nachfrage in der Sommersaison war in den deutschen Destinationen gut, der Deutschlandtourismus hat sich jedoch noch lange nicht stabilisiert. Vor diesem Hintergrund stellt DTV-Präsident Reinhard Meyer die Wahlforderungen des Deutschlandtourismus vor.