Abfallvermeidung und generelle Nachhaltigkeit sind wie ein Sommelier gesetzt. Die Speisekarte selbst definiert keine Gänge, sondern Menükomponenten. Aktuell ohne Fleisch, dafür wird alphabetisch in den Bereichen Garten und Gewächshaus, Wiesen und Wälder sowie Flüsse, Seen und Meere aufgelistet, was es zwischen Kohlrabi, Magnolie, Heu, Bachminze, Austern und Jakobsmuscheln alles auf den Tellern geben wird. Nett: Für das Menü soll der Gast bitte drei Stunden rechnen, weist die Speisekarte an. Danach kann man ins schöne Nachtleben tauchen, hier leben Künstler und Models, es gibt eine berühmte Musikschule, sehr ansprechende Einrichtungsläden und mit dem Somm noch einen weiteren Sterner.

Zwischen Oma-Rezept und Weltreise
Unterhalb der Sterneküche laufen sich die Bibs warm, B’ARN Bistro und Augustin sind besonders zu nennen. Klitzeklein ist ersteres, auch hier war die Oma Ratgeberin, bis sich Chefkoch Arnas Petronis dann zwischen Japan, Thailand, Mexiko und der Levante Küchenerfahrung holte. Er richtet am liebsten Teller zum Teilen für eine große Truppe an und würzt mit Schmackes. Das wesentlich weitläufigere Augustin hat die Nähe zu einem ehemaligen Kloster als Branding-Idee genutzt. Große blankgescheuerte Tische, viele Kerzen, der sehr nette Service trägt eine Uniform, die irgendwie klösterlich wirkt: Daraus wird ein sehr schönes Umfeld, schon fürs Mittagessen. Beim letzten Besuch gab’s einen eingelegten Kohlrabi, aufgefächert in 100 Blättchen, dazu Dan-Dan-Soße sowie Flusskrebs und gegrillte Aubergine mit japanischen Pilzen und Lingonbeeren.
Markthalle und Bauernmärkte
Es gibt einige Wochen- und Bauernmärkte wie Tymo Turgus, aber alles in einer Hand auf großer Fläche und mit riesiger Auswahl findet sich in der Halés Turgus. Hier stehen größtenteils die Erzeuger und verkaufen alles zwischen Gürkchen und Neunaugen. Es gibt Obst und Gemüse, Käse, Wurst und Schinken, Meeresfrüchte, Backwerk und das sagenumwobene Brot, vorausgesetzt, man mag es gerne dunkel, schwer, etwas süßlich und auf Roggenbasis. Es ist eines der kulinarischen Wahrzeichen des Landes, wird in länglichen Laibern von bis zu fünf Kilogramm Gewicht verkauft und lässt sich sehr gut einfrieren.

Was ein Däne mit Vilnius zu tun hat
Jeder Zoll ein echter Wikinger: Das ist Niels Peter Pretzmann, von Beruf Handwerker. Der gebürtige Däne war einer der ersten mit den nötigen tiefen Taschen, die in der Altstadt von Vilnius mehr tun wollten als die Fassaden restaurieren. Wobei auch das sehr gut gelungen ist: Ein Spaziergang durch die Altstadt im einstigen jüdischen Viertel rund um Stikliu mit seinen 600 Jahren Geschichte ist eine ansprechende Mischung aus Instagram-Kulisse und Reise in die Vergangenheit. Aber hier sah er großes kulinarisches Potenzial.
Da Pretzmann selbst auf einem Bauernhof aufgewachsen war, wollte er überdies einer der ersten sein, die in Litauen ökologischen Landbau betreiben. Auf 783 Hektar läuft nun sein Hof Farmer’s Circle etwas außerhalb von Vilnius. Und nur wenige Gehminuten vom Rathausplatz entfernt hat Pretzmann ein verfallenes Anwesen historisch korrekt restauriert.