„Menschlichkeit ist kein Trend – sie ist der Schlüssel“
Wie Employer Branding zur Überlebensstrategie für Hotels und Restaurants wird und warum es heute Chefsache ist
von Karoline GiokasNoch vor wenigen Jahren galt Unternehmenskultur in der Hospitality als nettes Beiwerk. Mitarbeiter waren da, Bewerbungen kamen von selbst, Arbeitskräfte waren austauschbar. Spätestens seit der Pandemie steht die Branche aber vor einer Realität, die viele Betriebe lange ignorierten: Die Zeiten des Überangebots an Personal sind vorbei. Der Markt hat sich gedreht, radikales Umdenken ist nötig.
Es geht nicht um perfekte Strategien, sondern um echte Nähe und praxisnahe Lösungen
Vom Randthema zur Überlebensfrage
„Wir haben es nicht mehr nur mit einem Fachkräftemangel zu tun, sondern mit einem generellen Mangel an Menschen“, betont Marcus Merheim, Gründer von Hooman Employer Marketing und einer der gefragtesten Employer-Branding-Berater der Branche. Wer heute nicht aktiv an seiner Arbeitgebermarke arbeitet, verliert. „Es reicht nicht, Hochglanzbilder auf Instagram zu posten. Unternehmen müssen sich ehrlich fragen: Wer sind wir als Arbeitgeber – und wer wollen wir sein?
Traditionshaus wird modern
Ein Vorbild für nachhaltiges Employer Branding ist das Hotel Vier Jahreszeiten in Hamburg. Direktor Ingo C. Peters begann bereits vor über einem Jahrzehnt damit, das Thema strategisch anzugehen. „Damals war Employer Branding in der Branche kaum präsent“, doch Peters erkannte früh: Der Kampf um gute Mitarbeiter wird zur zentralen Managementaufgabe – gerade in einem Haus, das höchsten Ansprüchen genügen will. Auslöser war damals keine akute Personalnot, sondern Weitsicht: die Erwartung, dass der Arbeitsmarkt sich drastisch verändern würde, und die Erkenntnis, dass Servicequalität auf motivierte, loyale Teams angewiesen ist. „Wir wussten: Wenn wir nicht aktiv an unserer Arbeitgeberkultur arbeiten, gefährden wir langfristig auch unser Gästeversprechen.“
Obwohl das Haus bereits seit 12 Jahren nach festen Werten arbeitete, begann Ingo C. Peters 2022 gemeinsam mit Marcus Merheim und seinem Team ein gezieltes Projekt zur strategischen Festigung der Arbeitgebermarke. Ziel war es, die intern gelebte Kultur stärker nach außen zu tragen, sie zu systematisieren, greifbar und kommunizierbar zu machen.
Mut zur Menschlichkeit
Im ersten Schritt wurden alle Mitarbeiter anonym zu ihren Erfahrungen befragt. Das Feedback floss direkt in Verbesserungen ein: Bewerbungsgespräche fanden in ruhigeren Räumen statt, der Dienstplan wurde strukturierter. Die Essenz der Arbeitgebermarke, die Werte, wurde im zweiten Schritt erarbeitet und schwarz auf weiß festgehalten: Vertrauen, Miteinander, Empowerment, Weitsicht und Kommunikation. „Wir wussten, dass wir starke Prinzipien leben, aber sie waren nicht formuliert“, erklärt Peters. Diese Werte wurden Bottom-up entwickelt, was zu starker Identifikation führte. „Wenn du willst, dass Menschen Werte leben, müssen es ihre eigenen sein“, betont Peters.